Kiwis überflügeln alle

Kiwis überflügeln alle
Neuseeland, die Insel am anderen Ende der Welt, glänzt in Wirtschaftsrankings.

Schafe. Früchte mit pelziger Haut und Vögel, die nicht fliegen – Kiwis eben. Malerische Hügel, in denen Hobbits wohnen. Und noch mehr Schafe.

Viel ist es nicht, was einem spontan zu Neuseeland einfällt. Der Inselstaat am anderen Ende der Welt steht meist im Schatten seines großen Nachbarn Australien.

Zu Unrecht. Denn die Neuseeländer mausern sich zum Seriensieger in Sachen Wirtschaftsfreundlichkeit. In der Rangliste der „gefühlten Korruption“ von Transparency International wird Österreich nach unten durchgereicht: Binnen zwei Jahren von Platz 16 auf 26 gerasselt. Hingegen ist niemand so unbestechlich wie die „Kiwis“: Platz eins, gleichauf mit Dänemark. Wie kommt das?

So weit, weit weg

Neuseeland macht aus der Not seiner ungünstigen Lage eine Tugend. Allein nach Australien sind es drei Flugstunden, in die asiatischen Wachstumsmärkte gar neun bis zehn. Wer da als Exportland und bei Investoren punkten will, braucht schon einen besonderen Ruf. „Wir sind stolz auf unser Abschneiden. Transparente und stabile Geschäftsbedingungen sind für uns aber auch ein wichtiger Wettbewerbsvorteil“, sagt Deborah Geels, seit Februar 2013 neuseeländische Botschafterin in Wien, im Gespräch mit dem KURIER.

Die Mentalität

Dazu tragen die Menschen einen großen Teil bei. „Fair Play ist den Neuseeländern ein echtes Anliegen“, beobachtet Guido Stock, Österreichs Wirtschaftsdelegierter, der in Sydney (Australien) stationiert ist. „Steuern zu hinterziehen ist hier kein Kavaliersdelikt, sondern gilt als kriminell und ist gesellschaftlich ein absolutes Stigma.“

Keine Geheimnisse

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Neuseelands Bürger haben seit 1982 das Recht, Auskünfte von ihren Amtsträgern einzufordern. Wovon sie regen Gebrauch machen: „Es wurde angefragt, welche Ausgaben Minister mit ihren geschäftlichen Kreditkarten tätigen“, sagt Botschafterin Geels. „Oder wie hoch die Reisekosten sind.“ Wer Missstände in der Privatwirtschaft oder beim Staat aufdeckt, wird seit 2001 vom Gesetz geschützt. Geels: „Die Menschen erwarten, dass Funktionsträger, die öffentliches Geld verwalten, Verantwortung tragen.“

Beamtete Bienchen

Emsigkeit und Fleiß: Was sonst erwartet man von einer Regierung und einem Parlament, die im „Bienenstock“ sitzen? Nach dem ungewöhnlichen Amtsgebäude in Wellington ist sogar die Webseite benannt (www.beehive.govt.nz). Ein treffender Spitzname. „Es herrscht eine ausgeprägte Servicekultur“, erklärt die Botschafterin. Die Beamten verstünden sich als Dienstleister – das gehöre zu einer Art „professionellem Stolz“.

Gründer-Paradies

Davon profitiert die Wirtschaft. Das US-Magazin Forbes – berüchtigt dafür, alles in Ranglisten zu gießen – feierte Neuseeland 2012 als wirtschaftsfreundlichstes Land der Welt. Aktuell wird es nur von Irland abgehängt. Ein Unternehmen zu starten ist in Neuseeland eine Sache von Stunden und kostet praktisch nichts. In Österreich braucht ein Gründer 25 Tage Geduld.

