ÖIAG-Chef Kemler: "Wollen nicht am Abgrund stehen"

ÖIAG-Vorstand Rudolf Kemler
Rudolf Kemler über die Telekom, Putin-Freund Siegfried Wolf und die Nachfolge des OMV-Chefs.

KURIER: Die Hauptversammlung der Telekom Austria wird am 14. August eine Kapitalerhöhung bis zu einer Milliarde Euro beschließen. Bleibt die ÖIAG bei ihren 28,4 Prozent?

Rudolf Kemler: Aller Voraussicht nach ja. Wir werden die rund 280 Millionen Euro wahrscheinlich, wie schon 2011 bei der OMV, kurzfristig fremd finanzieren und über die Dividende der ÖIAG aus eigener Kraft zurückzahlen.

Was macht es für einen Unterschied, ob 28,4 Prozent oder die Sperrminorität von 25 Prozent plus einer Aktie?

Faktisch kaum. Aber es ist immer gut, bei einer Kapitalerhöhung nicht am Rande des Abgrunds zu stehen, sondern Spielraum zu haben, um nicht unter die Sperrminorität verwässert zu werden.

Die Telekom musste kürzlich 400 Millionen Euro für die Tochter in Bulgarien wertberichtigen. Innerhalb von drei Monaten kann sich die Lage doch nicht derart verschlechtert haben.

Das habe ich in der ersten Schrecksekunde auch gesagt. Doch es gab im ersten Quartal 2014 keine Anzeichen, alles entsprach den Planungen. Die Negativ-Spirale drehte sich zu Beginn des zweiten Quartals, das war vorher nicht absehbar. Erinnern Sie sich an den Bankensturm in Bulgarien und das Downgrading durch S&P. Aber Bulgarien verdient ja Geld, das ist keine cash-wirksame Thematik, sondern eine reine Bilanzmaßnahme.

Die ÖIAG entscheidet über den Vorstandsvorsitzenden. Bleibt Telekom-Chef Ametsreiter?

Der Vertrag wurde erst vor einem Jahr erneuert. Ein vorzeitiger Abgang ist kein Thema.

Sie drohten den ÖIAG-Betriebsräten eine Klage an, weil sie der entscheidenden Aufsichtsratssitzung über den Syndikatsvertrag fern blieben.

Wir müssen mit den Belegschaftsvertretern einen Modus finden, dass wir wieder gemeinsam arbeiten. Auch wenn ich das Vorgehen nicht für sinnvoll und nicht im Interesse des Unternehmens halte, wird es vonseiten der ÖIAG keine Klage geben.

Aber wütend waren Sie schon.

Wenn jemand kurz vor einer Entscheidung seine Linie um 180 Grad ändert, kann ich das doch nicht gutheißen. America Movil hätte 51 Prozent der Telekom auch ohne die ÖIAG übernehmen können. Die einzige Alternative wäre eine Re-Verstaatlichung gewesen, aber darüber brauchen wir wohl nicht zu diskutieren.

Warum eigentlich nicht?

Die Telekom-Industrie in Europa ist in einem dramatischen Wandel. Die Telekom Austria ist zu klein und wäre ein Parade-Übernahmekandidat gewesen. Wir hätten nicht den Einfluss auf das Unternehmen, den wir heute haben. Dass jemand mit 51 Prozent mehr Rechte hat als jemand mit 28,4 Prozent, that’s life. In den USA gibt es vier Telekom-Unternehmen mit eigenen Netzwerken, in China zwei und in Europa 150. Dass da eine Konsolidierung bevorsteht, liegt auf der Hand. Bis dato hatte die Telekom ein Marktpotenzial von 40 Millionen Kunden, jetzt sind es 170 Millionen.

Was sagen Sie zur massiven Kritik am sich selbst erneuernden Aufsichtsrat der ÖIAG.

Es ist schwierig, sich als CEO über den eigenen Aufsichtsrat zu äußern. Aber dieser Aufsichtsrat ist sehr kompetent, unter seiner Führung hat die ÖIAG 100 Milliarden Schilling Schulden abgebaut und zusätzlich 2,3 Milliarden Euro an Dividenden erwirtschaftet. Ich kenne kein auch nur annährend so erfolgreiches Beispiel. Vergleichen Sie doch mit anderen Beteiligungen der öffentlichen Hand.

Aber die Republik als Eigentümerin hat nichts mitzureden.

Juristisch ist das ÖIAG-Gesetz korrekt, das ist eher ein ideologisches Thema.Ich verstehe, wenn die Republik sagt, sie würde gerne intensiver mitreden. Es wäre sinnvoll, in einem intensiven Dialog ein gemeinsames Modell zu finden. Über die fachliche Kompetenz und die Erfahrung dieses Aufsichtsrates wären viele Unternehmen froh. Und die Vergütung ist Meilen vom Durchschnitt der ATX-Unternehmen entfernt.

