Neues Arbeitszeitmodell brachte Metaller-Verhandlungen in Schwung
Und sie bewegt sich doch: In der dritten Runde der Lohnverhandlungen für 120.000 Metaller im Fachverband Maschinen- und Metallwarenindustrie gab es am Dienstag überraschend eine beachtliche Annäherung im Streitthema flexible Arbeitszeiten. Trotzdem sitzen Arbeitgeber und Arbeitnehmer seit mehr als 23 Stunden zusammen. Es gibt von beiden Seiten das Bestreben, einen Abschluss zu erreichen, hieß es Mittwochfrüh.
Konkret verhandelten die Gewerkschaft Pro-ge und GPA über ein Modell, in dem über drei Töpfe für Mehrstunden und Zuschläge bis zu 160 Stunden angespart werden können. In Zeiten mit wenig Aufträgen, spätestens aber innerhalb eines Jahres sollen die angesparten Stunden dann in Form von Freizeit konsumiert werden.
Im Gegenzug dürften die Arbeitgeber bereit sein, der bisher abgelehnten Freizeit-Option doch noch zuzustimmen. Diese sieht vor, dass Arbeitnehmer über eine Betriebsvereinbarung die Lohnerhöhung gegen mehr Freizeit eintauschen können. Dieses Modell gibt es bereits in der Elektroindustrie, 1800 der 60.000 Beschäftigten haben diese Variante gewählt.
Trübe Aussichten
Die Industrie selbst sieht die Zukunft noch trüber als im Sommer. „Das globale Konjunkturumfeld hat sich seit dem Sommer deutlich abgekühlt. Österreich hingegen droht der Rückfall in die konjunkturelle Lethargie“, befindet Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV). Und er konstatiert, dass das fünfte Jahr der Stagnation vor der Tür stehe. Als Gründe sieht Neumayer vor allem unzureichende Reformen.
Belegt werden die trüben Aussichten durch das Konjunkturbarometer, das die IV vierteljährlich erhebt. Die 412 befragten Unternehmen mit rund 262.000 Beschäftigten sehen die aktuelle Geschäftslage und den Ausblick für die nächsten sechs Monate deutlich schlechter als zuletzt. Die Firmen würden in den nächsten Monaten wieder Personal abbauen.
Weiters fordern die Arbeitgeber nach wie vor eine 6. Urlaubswoche für alle nach 25 Jahren Arbeit. Jetzt gibt es diese nur für jene Beschäftigten, die 25 Jahre bei der gleichen Firma gewerkt haben. Außerdem soll der 31. Dezember für alle arbeitsfrei sein - ohne dass er eingearbeitet werden muss oder die Stunden vom Urlaub abgezogen werden. Weiters wollen die Gewerkschaften dass All-In-Verträge - wie bei deren Einführung angedacht - nur für leitende Mitarbeiter gelten.
Mit der aktuellen Runde dürfte rein von der Verhandlungszeit ein neuer Rekord aufgestellt werden.
Zum 1. Oktober waren 391.417 ohne Job, zum Jahreswechsel hält AMS-Chef Johannes Kopf 500.000 Arbeitslose für möglich. Dazu kommen zehntausende Flüchtlinge, die in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen. Derzeit sind rund 19.000 Flüchtlingen arbeitssuchend registriert.
Bei der Öffnung des Arbeitsmarktes für Bulgaren und Rumänen 2014 gingen Wifo und IHS damals von 5.500 zusätzlichen Arbeitssuchenden aus. Im August 2015 waren schließlich 50.135 Bulgaren und Rumänen am Arbeitsmarkt tätig, weitere 6.315 waren arbeitslos.
Noch höher ist die Arbeitslosenquote bei den in Österreich lebenden Türken mit 17,6 Prozent. Das Land Salzburg hatte kürzlich eine Bildungsstudie veröffentlicht, wonach Jugendliche aus Familien aus dem ehemaligen Jugoslawien zu etwa 25 Prozent ihre Ausbildung abbrechen, bei türkischen Familien mehr als 50 Prozent.
Vergangene Woche gab es gewerkschaftsinterne Kritik an der Verhandlungsführung bei den laufenden KV-Gesprächen. Der Vorarlberger ÖGB-Chef Norbert Loacker bezeichnete es als "unsinnig", zusätzliche freie Tage für Betriebe mit flexibler Arbeitszeit oder die 6. Urlaubswoche für alle zu fordern. Dies sei "unerfüllbar".
Überforderung
Vor einer Überforderung der Betriebe hat im Vorfeld der dritten KV-Runde einmal mehr die Wirtschaftskammer (WKÖ) gewarnt. "Wer zusätzliche Belastungen fordert, wird Arbeitslosigkeit ernten", so Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung Sozialpolitik in der WKÖ. Die Industriellenvereinigung wiederum warnte heute davor, dass Österreich das fünfte Jahr der Stagnation bevorstehe.
In Deutschland hingegen geht die Metallergewerkschaft auf Konfrontationskurs mit den Arbeitgebern. Neben den bisher schon bekannten Warnstreiks will die IG Metall ein weiteres Druckmittel einführen, für das noch keine Urabstimmung notwendig ist: den sogenannten Tagesstreik. Anders als bei den meist auf wenige Stunden begrenzten Warnstreiks sollen sie 24 Stunden dauern und die Teilnehmer Streikgeld erhalten.
Einkommen gesunken
Laut dem Einkommensbericht der OECD von Mitte September des heurigen Jahres sanken die Einkommen der Österreicher seit 2007 - und das gegen den OECD-Trend. Während das Pro-Kopf-Einkommen in den Industrieländern vom ersten Quartal 2007 bis Anfang 2015 um 8,1 Prozent zulegte - in Deutschland um 6,7 Prozent -, ging es in Österreich um 2,2 Prozent zurück.
Kommentare