Österreichs Leiden an den Sanktionen

Bundeskanzler Kern (SPÖ), russischer Präsident Putin beim Wirtschaftsforum St. Petersburg, 2. Juni 2017
US-Gesetz gegen Russland nimmt Firmen wie OMV und voestalpine in Geiselhaft – Kern: "Inakzeptabel".

"Die USA betreiben Industriepolitik unter dem Deckmantel von Sanktionen – das ist inakzeptabel". Klarer als der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel kann man kaum formulieren, worauf ein neues US-Gesetz abzielt. Worum geht es?

Der US-Kongress fordert schärfere Sanktionen gegen Nordkorea, Iran, aber auch Russland – wegen der Krim-Annexion und mutmaßlichen Beeinflussung der US-Präsidentenwahl 2016.

Betroffen wären aber nicht nur russische Regierungsmitarbeiter oder Militärs. Laut dem Gesetz, das am Dienstag das US-Repräsentantenhaus mit überwältigender Mehrheit von 419 zu 3 Stimmen passierte, kann Präsident Trump auch Sanktionen gegen alle Personen verhängen, die am Bau oder der Wartung russischer Gas- und Öl-Pipelines beteiligt sind bzw. dazu im Wert von einer Million Dollar oder mehr betragen.

Das würde viele EU-Firmen treffen; etwa die OMV, die die Ostseepipeline NordStream2 mitfinanzieren will. Gerade die ist den USA ein besonderer Dorn im Auge (siehe Zitiert). Auch die voestalpine als Stahllieferant müsste mit Konsequenzen rechnen.

EU-Gegenschlag

Bundeskanzler Christian Kern kritisierte das einseitige Vorgehen scharf. Dass die USA nationale Gesetze anderen überstülpen, sei "absolut inakzeptabel", sagte sein Sprecher. Die EU drohte mit Gegenmaßnahmen. "Sollte unseren Bedenken nicht ausreichend Rechnung getragen werden, sind wir bereit, innerhalb von Tagen angemessen zu reagieren", warnte Kommissionschef Jean-Claude Juncker: "Amerika zuerst kann nicht bedeuten, dass Europas Interessen an letzter Stelle kommen." Wie die EU antworten würde, dazu wollte sich Juncker nicht in die Karten schauen lassen. Logisch wäre eine Klage vor der Welthandelsorganisation, was auf einen Handelskonflikt – mit EU-Strafzöllen für US-Firmen – hinauslaufen würde.

Immerhin: Ein Brüsseler Lobbyingerfolg ist, dass der Text nun eine Hintertür offen lässt. Falls Trump Sanktionen gegen Pipeline-Firmen verhängt, geschehe das "in Abstimmung mit US-Verbündeten", heißt es darin.

Was könnte OMV, voestalpine und Co. blühen? Das Gesetz droht mit Importverboten, Ausschluss von Ausschreibungen, Blockade von Geldtransfers bis zum Verbot von Aktienkäufen für US-Bürger und zur Ausweisung von Managern. Einfach ignorieren könnten die Europäer das Gesetz nicht. Alle in den Staaten ansässigen Firmen sind nämlich verpflichtet, Sanktionen weltweit bei ihren Töchtern anzuwenden.

Kampf um Gasexporte

Worum es den Amerikanern bei ihrem Pipeline-Vorstoß eigentlich geht: Sie wollen ihre eigenen Gasexporte steigern. Das wird gar nicht verschleiert, sondern explizit erwähnt (siehe Zitiert). Momentan strömt russisches Pipeline-Gas viel billiger nach Europa, während US-Flüssiggas mühsam über Schiffe und Terminals transportiert werden muss. Deshalb kamen die Russen Anfang 2017 auf 41 Prozent Anteil der EU-Gasimporte, die Amerikaner auf nicht einmal ein Prozent. Das US-Gesetz muss nun noch den Senat passieren, wo aber ebenfalls eine klare Zwei-Drittel-Mehrheit erwartet wird. Präsident Trump ließ bisher offen, ob er das Gesetz unterschreibt – angesichts der klaren Mehrheiten wäre ein Veto aber ein Eklat.

Die Pläne seien "traurig" für die bilateralen Beziehungen und ein extrem unfreundlicher Akt, sagte ein Kreml-Sprecher. In Russland wurden erste Forderungen nach einer "schmerzhaften Antwort" für die USA laut.

Europäisches Déjà-vu

Es ist nicht das erste Mal, dass EU-Firmen an Russland-Sanktionen zu knabbern haben. Als die EU und USA im Juli 2014 erste Sanktionen gegen Moskau verhängten, traf der russische Gegenschlag fast nur europäische Firmen. Zwischen 2013 und 2016 sind Österreichs Exporte nach Russland wegen der Sanktionen, Gegensanktionen und russischen Wirtschaftskrise um 46 Prozent eingebrochen. Agrarexporte verzeichneten dabei besonders dramatische Einbußen.

Die US-Sanktionen treffen den Außenhandel in einer Erholungsphase: Seit Anfang 2017 ging es deutlich bergauf, die österreichischen Exporte nach Russland hatten in den ersten vier Monaten um 29 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugelegt.

Österreichs Leiden an den Sanktionen
General view of Russia's first pipeline to Asia near Nerungri in Eastern Siberia, in this July 12, 2007 file photo. Exploiting its proximity to northern Asia and the collapse of the rouble against the U.S. dollar, Russia has become the fastest growing oil supplier to Asia at a time when Middle East exporters are distracted by internal strife and competition from U.S. shale producers. REUTERS/Sergei Karpukhin/Files

Auszüge der betreffenden Passage aus dem Gesetzesentwurf:

„Es ist die Politik der USA,

– der Ukraine und unseren Partnern in Europa zu helfen, die Abhängigkeit von russischer Energie, speziell Erdgas, zu verringern, welches die russische Regierung als Waffe einsetzt, um andere Länder zu nötigen, einzuschüchtern und zu beeinflussen. [...]

– weiterhin gegen die NordStream2-Pipeline aufzutreten, weil sie schädlich für die EU-Energiesicherheit und den Gasmarkt in Zentral- und Osteuropa ist.

– dass die Regierung Exporte von US-Energie bevorzugt behandelt, um amerikanische Jobs zu schaffen, Verbündeten zu helfen und die US-Außenpolitik zu stärken.“

Gesetzestext im Repräsentantenhaus (datiert 24. Juli) - inbes. Sec. 232, Sec. 257

Gesetzestext im Senat (datiert 6. Juni)

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