Österreich Werbung sucht neuen Chef

Österreich Werbung sucht neuen Chef
Insgesamt werben in Österreich 1700 Organisationen um die Urlauber. Viel zu viele, sagen Kritiker.

Der Wettlauf um den prestigeträchtigsten, wahrscheinlich aber auch herausforderndsten Job im heimischen Tourismus ist eröffnet. Seit gestern, Samstag, ist die Leitung der Österreich Werbung neu ausgeschrieben. Der Vertrag von Petra Stolba (Bild), seit 2006 oberste Urlaubswerberin der Nation, läuft aus.

Der Headhunter Egon Zehnder wird einiges zu tun bekommen. Die Position ist heiß begehrt, bei der letzten Ausschreibung gingen 20 in- und ausländische Kandidaten ins Rennen. Die Bewerber müssen "Konzernerfahrung auf vergleichbarer Ebene" oder Erfahrung in "führender Funktion im Tourismus" vorweisen können, unter besonderer Berücksichtigung der internationalen Agenden der Österreich Werbung (ÖW). Die Kriterien "teamfähige Führungspersönlichkeit, überzeugende Kommunikationsfähigkeit und Durchsetzungsvermögen" sind mehr als deutliche Hinweise darauf, dass der Job auch ein Schleudersitz sein kann. Diese Erfahrung mussten einige von Stolbas Vorgängern leidvoll machen.

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Dr. Petra Stolba, Österreich Werbung, Wien am 28.05.2010

Ob sich die 51-Jährige, wie Insider kolportieren, ein drittes Mal bewirbt, will sie gegenüber dem KURIER nicht kommentieren. In der Branche wird der bürgerlichen, aber parteifreien Viel-Arbeiterin attestiert, einen sehr guten Job zu machen. Die Bilanz kann sich sehen lassen. Seit 2006 stieg die Zahl der Ankünfte in Österreich von rund 30 Millionen auf heuer voraussichtlich 40 Millionen. Die Nächtigungen erhöhten sich von 119 auf rund 138 Millionen (2016).

Schon klar, das kann nicht alleine den Werbern zugeschrieben werden, doch die Internationalisierung der Marke "Urlaub in Österreich" funktioniert. Die Wachstumsraten bei den ausländischen Urlaubern sind höher als das Plus jener Gäste, die ihre Ferien im eigenen Land verbringen. Trotzdem ist der Tourismus, der acht Prozent der Wirtschaftsleistung Österreichs stellt, immer noch zu stark von den drei Herkunftsmärkten Deutschland, Inland und den Niederlanden (insgesamt knapp drei Viertel aller Nächtigungen) abhängig.

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Die Herausforderungen an die Kreativen haben sich radikal geändert. Mit klassischen Inseraten und TV-Spots ist’s in Zeiten der Digitalisierung längst nicht mehr getan. Stattdessen setzt man immer stärker Online-Kanäle und Events und erzählt Geschichten.

Der Werbefilm zum heurigen Schwerpunktthema #austriantime wurde beispielsweise auf YouTube schon mehr als 1,7 Millionen Mal aufgerufen. Gezeigt wird ein gestresstes urbanes Paar, das auf die Alm fährt. Erst als das Handy in den Gebirgsbach fällt, finden die zwei jungen Leute zurück zur Natur – und wieder zueinander.

Oder die "Austria Dirndl Temptation". Die Österreich-Werber steckten 40 New Yorker in Tracht und Lederhosen. Die Truppe trat bei etlichen Events auf, die übers Internet weiterkommuniziert wurden. Das kam im "Big Apple" gut an und heimste Werbepreise ein.

Egon Zehnder hat die Hearings mit den Kandidaten für Ende Juni angesetzt. Wird spannend, wer aller an den Start geht. Branchenintern wird spekuliert, dass Ronald Felder, Boss der zur HRS-Gruppe gehörenden Alpen-Buchungsplattform Tiscover, antreten könnte. Oder die Bundesländer-Werber Josef Margreiter (Tirol), Leopold Bauernberger (Salzburg) und Christian Kresse (Kärnten Werbung).

