ÖGB-Aufstand jährt sich zum zehnten Mal

ÖGB-Aufstand jährt sich zum zehnten Mal
Sehr kämpferische und kompromisslos präsentierte sich die Gewerkschaft bei den KV-Verhandlungen der Metaller. Vor zehn Jahren war die Stimmung ähnlich.

Selten hat man von der Gewerkschaft so kämpferische Töne gehört wie in den letzten Tagen. Mit Warnstreiks und Drohungen aller Art versuchen die Metaller derzeit, einen ungewöhnlich hohen Abschluss bei der Herbstlohnrunde zu erzielen. Zehn Jahre ist es her, da war die Stimmung nicht unähnlich. Der ÖGB hatte unter dem damaligen Präsidenten Fritz Verzetnitsch zur Urabstimmung gerufen, um gegen unter Schwarz-Blau gesetzte Maßnahmen zu mobilisieren und sich von der Basis eine Streik-Erlaubnis abzuholen - mit beachtlichem Erfolg: 807.192 oder 56,5 Prozent der Mitglieder nahmen teil, durften die Organisatoren am 19. Oktober 2001 verkünden.

Die Urabstimmung war ein erstes Zeichen des ÖGB, dass er sich von einer zwar mächtigen, aber eher gemütlich Sozialpartner-Bewegung wieder stärker in Richtung Kampforganisation entwickeln sollte. Dass dies gerade unter dem als zögerlich geltenden Präsidenten Verzetnitsch geschah, ist mit den äußeren Umständen erklärbar. Mit dem Ende der Großen Koalition und dem Aufrücken der FPÖ in die Regierung wurde fürs Erste auch die Rolle der Sozialpartner geschwächt.

Für die roten Gewerkschafter in den Jahrzehnten davor fast undenkbar wurden auch Sozialeinschnitte wie Unfallrenten-Besteuerung und Ambulanzgebühr durchgedrückt, ohne auf die Arbeitnehmer-Vertreter zu achten. Zu guter Letzt wagte es die kleine Koalition noch, den Hauptverband der Sozialversicherung durch eine Stärkung der Arbeitgeber-Position umzufärben und Hans Sallmutter seines Präsidentenamts zu entheben.

Diese realpolitische Schwächung zwang den ÖGB Farbe zu bekennen. Anfang Juli 2001 verkündete Verzetnitsch erstmals die Idee einer Urabstimmung, und zwar unmittelbar nach dem Beschluss der Hauptverbandsreform im Nationalrat. Rund zwei Wochen später segnete der Bundesvorstand das Projekt einstimmig, also auch mit Unterstützung der schwarzen Gewerkschafter um Beamten-Chef Fritz Neugebauer, ab.

Die sieben Fragen an die Gewerkschaftsmitglieder, die in den kommenden Wochen ausgearbeitet wurden, waren dann freilich, wie nicht anders zu erwarten, Nona-Fragen: Stärkung der Sozialpartnerschaft, Beibehaltung der Pflichtversicherung, Beibehaltung der Lohnverhandlungen über die Gewerkschaft, Anspruch auf Abfertigung ab Tag eins (auch bei Selbstkündigung), Bildungsoffensive, Stopp dem Ausverkauf öffentlichen Eigentums und Streikbereitschaft bei Nichterfüllung der Forderungen.

Nach anfänglichem Zaudern rutschte Präsident Verzetnitsch in einem Radio-Interview doch ein Ziel heraus, eine "mehrheitliche" Beteiligung der Mitglieder sollte sich an dem rund zweiwöchigen Brief-Referendum beteiligen - letztlich eine riskante Zielvorgabe, wie das Ergebnis von 56,5 Prozent zeigt. Dass die gewerkschaftlichen Forderungen von den Teilnehmern mit überwältigender Mehrheit zwischen 88 (Streiks) und 96 Prozent (Pflichtversicherung) unterstützt wurden, versteht sich angesichts der Fragestellungen von selbst.

Dass es zur letztlich regen Beteiligung kam, hatte die ÖGB-Zentrale vor allem den gut organisierten Gewerkschaften zu verdanken, etwa den Eisenbahnern, wo etwa vier Fünftel ihre Meinungen kundtaten. Insgesamt leisteten auch der Ärger über Schwarz-Blau an sich und eher ungeschickte Aussagen mancher Regierungspolitiker - beispielsweise die von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, der die Urabstimmung als "Anschlag auf den Standort Österreich" wertete, gute Dienste für die Organisatoren um die zuständige Leitende Sekretärin Roswitha Bachner.

Keine rosige Zeit

Denn an sich war die Zeit rund um die Abstimmung keine allzu rosige für den ÖGB. Im Sommer war die Post-Affäre aufgeflogen, in deren Rahmen Chefgewerkschafter Hans-Georg Dörfler zurücktreten musste, nachdem ruchbar geworden war, dass sich die Spitze der Belegschaftsvertretung Gehaltserhöhungen zuweisen hatte lassen und dies mit den geplanten Sparmaßnahmen der Post AG in Verbindung gebracht worden waren. Das Krisenmanagement der Gewerkschaft war verheerend. Verzetnitsch war im Nordamerika-Urlaub quasi verschollen und seine Stellvertreterin Renate Csörgits verschätzte sich nach entsprechenden Fragen bei ihrem monatlichen Netto-Gehalt um nicht weniger als 17.000 Schilling (1235 Euro).

Mitten in die Urabstimmung platzte dann auch noch das Fusions-Projekt von GPA und Metallern, das hinter dem Rücken der ÖGB-Zentrale ausgedealt worden war und Verzetnitsch ziemlich alt aussehen ließ. Dass Monate später beim Platzen der Fusionsverhandlungen die damaligen Gewerkschaftsgrößen Hans Sallmutter und Rudolf Nürnberger alt aussehen würden, ahnte man damals ja noch nicht. Schließlich boten auch die Anschläge vom 11. September denkbar schlechte Rahmenbedingungen für die Urabstimmung, gab es in deren Folge doch andere Themen, die interessierten.

Letztlich wurde das Projekt trotz der widrigen Umstände zum wohl größten Erfolg der Ära Verzetnitsch, hatte die Gewerkschaft doch bewiesen, dass ihre Muskeln noch spielen können. Bis man dann tatsächlich zum "Abwehrstreik" gegen die Pensionssicherungsreform rief, brauchte es dann freilich noch zwei Jahre.

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