Neue Seidenstraße: Ein chinesischer Keil in Europa

Neue Seidenstraße: Ein chinesischer Keil in Europa
Chinas Investitionen in 16 Osteuropa-Ländern stoßen in Brüssel auf Kritik.

10.118 Kilometer, 15 Tage Fahrzeit: Der Xiang-Ou-Express verbindet seit Montag Budapest mit der chinesischen Stadt Changsa. Der Güterzug war das Symbol des 16+1-Gipfels in Ungarns Hauptstadt, bei dem das Fünfjahresjubiläum der chinesischen Freundschaft mit 16 osteuropäischen Staaten gefeiert wurde.

Obwohl Österreich nicht dazugehört, war es mittendrin. Die Güterlok trug neben chinesischen Schriftzeichen das ÖBB-Logo: Der Zug startete vom ungarischen Terminal BILK der ÖBB-Gütersparte Railcargo. Beladen waren die 45 Container mit Rotwein, Bier, Milchpulver, Autoteilen und Haushaltsgeräten. Ein weiterer Zug startete am Dienstag vom norditalienischen Pavia nach Chengdu (Sichuan) – die Route quert dabei auch Österreich.

Einfluss erkauft

Das sind aber nur Details jener "Neuen Seidenstraße", bei der China die Staaten zwischen Europa und Asien mit Investitionen überschüttet. Chinas Regierungschef Li Keqiang kündigte an, drei Milliarden Euro über einen neuen Bankenverband und einen Investmentfonds für Osteuropa bereitzustellen. Die Projekte sind breit gestreut, reichen von Wärme- und Atomkraftwerken über Pipelines bis hin zu Autobahnen.

In Brüssel stößt das auf Vorbehalte. "Chinas Investitionen in Osteuropa bergen die Gefahr einer zunehmenden Spaltung der EU", kritisiert der einflussreiche deutsche EU-Abgeordnete Bernd Lange (SPD). Er befürchtet, China erkaufe sich so Einfluss auf die europäische Politik.

Teile und herrsche

Auch die EU-Kommission reagiert pikiert. Die 16+1-Projekte dürften nur "komplementär" zur China-Strategie der Gesamt-EU sein, betonte eine Sprecherin. Zu den 16+1-Treffen darf die Kommission nur Beobachter schicken – quasi als Aufpasser.

"Die Skepsis ist teilweise berechtigt", sagt Julia Grübler, Ökonomin am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW). So musste der spektakuläre Plan einer Bahnverbindung zwischen Budapest und Belgrad vorerst gestoppt werden. Der Auftrag hätte die verpflichtende EU-Ausschreibung umgangen; Ungarn versprach einen Neuanlauf.

"Die Chancen stehen gut, dass trotzdem chinesische Firmen zum Zug kommen, sie sind sehr wettbewerbsstark", sagt Grübler. Und sie können über solche Projekte ihre gewaltigen Überkapazitäten abbauen. Weil die Chinesen riskantere Vorhaben finanzieren, kämen sie sich bei den meisten Vorhaben tatsächlich nicht mit der EU in die Quere. Am Westbalkan – etwa in Serbien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro – sei der Aufholbedarf groß und dort gelten auch noch nicht die starren EU-Regeln.

Verfolgt China eine Politik des Teilens und Herrschens? Der Zwist zwischen altem und neuem Europa habe schon früher bestanden, sagt Grübler. Für Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbàn, der mit Brüssel seit je über Kreuz ist, sei die China-Achse eine "Gelegenheit zu verdeutlichen, dass man sich nichts diktieren lässt". Allerdings machten die Mittel, die die Osteuropäer aus EU-Töpfen erhalten, derzeit noch ein Vielfaches des chinesischen Geldes aus.

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Julia Grübler

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