Tausende Daten zu Steueroasen veröffentlicht

APA12169490-2 - 04042013 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA 0177 WA - Eine Frau betrachtet auf einem Bildschirm die Website eines internationalen Netzwerks für investigativen Journalismus (ICIJ) am Donnerstag, 4. April 2013, in Wien (gestellte Szene). Nach Berichten über Geheimgeschäfte in Steuerparadiesen hat die griechische Regierung Ermittlungen zu 103 Offshore-Unternehmen angekündigt. APA-FOTO: ROLAND SCHLAGER
Ein Journalistenkollektiv hat Offshore-Leaks-Dateien ins Netz gestellt - 100.000 Organisationen finden sich darin.

100.000 Unternehmen, Fonds und Stiftungen sind auf der Liste zu finden: Eine Gruppe von Journalisten hat nun eine umfangreiche Datensammlung zu Steueroasen im Internet veröffentlicht.

Das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) in Washington hat die Daten am Freitag ins Netz gestellt - die Absicht dahinter: Die Suche nach Steuerhinterziehern und anderen Betrügern. Die Offshore-Leaks-Dateien sollten die nötige Transparenz schaffen, um etwa Betrug, Geldwäsche und Steuerhinterziehung bekämpfen zu können, erklärte ICIJ-Chef Gerard Ryle.

Die Öffnung der Akten einer Branche, die lange im Schatten operiert habe, sei im öffentlichen Interesse, erklärte Ryle. Der Journalistenverbund stieß mit seinen Enthüllungen bereits in einer Reihe von Ländern Ermittlungen gegen Steuerhinterzieher an.

Zugang zu geheimer Welt

"Erstmals ist es nun möglich, im Internet öffentlichen Zugang zu der geheimen Welt zu erhalten", sagte Ryle. Möglicherweise seien aber "die besten Geschichten noch da draußen". Die Veröffentlichung der Daten erfolgte wenige Tage vor dem Gipfeltreffen der acht großen Industriestaaten (G-8) in Nordirland, bei dem es auch um den Austausch von Bankdaten zur Bekämpfung von Steuerflucht gehen soll.

Nach Angaben des ICIJ wurden in den veröffentlichen Informationen persönliche Daten wie Telefonnummern, Kontonummern und E-Mail-Adressen entfernt. Auch Angaben zum Kapital sowie Gewinnen und Verlusten der genannten Firmen wurden vor der Veröffentlichung gestrichen. Der Schwerpunkt der Daten liegt auf Asien und Asiaten insbesondere mit Verbindung zu Singapur.

Nichts Illegales

Recherchen in der Datenbank führen zu verschiedenen prominenten Namen, ergeben jedoch zunächst keine Hinweise auf illegales Verhalten: ICIJ betonte, ein Agieren in Steueroasen sei nicht zwangsläufig rechtswidrig. Es solle nicht impliziert werden, dass aufgeführte Personen Gesetze gebrochen hätten.

Zur Offshore-Leaks-Datenbank geht's hier.

910 17th Street NW, Washington DC: Hier ist das Zentrum von „Offshore-Leaks“, hier traf die ominöse Festplatte mit 260 Gigabyte Datenmaterial ein, hier laufen die Drähte von 160 Aufdecker-Journalisten aus der ganzen Welt zusammen. Auf der Festplatte gespeichert sind Informationen über 120.000 Unternehmen und 130.000 Privatpersonen, die ihr Vermögen in zehn Steueroasen angelegt haben. Jetzt geht bei den Steuerflüchtlingen die Angst um, dass die Daten an die Finanzbehörden weitergegeben werden.

Das „International Consortium of Investigative Journalists“ (ICIJ), ein globales Netzwerk von investigativen Journalisten, ist nicht zufällig in der US-Hauptstadt beheimatet. Die Funktion der Medien als vierte Gewalt im Staat hat hier einen besonders hohen Stellenwert. Vor 40 Jahren deckten die Washington Post-Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein die Watergate-Affäre auf und brachten mit ihren akribischen Recherchen US-Präsident Richard Nixon zu Fall. Während die „Säulenheiligen des Aufdeckerjournalismus“ noch weitgehend auf sich allein gestellt waren, sind die Erben von Watergate weltweit vernetzt.

Globales Projekt

Das ICIJ ist nicht etwa ein loser Journalisten-Club, sondern ein politisches Projekt. Das Ziel: Journalisten aus aller Welt arbeiten gemeinsam an einer Enthüllung, tauschen Daten und Recherchematerial aus. Das Netzwerk sucht seine Mitglieder sorgfältig aus. Die Journalisten werden stets persönlich eingeladen, bei investigativen Recherchen mitzumachen. Die meisten Mitglieder sind US-Amerikaner. Aus Deutschland zählen Spiegel-Chefredakteur Georg Mascolo und Hans Leyendecker vom Ressort „Investigative Recherche“ bei der Süddeutschen Zeitung zum Netzwerk.

Ins Leben gerufen wurde ICIJ 1997 als internationales Projekt des ebenfalls in Washington ansässigen „Center for Public Integrity“ (CPI). Das vom ABC-Reporter Charles Lewis gegründete CPI ist eine gemeinnützige Organisation, die sich laut Eigendefinition zum Ziel gesetzt hat, „Machtmissbrauch, Korruption und Pflichtverletzung durch mächtige öffentliche und private Institutionen aufzudecken“. Gelungen ist dies etwa mit Aufdeckergeschichten über Tabak-Konzerne oder mit Insider-Büchern über die US-Regierung. Im Fokus stehen zumeist US-Themen.

Reiche Mäzene

Finanziert wird das CPI wie in den USA üblich von Stiftungen. Die wichtigsten Förderer sind etwa die Ford Foundation oder die Knight Foundation. Für Kritik sorgte das Engagement des Milliardärs und Finanzgurus George Soros. Er ließ in den Jahren 2000 bis 2002 insgesamt eine Million Dollar springen, angeblich um mit brisantem Material US-Präsident George Bush zu Fall zu bringen. In Zusammenhang mit „Offshore-Leaks“ erscheint das Engagement von Soros eher pikant. Der wohl berüchtigtste Hedgefonds-Manager der Welt profitiert selbst von Steueroasen. So residiert sein berühmter Quantum-Fonds, mit dem er gegen das britische Pfund spekulierte, auf der Karibik-Insel Curacao.

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