Wie tun Sie sich mit dem neuen Aufsichtsratschef Siegfried Wolf?

Wir haben ein korrektes Verhältnis. Die Zusammenarbeit hat sich gut entwickelt.

Aber mit Wolfs Aussagen über seinen Freund Putin und die Demokratur können Sie doch keine Freude haben.

Das hat für die ÖIAG keine Relevanz.

Verstehen Sie die Befürchtungen, Wolf könnte als Putin- und Oligarchen-Freund russischen Investoren den Weg in die ÖIAG-Unternehmen ebnen?

Wolf ist schon lange im ÖIAG-Aufsichtsrat und bisher gab es keinerlei Ansatzpunkt, dass er die Interessen russischer Oligarchen vertreten würde oder sich in Themen an der Schnittstelle zu Russland involviert.

Und die Spekulationen, dass der russische Energiegigant Gazprom bei der OMV einsteigen könnte?

Völliger Nonsens, dafür gibt es keine wie immer gearteten Hinweise. Die Gazprom ist seit Jahrzehnten Lieferant der OMV, den wir auch dringend brauchen, um die Gasversorgung stabil zu halten. Diese Verträge sind sehr langfristig und aus den Zeiten vor Wolf.

Ist der OMV-Syndikatsvertrag zwischen der IPIC, dem Staatsfonds von Abu Dhabi, und der ÖIAG befristet?

Nein und die ÖIAG hat eine Leading Position. Gemeinsam haben wir 50 Prozent und beeinflussen das Unternehmen maßgeblich.

Hängt der Haussegen mit Abu Dhabi immer noch schief?

Die Zusammenarbeit mit den Vertretern der IPIC im Syndikat ist nach einer 2012 geführten Sachdiskussion stabil und solide. Wir sind in der Strategie einer Meinung. Das heißt nicht, dass es irgendwann bei einem Sachthema wieder unterschiedliche Meinungen geben kann. Das ist der Lauf des Business.

Der Vertrag von OMV-Chef Roiss läuft nur noch 2,5 Jahre. Zeichnet sich ein Nachfolger ab?

Der Aufsichtsrat wird sich mit der Nachfolgeplanung rechtzeitig auseinander setzen. Es geht um Österreichs größtes Unternehmen, da wächst niemand so schnell hinein. Eine solche Übergabe muss sehr klar und korrekt erfolgen.

Im Unternehmen gibt es also keinen Nachfolger?

Vorstand Jaap Huijskes (zuständig für Exploration und Produktion) hätte grundsätzlich das Potenzial, ich persönlich sehe ihn als Kandidaten. Aber das muss man sich alles noch sehr genau anschauen.

Glauben Sie überhaupt noch an eine aufgewertete ÖIAG neu?

Durchaus, weil das für den Standort Österreich sehr sinnvoll ist. Welche Staatsbeteiligungen von der ÖIAG gemanagt werden sollen, muss die Politik entscheiden. Doch die Entwicklung des Wirtschaftsstandortes macht mir Sorgen. Wir fallen in jedem Ranking zurück, das ist wie ein schleichender Patschen. Höchste Zeit, den zu flicken. Da sind massive Impulse notwendig. Einer wäre der Österreich-Fonds.

Welche Unternehmen sollen damit finanziert werden?

Solche mit großem Potenzial, die die Start-up-Phase schon hinter sich haben. Die also in die nächste Phase in Richtung Markterweiterung und Internationalisierung gehen. Früher haben die Banken finanziert, das geht heute nicht mehr wegen der Eigenkapital-Vorschriften und weil keine ausreichenden Sicherheiten da sind. Man bräuchte ein bis fünf Millionen Euro pro Unternehmen, das könnte die ÖIAG aus ihrer Dividende finanzieren. Finnland hat ein ähnliches, sehr erfolgreiches Modell. Mit 100 Millionen in Summe kann man viel tun. Und es gibt etliche private Unternehmen, etwa die B&C-Holding, die würden dabei mitmachen.

Die ÖIAG hält und managt die Beteiligungen der Republik an der Telekom Austria (28,42 %), dem Öl- und Gaskonzern OMV (31,5 %) und der Post (52,85 %). Der aktuelle Börsewert des Beteiligungs-Portfolios liegt bei 5,6 Milliarden Euro. In der ÖIAG ist auch die Fimbag, zuständig für die Bankenhilfe des Bundes. Der gelernte Banker und ehemalige IT-Manager Rudolf Kemler, 58, ist seit November 2012 Alleinvorstand der ÖIAG. Die zehn Kapitalvertreter im Aufsichtsrat bestimmen ihre Nachfolger selbst. Eine Aufwertung der ÖIAG durch weitere Beteiligungen des Bundes scheiterte bis dato am koalitionären Gezänk.

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