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Zielstrebigkeit

Kurios, aber wahr: Just die Nummer eins in Sachen Korruptionsbekämpfung wurde im Oktober vom Reiche-Staaten-Klub OECD getadelt. Neuseeland habe seit 2001 keinen einzigen Bestechungsfall mit ausländischen Funktionsträgern verfolgt. „Es stimmt, die OECD hat uns einen Anstoß gegeben, da wachsamer zu sein“, sagt Geels. Wenige Monate nach der Rüge liegen schon Entwürfe für schärfere Korruptions- und Geldwäschegesetze auf dem Tisch: Eine Regierung, die Kritik nicht nur hört, sondern prompt darauf reagiert – auch das soll es geben.Nach und nach putzt sich der Agrargigant Neuseeland als Business-Hotspot heraus. Einzig und allein mit den Schafen geht es bergab: Auf einen Einwohner kommen heute sieben der tierischen Wollknäuel. 1982 waren es noch 22.

3:2 für Neuseeland im Ländermatch

Fünf Wirtschaftsrankings
Verdiente Führung für die Kiwis in Sachen Korruptionsbekämpfung: Platz eins, wo Österreich weit abgeschlagen ist (26. von 177 Ländern). Der Pazifikstaat glänzt beim Investorenschutz und mit unternehmerischen Freiheiten, schwächelt aber bei Infrastruktur und Innovation – so kommt Österreich zu zwei Treffern. Bei der Wettbewerbsfähigkeit ist Österreich nämlich mit Platz 23 (IMD) und 16 (WEF Davos) knapp siegreich – Neuseeland liegt jeweils zwei Ränge dahinter. Der Inselstaat ist dafür wesentlich wirtschaftsfreundlicher: Rang 3 bzw. 2 bei Weltbank und „Forbes“, wo Österreich nur auf 30 und 32 landet. Ergibt das Endergebnis 3:2

Österreichs Firmen müssen sich in Neuseeland nicht verstecken. Die OMV ist seit 1999 vertreten und der größte Erdöl- und drittgrößte Erdgasproduzent. 2012 kamen von dort gut 6 Prozent der OMV-Fördermenge – derzeit wird die Produktionsanlage des Maari-Ölfeldes gewartet.

Im Alltag ist „Made in Austria“ stark präsent: Die Zufahrt zu fast allen Parkgaragen wird von SkiData kontrolliert. Bei Seilbahnen und Liften dominiert Doppelmayr. Nach dem Erdbeben in Christchurch 2011 steigen die Bauinvestitionen, dabei kommen Kräne von Palfinger und Liebherr zum Zug. Die großen Flughäfen bauen auf Kommunikation mit Frequentis und Löschfahrzeuge von Rosenbauer. Andritz rüstet Kraftwerke aus, in der dominanten Landwirtschaft sind Case Steyr-Traktoren gefragt. Polizei und Heer verwenden Glock-Pistolen und Steyr-Sturmgewehre als Standardwaffen. Trotz der starken lokalen Marke „V“ baut Red Bull den Anteil bei Energydrinks rasant aus. Von Kapsch TrafficCom stammt das Mautsystem. Kraus&Naimer (Drehschalter) hat in Wellington sogar eine Fertigung. Mit 69 Mio. Euro Ausfuhren und 36 Mio. Euro Einfuhren ging sich für Österreich von Jänner bis August ein klarer Exportüberschuss aus.

Wien zieht immer

Kiwis muss man in Österreich abseits der Supermarktregale lange suchen: Ein einziges neuseeländisches Unternehmen hat Wien als Standort gewählt. Seit 2010 beackert Tait Radio Communications mit 22 Mitarbeitern die Märkte in Osteuropa, im Nahen Osten und Afrika. Tait bietet Funktechnologie vor allem für Einsatzkräfte an – in Österreich verwenden die ÖBB und die EVN das System zur Notfall-Kommunikation. Im Blaulichtbereich (Polizei, Rettung) tut sich Tait in Westeuropa schwer; da dominiert ein anderer Funkstandard.

Für den Vertrieb in den Zukunftsmärkten wurden mehrere Standorte evaluiert, unter anderem in Deutschland, der Schweiz, Slowakei, Ungarn oder Polen.

„Für Wien sprachen die Lebensqualität, die Stabilität und die Drehscheibenrolle nach Osteuropa“, sagt Managing Director Hans van der Linde, ein gebürtiger Holländer. Die Schönheit der Stadt sei auch ein Businessfaktor: „Kunden aus dem arabischen Raum oder Russland reisen lieber nach Wien als zu unserer Europa-Zentrale im britischen Huntingdon.“

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