Österreich vergrault Topverdiener

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Seit 2011 massiv Attraktivität eingebüßt – Schweizer Kantone günstig, aber am Limit.

Seinen Namen will Heinrich P. lieber nicht veröffentlichen: Die Neidgenossen würden ihn bis zu den Eidgenossen verfolgen, befürchtet der 53-jährige Österreicher. Vor einem Jahr ist es dem wohlhabenden Vermögensverwalter zu bunt geworden: Er hat die Zelte abgebrochen und ist nach Zürich gezogen. Und zwar allein aus Steuergründen, wie er sagt: "Die Schweizer Kantone stehen in einem irren Wettbewerb. Sie reißen sich um reiche Personen. Und zwar nur um Reiche", sagt P.

Er hätte es noch günstiger haben können. Etwa im Kanton Zug, berühmt und berüchtigt als Steueroase und Paradies für Briefkastenfirmen. Die Lebensqualität und Infrastruktur der Finanzmetropole Zürich waren dem Steuermigranten dann aber doch ein bisserl was wert.

Was ist dran am Steuerwunder Schweiz? Anders als bei uns, wo die Bundesländer über den Finanzausgleich bedient werden, heben die Regionen bei den Eidgenossen ihre Steuern großteils autonom ein. Im Rangeln um Spitzenverdiener sind Steuersenkungen so zu einer Art Fetisch geworden. Die Kantone lassen sich Jahr für Jahr detailliert ermitteln, wie sie im Steuerranking untereinander abschneiden.

Die Topverdiener freut’s – für sie sind die Unterschiede tatsächlich gravierend. Das Wirtschaftsforschungsinstitut BAK Basel hat durchgerechnet, wie viel Steuern für eine hoch qualifizierte Arbeitskraft (Jahreseinkommen 100.000 Euro netto, unverheiratet) anfallen. Fazit: Nur in Singapur oder Hongkong kommen Spitzenverdiener mit effektiven Steuersätzen von 10 und 15 Prozent noch günstiger weg. In Schweizer Kantonen wie Zug, Schwyz, Obwalden fallen 23 bis 24 Prozent an. Selbst das "teuerste" eidgenössische Steuerpflaster Bern schneidet mit 33,2 Prozent besser ab als Österreich mit seinen 39,7 Prozent.

Dennoch sieht BAK-Basel-Chefökonom Martin Eichler Österreich nicht als Hochsteuerland für Reiche: "Die Belastung ist am Standort Wien noch klar geringer als der internationale Durchschnitt. Allerdings ist durch die Nähe zur Schweiz der Konkurrenzdruck groß."

Steuererhöhungen

Österreich vergrault Topverdiener
Österreich verliert an Boden: In den letzten drei Jahren ist bei uns der effektive Steuersatz für Spitzenverdiener um 2,1 Prozentpunkte gestiegen. Noch stärkere Steuererhöhungen gab es unter den 39 Regionen und Ländern im Vergleich nur in Italien (+3 %), Slowakei (+3,8 %), Spanien (+4,2 %) und Ungarn (+7,7 %). Kurzum: Österreich büßt den Vorsprung ein. Die jüngsten Sparpakete werden den Trend verstärken. So wurde 2013 die Steuervergünstigung auf den 13. und 14. Monatsgehalt für Topverdiener ausgesetzt ("Solidarbeitrag").

Auf Rekordhalter Belgien fehlt freilich Österreich noch ein gutes Stück: Dort sind Spitzeneinkommen effektiv mit 56,4 Prozent besteuert. Oder umgekehrt: Um dem Arbeitnehmer ein Jahreseinkommen von 100.000 Euro netto zu ermöglichen, muss ein Unternehmen ganze 230.000 Euro auszahlen (siehe Tabelle). Im Schweizer Zug sind es um 100.000 Euro weniger.

Trendwende

Normalverdiener sollten sich trotzdem drei Mal überlegen, ob sie über den Bodensee auswandern wollen: Für sie würden ein paar hundert Franken Steuerersparnis von Tausenden Franken an Miet- und Lebenskosten aufgefressen. Und obendrein kann sich auch die Schweiz das Steuerdumping nicht mehr leisten. Einige Kantone wie Schwyz oder St. Gallen müssen die Steuern nun anheben – ihnen ist einfach das Geld ausgegangen.

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