Österreich lässt in Brüssel Milliarden liegen

Erstes EFSI-Projekt überhaupt: Zellstofffabrik im finnischen Äänekoski.
Juncker-Plan: Finnen und Briten holen das meiste Geld für Investitionen heraus – Österreich weit hinten.

Solche Pointen kann man nicht erfinden: Ausgerechnet die abtrünnigen Briten haben sich bisher am stärksten aus dem EU-Topf zur Ankurbelung der Investitionen bedient.

Zur Erinnerung: Um die schwache Konjunktur zu beleben, wurde Mitte 2015 der Juncker-Plan ins Leben gerufen. Bis 2018 soll der Topf, der korrekt EFSI heißt ("Europäischer Fonds für Strategische Investitionen"), 315 Milliarden Euro mobilisieren. Und zwar von privaten Investoren, abgesichert mit Garantien von der "EU-Hausbank", der Europäischen Investitionsbank (EIB).

Ungefähr zur Halbzeit liegt dem KURIER eine Auswertung vor, welche EU-Länder besonders profitiert haben. Siehe da: Das Vereinigte Königreich hat den Topf am stärksten ausgeschöpft. Die Briten ließen sich Projekte um fast 22 Milliarden Euro mitfinanzieren. Etwa im selben Ausmaß haben Italien, Spanien und Frankreich profitiert. Deutschland holte ungefähr 15 Milliarden Euro ab.

Österreich unter Ferner liefen

Aber nicht nur die Großen haben sich bedient. Gemessen an der Einwohnerzahl hat Finnland tief in den Juncker-Topf gegriffen, zeigt die Studie der Brüsseler Denkfabrik CEPS. Die Finnen sicherten sich Finanzierungen von etwa 520 Euro pro Einwohner, gefolgt von Irland (510 Euro) und Spanien (495 Euro).

Österreich lässt in Brüssel Milliarden liegen
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Wo liegt Österreich? Weit abgeschlagen mit rund 60 Euro pro Einwohner auf Platz 23. Erst eine Handvoll Projekte war Ende 2016 bewilligt: ein Windpark, der Ausbau von drei Krankenhäusern in Wien, eine Agrana-Stärkeanlage, ein Kreditrahmen für innovative Kleinunternehmen (KMU). Das war’s. Warum lässt Österreich, das sonst bei EU-Projekten gut abschneidet, so viel Geld liegen?

"Wir haben erst Halbzeit", sagt EFSI-Direktor und Ex-Finanzminister Wilhelm Molterer zum KURIER. Einige weitere Projekte seien mittlerweile genehmigt oder stünden kurz davor: Mit Ende März zählt er heimische KMU-Projekte über 280 Mio. Euro und Infrastrukturvorhaben mit 390 Mio. Euro Investitionsvolumen: "Das ist gar nicht so wenig."

Eigentlich sollten noch 170 Mio. Euro dazugerechnet werden, findet die Förderbank aws. Sie habe "in der Juncker-Plan-Pilotphase" eine Rückgarantie vereinbart, die offiziell nicht dazu zähle. Das jüngste Projekt: Der aws-Business-Angels-Fonds wird dank EFSI um 10 Millionen Euro aufgestockt.

"Die Briten haben es erfunden"

Eine fixe Länderquote gebe es im Juncker-Plan freilich nicht, betont Molterer. Einzig und allein die eingereichten Projekte entscheiden. Und da sieht er in Österreich zwei Mankos: Es fehle eine Beratungsstruktur, die den Gemeinden und Ländern assistiert. Das sei "in grauer Vorzeit" die Kommunalkredit gewesen.

Österreich lässt in Brüssel Milliarden liegen
Es folgte ein Intermezzo als einfacher Mandatar, dann kam Molterer als Vize der Europäischen Investitionsbank unter. Wilhelm Molterer 2011 nur noch Europäer: "Zur Innenpolitik sage ich nichts."
Und: In anderen Ländern würden Infrastruktur-Projekte von Privaten und der öffentlichen Hand gemeinsam gestemmt. In Österreich mangle es an der nötigen Kapitalmarktkultur, bedauert Molterer: "Es fehlt der politische Push."

Ganz anders bei den Briten: Sie hätten diese Public-Private-Partnerships (PPP) in den 1980ern erfunden, sagt CEPS-Studienautor Jorge Núñez Ferrer. Das erkläre die hohe Ausschöpfung: "Dort wird alles so finanziert."

Juncker-Plan ist im Plan

Wie ist das Urteil des Spaniers über den Juncker-Plan als Ganzes? Das Kalkül, mit 21 Milliarden EU-Geld als Garantie insgesamt 315 Milliarden Euro Investitionen auszulösen, dürfte aufgehen, sagt der Experte: Zur Halbzeit waren nämlich rund 164 Milliarden Euro – 52 Prozent des Gesamtzieles – freigegeben und ausgeschöpft. Die EU-Staaten haben bereits Ende des Vorjahres zugestimmt, den Juncker-Plan auszuweiten und bis 2020 zu verlängern.

Auch Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner sieht die noch nicht sehr stark ausgeprägte PPP-Kultur als Hauptursache für die schwache EFSI-Teilnahme. Österreichs Unternehmen stehe zudem eine ganze Palette an attraktiven Finanzierungsmöglichkeiten zur Verfügung, heißt es im Wirtschaftsministerium - über aws-Garantien, über Mittel aus dem Marshallplan (ERP), oder über ganz normale Kapitalmarkt- und Bankenfinanzierungen.

Ist Österreich also gar nicht auf das Geld aus dem Juncker-Plan angewiesen? So würde er das zwar nicht formulieren, sagt CEPS-Experte Núñez Ferrer, der Österreich gut kennt - er hat in Wien maturiert. "Aber andere Länder haben es viel eher nötig."

Viel Wind um den "Juncker-Plan"

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