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Apropos Länder. Wäre nicht Österreich, wenn der Föderalismus nicht auch im Tourismus-Marketing fest verankert wäre. Neben der ÖW , zuständig für die Dachmarke Österreich, werben neun Landes-Tourismusorganisationen. Klar, dass es mit der ÖW immer wieder Reibungsflächen gibt. Dem einen Bundesland setzt die ÖW zu wenig auf Alpen und Skifahren, dem anderen Land wieder zu wenig auf Kultur und Städte oder auf Seen. Da kann es schon zu Differenzen kommen, die in der Vergangenheit oft in festem Österreich-Werbung-Bashing eskalierten. Seit die Länder als Mitglieder aus der ÖW ausgetreten sind, funktioniert die Kooperation so halbwegs.

Insgesamt gibt es in Österreich knapp 1700 touristische Marketing-Organisationen. Die teilweise mit üppigen Budgets aufgerüstet sind, aber völlig unkoordiniert nebeneinander her werben. Außer ÖW und den Ländern rittern 80 Destinationen und rund 1600 Ortsverbände um die Urlaubermassen. Laut einer Studie der Hoteliervereinigung summieren sich die Werbebudgets auf geschätzte 420 Millionen Euro. "Viel zu viele Organisationen, viel zu viele Doppelgleisigkeiten", konstatiert der Salzburger Unternehmer Sepp Schellhorn, Tourismus- und Wirtschaftssprecher der Neos. Dieser Meinung sind auch andere Touristiker, die sich aber lieber nicht so offen äußern wollen.

Zwei Ebenen hält der ehemalige Hoteliers-Präsident Schellhorn für überflüssig. "Oben entweder die ÖW oder die Länder. Und braucht’s unten noch die örtlichen Tourismusverbände?" Wenn ÖW, dann "aber gehört sie gestärkt und ordentlich ausgestattet. Doch das Budget wurde nie evaluiert."

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Das Budget der als Verein organisierten, 210 Mitarbeiter zählenden Österreich-Werber beläuft sich seit vielen Jahren auf 50 Millionen Euro. Heißt, real schrumpfen die Geldmittel. 32 Millionen Euro kommen von den beiden Vereinsmitgliedern, dem Wirtschaftsministerium (24 Millionen) und der Wirtschaftskammer Österreich. Rund 18 Millionen trägt noch die Branche bei. "Das klassische Stillstandssyndrom zeigt sich nicht nur bei der Regierung, sondern auch bei der Österreich Werbung", ätzt Schellhorn.

Weltweit halten sich alle Staaten nationale Tourismus-Organisationen. Die Schweiz, die ein Drittel der Nächtigungen von Österreich hat, budgetiert nur für die Sommersaison 52 Millionen Euro. Zwar erhält die ÖW hin und wieder Sonderbudgets (zuletzt vier Millionen), aber mit unregelmäßigen Einmal-Zuschüssen kann eine international aufgestellte Organisation ihre Strukturen auf Dauer nur mühsam erhalten.

Manche Destinationen dagegen können richtig klotzen. Der Tourismusverband Ötztal hatte 2014 rund 11,8 Millionen Euro Jahresbudget, bei knapp vier Millionen Nächtigungen. Die Region "Innsbruck und seine Feriendörfer" kommt auf 14,5 Millionen (drei Millionen Nächtigungen), das Zillertal gibt 4,2 Millionen bei 2,3 Millionen Gästeübernachtungen aus. Selbst die Region Hall-Wattens lässt sich den Tourismusverband 1,66 Millionen kosten, für bescheidene 269.000 Nächtigungen.

Zum Vergleich: Wien Tourismus verfügt über 26,46 Millionen Budget und zählt 6,6 Millionen Ankünfte (14,3 Mio. Nächtigungen). Aber im Gegensatz zur Bundeshauptstadt ist der Fremdenverkehr in den Alpentälern oft die einzige Geldquelle.

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