ÖBB krempeln Preissystem völlig um

ÖBB krempeln Preissystem völlig um
Überfüllte Züge werden teurer, schlecht gebuchte billiger. Die Bahn will die Reiseströme steuern und daran verdienen.

Wer heute um 7.14 Uhr von Wien mit dem railjet nach Salzburg fährt, zahlt für ein Standardticket 2. Klasse 47,50 Euro. Empfohlen wird eine Sitzplatzreservierung, zu groß ist oft der Kundenandrang um diese Zeit. Wer die Fahrt nach Salzburg erst um 13.14 Uhr antritt, zahlt ebenso 47,50 Euro, hat aber wahrscheinlich kein Sitzplatz-Problem. Beides dürfte sich im kommenden Jahr ändern. Sowohl der Preis als auch der jeweilige Kundenandrang.

ÖBB-Chef Christian Kern arbeitet dazu an einem für die Bahn fast revolutionären Preissystem, das an die Luftfahrt-Industrie erinnert. Hochfrequentierte Strecken wie Wien-Salzburg in der Früh werden teurer, weniger stark frequentierte Strecken wie die Mittagsverbindung werden günstiger. Kern: "Ziel ist es, Stoßzeiten zu vermeiden und mehr Leute in weniger frequentierte Züge zu bringen. Das steuert man über Preisanreize und das erhöht unsere Wirtschaftlichkeit. Weil wir müssen bisher immer Kapazitäten vorhalten, die uns in Wahrheit niemand zahlt."

In Deutschland gibt es dazu schon erfolgreiche Versuche. Die ÖBB haben jetzt mit der "Sparschiene Österreich" einen ersten Schritt in die neue Richtung gesetzt. Mit diesem Ticket bucht man national erstmals einen konkreten Zug mit einer fixen Abfahrtszeit. Beide Seiten sollen davon profitieren, sagt Maria Gasteiger aus der ÖBB-Zentrale. Bahn-Kunden bekommen äußerst günstige Ticketpreise, zum Beispiel um neun Euro von Wien nach Linz. Wer also schnell und vorausschauend bucht, spart einiges an Geld. Gleichzeitig erhöht die Bahn die Auslastung und hofft, völlig überfüllte Züge künftig zu vermeiden.

Die Nachteile des neuen Systems, etwa für Pendler, die sich Abfahrtszeiten selten aussuchen können, liegen auf der Hand. Noch lässt sich die Bahn aber nicht in die genauen Karten des neuen Preissystems schauen. Nur soviel: "Es wird mehr differenzierte und somit attraktivere Angebote geben als bisher."

Catering

Zur generellen Preispolitik sagt Kern: "Unsere Ticketpreise liegen im Durchschnitt um 40 Prozent unter jenen in Deutschland und der Schweiz. Trotzdem wird es Preiserhöhungen erst geben, wenn wir auch die Leistung erhöht haben." Dazu gehört etwa das Catering im Zug oder drahtloses Internet. Was die Verpflegung an Bord betrifft, läuft die Ausschreibung. Kern: "Man wird sehen, wer sich bewirbt."

Bahn-intern hofft man auf einen Deal mit DO&CO. Die neue ÖBB-Konkurrenz auf der Westbahn hat sich mit Großbäcker Ströck zusammengetan. Kerns Ansage: "Der Wettbewerb wird uns helfen, unseren Kunden zu zeigen, dass wir ein ordentliches Angebot haben."

Das muss sich freilich auch in der im Vorjahr noch tiefroten ÖBB-Bilanz niederschlagen. 2013 soll die Gewinnzone wieder erreicht werden. Heuer hofft Kern, mehr als die ursprünglich anvisierte Halbierung der Vorjahresverluste von 330 Millionen Euro zu schaffen. Zwei erhebliche Sonderbelastungen hat die Bahn dabei zu verkraften: Ökostromgesetz plus Entfall der Energieabgabe-Deckelung kosten 30 Millionen. Und: Die Bahn wurde dazu verdonnert, Tausenden Mitarbeitern Biennalsprünge nachzuzahlen. Die ÖBB gehen in die Berufung, doch die Rückstellungen machen nochmals 37 Millionen Euro aus.

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Hintergrund

  • Hintergrund

  • Reportage

Kommentare