OMV: Der letzte Betriebsratskaiser

Martin Rossmann
Machtmensch und Privilegienritter – der demontierte Chef des Konzernbetriebsrates gerät stark unter Druck.

Die Zeiten der mächtigen Betriebsratskaiser sind schon lange vorbei, spätestens seit dem unrühmlichen Ende der Verstaatlichten Industrie. Als beispielsweise ein Franz Ruhaltinger der eigentliche Chef der Voest war. Würde man meinen. Beim teilstaatlichen Öl- und Gaskonzern OMV hat es bis heute gedauert, bis der sich als allmächtig fühlende und dementsprechend gerierende Betriebsratschef Martin Rossmann vom Thron gestürzt wurde.

Nach heftigen Konflikten mit seiner Kollegenschaft konnte der 46-Jährige im Herbst nicht mehr zur Wahl als Chef des Konzernbetriebsrats antreten. Der einstige Vertreter von 24.000 Mitarbeitern ist seitdem nur noch Betriebsrat der OMV-Dienstleistungstochter Solutions mit 300 Beschäftigten.

Rossmann ist nicht einmal mehr freigestellt, agiert aber so und residiert nach wie vor luxuriös. In einem Refugium, das größer ist als alle Vorstandsbüros. Mit roter Ledergarnitur, einer Kaffeeküche wie ein Segafredo-Shop, Raucher-Terrasse und täglich frischem Obst – geschält und geviertelt. Sowie direktem Zugang zur Arbeitsmedizin. Dort ließ sich Rossmann regelmäßig massieren und hielt während der Behandlungen manches Mal sogar Audienzen ab.

Zu den Insignien der geliehenen Macht gehören natürlich auch Dienstautos. Den schwarzen BMW 530 i, Baujahr 2012, fährt Rossmann angeblich seit Kurzem nicht mehr. Neben dem BMW stand ihm auch noch ein 500er-Mercedes samt Fahrer zur Verfügung.

Wozu muss ein Belegschaftsvertreter in der Luxuslimousine vorfahren? Für "Repräsentationszwecke", sagte Rossmann.

Als der Chauffeur in Pension ging, wurde über eine externe Firma auf den ehemaligen Fahrer des geschassten Chefs der "alten" Staatsholding ÖIAG, Rudolf Kemler, zugegriffen. Kemlers Nachfolgerin Martha Oberndorfer hatte den Fahrer, der mehr als 100.000 Euro im Jahr verdiente, gekündigt.

Seine Position als oberster Arbeitnehmervertreter – soferne Rossmann das überhaupt jemals war, darüber gehen die Rechtsmeinungen auseinander, weil er nach einer Interimslösung nie gewählt wurde – dürfte Rossmann rasch zu Kopf gestiegen sein. Er habe es perfekt verstanden, sich mit der Aura der Macht zu umgeben, hört man aus Beleg-schaft und Management. Geschickt baute er ein einflussreiches Freundes-Netzwerk auf und war immer bestens informiert. Im Unternehmen verfolgt ihn der Ruf eines Frauenverachters, immer wieder soll er Kolleginnen mit üblen, frauenfeindlichen Äußerungen schockiert haben. Trotzdem wagte niemand aufzumucken, "die Leute haben sich vor ihm gefürchtet, es herrschte ein Klima der Angst", berichten Mitarbeiter.

Der im Vorjahr neu angetretene OMV-Boss Rainer Seele wurde gleich eingekocht. Rossmann lud zur Bewirtung in sein privates Domizil. Seeles Freunde seien auch seine Freunde und Seeles Feinde seien auch seine Feinde, soll der Ober-Betriebsrat verkündet haben. Der Kuschelkurs mit Seele war allerdings vorbei, als Rossmann gegen einen Einstieg der russischen Gazprom bei der Raffinerie Schwechat auftrat.

Der zweite Bruch mit Seele dürfte der Rauswurf von Personaldirektor Georg Horacek gewesen sein. Seele hatte den Manager heuer mit sofortiger Wirkung vom Dienst freigestellt. Die interne Revision fand eine Teilrechnung über in München gekaufte Trachtenkleidung. Die europäischen Betriebsräte des Konzerns hatten ebenfalls das Oktoberfest besucht, die Rechnungen soll die OMV bezahlt haben. Die Rede ist von in Summe 30.000 bis 40.000 Euro.

