ÖBB-Großauftrag über 300 Züge sorgt bahnintern für herbe Kritik

Der Nachfolger des Talent 2 (Bild) soll ab 2019 auf ÖBB-Schienen fahren.
Viele Bahn-Insider halten Vergabe an die kanadische Bombardier für den falschen Zug.

Dass nicht zum Zug gekommene Anbieter die Vergabe eines Auftrags mit Einsprüchen bekämpfen, ist vor allem bei Großaufträgen "business as usual". Dass der Käufer selbst mit der Entscheidung unzufrieden ist, kommt freilich eher selten vor. Außer offenbar bei den ÖBB: Die Vergabe von 300 Nahverkehrszügen um rund 2 Milliarden Euro an den kanadischen Zugbauer Bombardier ist laut Insidern innerhalb der Bahn heftig umstritten.

Wartungsvertrag

Einer der Gründe: Die ÖBB verhandeln derzeit mit dem zweitgereihten Anbieter, dem Schweizer Zugbauer Stadler, über eine Kooperation. Stadler – Lieferant des ÖBB-Konkurrenten Westbahn, der steirischen Landesbahnen und der Graz-Köflacher Bahn – will seine Züge künftig von den ÖBB warten lassen. Für die Westbahn könnte dies hinter dem Wiener Westbahnhof erfolgen, der als "Hauptbahnhof" der Westbahn fungiert. Die ÖBB verfügen dort über große Werkstättenflächen, die derzeit nicht genützt werden.

Für Stadler hätte der Deal den Vorteil, dass ein Service-Standort Wien günstiger für den Zugumlauf seines Kunden Westbahn ist als der derzeitige Standort Linz. Und die häufig mit Auslastungsproblemen kämpfende ÖBB-Tochter Technische Services (TS) hätte mehr Aufträge. Ein Großauftrag für die Schweizer hätte, meinen Bahn-Insider, das Zustandekommen der Kooperation beschleunigt.

Abhängigkeit

Ein weiterer Grund für die Unzufriedenheit innerhalb der Bahn ist offenbar, dass der Auftrag an Bombardier die ÖBB weiterhin abhängig von nur zwei Lieferanten macht. Neben Zügen des "Hoflieferanten" Siemens fahren bei den ÖBB bereits 187 Regionalzüge der Marke Talent von Bombardier, die seit 2005 angeschafft wurden. Ein dritter Anbieter hätte sich – meinen Kritiker der Entscheidung – positiv auf die Qualität des rollenden Materials ausgewirkt. Da die ÖBB ohnehin Stadler-Züge servicieren wollen, sei eine dritter Fahrzeugtyp im Fuhrpark durchaus verkraftbar.

Innerhalb der ÖBB gibt es auch Befürchtungen, dass Bombardier die ersten Talent 3 – ein Nachfolgemodell des Talent 2, von dem 400 bei der Deutschen Bahn fahren – nicht bis 2019 liefern könne. In zweieinhalb Jahren braucht die Bahn die Züge für den Einsatz in Vorarlberg. Die Adaptierung der Desiro-Züge (Cityjets) von Siemens für das Ländle war an unterschiedlichen Preisvorstellungen gescheitert.

Der ÖBB-interne Streit ist vorerst freilich ein Streit um des Kaisers Bart: Der Auftrag liegt derzeit auf Eis, weil Stadler die Vergabe beeinsprucht hat.

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