Stimmt die "Lederhosen-Affäre", wäre dies der Grund für eine fristlose Entlassung. Mit Horacek einigte man sich aber laut Insidern inzwischen außergerichtlich auf eine Abfindung von einigen Hunderttausend Euro plus ein sogenanntes "Überbrückungsgeld", eine Firmenrente bis zum Pensionsantritt. Rossmann passierte nichts, er verzieh Seele den Rauswurf seines Freundes Horacek jedoch nicht.

Detail am Rande: In München wurde derart tüchtig geshoppt, dass wegen der zahlreichen Pakete für die Heimfahrt nach Wien der große Dienst-Mercedes angefordert wurde.

An der Demontage von Seeles Vorgänger Gerhard Roiss dürfte Rossmann eifrig mitgearbeitet haben. Roiss wurde wie berichtet mit anonymen erpresserischen Vorwürfen zum vorzeitigen Abgang gezwungen. Eine zweiseitige "Sachverhaltswürdigung" sollte Roiss schwer belasten, das Papier war unterzeichnet mit "MH 17". Das war die Flugnummer jener Malaysian-Boeing, die 2014 über der Ukraine abgeschossen wurde. Die Vorwürfe gegen Roiss lösten sich in Luft auf. Laut internen Untersuchungen führten Spuren zu Rossmann und zum Drucker des neuen Konzernbetriebsrats-Vorsitzenden Wolfgang Baumann.Eigentlich wollte der glücklose ÖIAG-Chef Kemler selbst OMV-Boss werden. Rossmann saß damals im Aufsichtsrat der Staatsholding und brüstete sich vor Kollegen damit, Kemler (wurde ebenfalls privat bekocht, angeblich mit Schweinsbraten) seine Hilfe zugesagt zu haben – "Rudi, ich mach’ dich zum Generaldirektor". Er denke freilich nicht daran, dieses Versprechen einzulösen. Rossmann soll auf den Job des Personalchefs gehofft haben, dementierte dies aber.

Im Unternehmen prahlte der Betriebsratszampano mit Kontakten zu Geheimdiensten und zum Bundeskriminalamt. Er erfahre jedes Telefonat im Unternehmen und bekomme jedes Mail, wenn er wolle.

Tatsächlich geriet Rossmann selbst ins Visier der Justiz. Im Rahmen einer mutmaßlichen Bestechungsaffäre um die deutsche "Privat-Agentin" Christine W., Tarnname "Nina" – der KURIER berichtete ausführlich. Die in U-Haft genommene angebliche Ex-Stasi-Mitarbeiterin bot Firmen Kontakte zu Geheimdiensten an und erhielt mit selbst gebastelten Dossiers lukrative Beratungsaufträge. Zu den Kunden gehörte auch die OMV, die für Ermittlungen in Rumänien laut Aktenlage zumindest 450.000 Euro hingeblättert haben soll.

"Nina" wurde observiert, dabei stellte sich laut Aktenlage heraus, dass sie sich bis März 2016 auffällig oft mit Rossmann traf.

Was hat der Betriebsrat mit der Agentin zu tun? Ein Dossier von Freundin "Nina" über das Gazprom-Pipeline-Projekt Nord Stream 2 stellte sich jedenfalls als primitive Online-Recherche heraus.

Inzwischen sucht die neue Personalchefin intern einen Job für Rossmann. Möglich, dass sich die OMV überhaupt von ihm trennt. Dafür müsste Seele wohl eine ordentliche Stange Geld in die Hand nehmen. Ein OMV-Sprecher erklärte, man gebe grundsätzlich keinen Kommentar zu Einzelpersonen ab. Rossmann war für den KURIER nicht erreichbar.

Daher konnte er auch nicht dazu befragt werden, ob er wie kolportiert unter einem Nickname böse Postings gegen das OMV-Management absondert.

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