Neue Gespräche im argentinischen Schuldenstreit

Buenos Aires nach der Staatspleite. Nun soll es neue Gespräche geben.
US-Gericht ordnet Wiederaufnahme der Verhandlungen an.

Im Schuldenstreit zwischen Argentinien und zwei US-Hedgefonds hat ein Bundesgericht in New York am Freitag eine Wiederaufnahme der Verhandlungen angeordnet. Richter Thomas Griesa wies bei der Anhörung zudem einen Antrag der Anwälte von Buenos Aires ab, einen neuen Schlichter zu benennen.

Die argentinische Regierung hatte dem gerichtlich bestellten Mediator Daniel Pollack Inkompetenz vorgeworfen, nachdem die Gespräche mit den Hedgefonds NML Capital und Aurelius am Mittwoch gescheitert waren.

Als Folge war Argentinien in der Nacht zum Donnerstag zum zweiten Mal in 13 Jahren in eine Staatspleite geschlittert, weil es die Rückzahlung von 539 Mio. Dollar (403 Mio. Euro) an Staatsschulden bei internationalen Gläubigern versäumte. Auf Anordnung von Griesa muss Buenos Aires nämlich zunächst NML Capital und Aurelius eine Summe von 1,3 Mrd. Dollar ausbezahlen, ehe es die Forderungen der anderen Gläubiger begleichen darf.

Die beiden Hedgefonds, die argentinische Schulden nach der Staatspleite Ende 2001 billig aufgekauft hatten, tragen einen Schuldenschnitt für das südamerikanische Land nicht mit und verlangen den Nennwert der Staatsanleihen. Mit dieser umstrittenen Strategie fahren sie hohe Renditen ein. Buenos Aires beschimpft NML Capital und Aurelius als "Geierfonds" und verweigert die Zahlung der geforderten Summe.

"Raketen in einem Krieg"

Die argentinische Präsidentin Cristina Kirchner verglich die Forderungen der Hedgefonds in einer Fernsehansprache am Donnerstag mit "Raketen in einem Krieg", da "finanzielle Raketen ebenfalls töten". Außerdem bestritt sie die Zahlungsunfähigkeit ihres Landes, weil die fällige Rate von 539 Mio. Dollar bereits im Juni auf ein Treuhandkonto bei der Bank of New York überwiesen wurde. Das US-Institut hat das Geld aber eingefroren, um nicht gegen das Urteil des Bundesgerichts zu verstoßen.

Die US-Ratingagenturen Standard & Poor's und Fitch stuften die Kreditwürdigkeit von Buenos Aires als "teilweisen Zahlungsausfall" ein. Diese Bewertung bedeutet, dass ein Schuldner eine Anleihe oder Kreditrate nicht fristgerecht zurückzahlt, aber andere Verpflichtungen weiter erfüllt. Am Freitag wertete auch der internationale Derivateverband Isda die Vorgänge als Zahlungsausfall. Dieser Schritt löst Zahlungen an Investoren aus, die sich mit sogenannten Credit Default Swaps (CDS) gegen den Ausfall von argentinischen Staatsanleihen versichert hatten. Der Finanznachrichtenagentur Bloomberg zufolge geht es bei den Versicherungsleistungen um schätzungsweise eine Milliarde Dollar.

Der argentinische Wirtschaftsminister Axel Kicillof hat sich nach dem Abrutschen des Landes in die Staatspleite zu weiteren Gesprächen mit den Gläubigern bereiterklärt. Man stehe für ein Treffen mit den Hedgefonds zur Verfügung, sagte Kicillof am Donnerstag in Buenos Aires. Seine Regierung sei nicht grundsätzlich gegen eine Einigung mit den privaten Anlegern, beteuerte der Minister.

Kicillof bestreitet Zahlungsunfähigkeit

Die Voraussetzungen seien gegeben. Einzelheiten nannte er nicht. Kicillof bestritt zugleich abermals, dass die drittgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas nach Brasilien und Mexiko zahlungsunfähig sei.

"Wir leben in einer zutiefst ungerechten und zutiefst gewaltsamen Welt", Präsidentin Cristina Kirchner

Neue Gespräche im argentinischen Schuldenstreit
 Cristina Fernandez de Kirchner
Die argentinische Präsidentin Cristina Kirchner gab den Hedgefonds die Schuld an der gescheiterten Schlichtung im Finanzstreit. "Wir leben in einer zutiefst ungerechten und zutiefst gewaltsamen Welt", sagte Kirchner am Donnerstag in einer vom Fernsehen übertragenen Rede. Die Tilgungsforderungen der Fonds seien ebenfalls "Gewalt".

Kirchner verglich die Forderungen der Hedgefonds NML Capital und Aurelius mit "Raketen in einem Krieg", da "finanzielle Raketen ebenfalls töten". Sie forderte ihre Landsleute auf, "ruhig zu bleiben". Argentinien werde alle Rechtsmittel ausschöpfen.

Geld liegt auf Treuhandkonto

Zwölf Jahre nach der Insolvenz 2002 rutschte das südamerikanische Land erneut in die Staatspleite, nachdem es im Rechtsstreit mit klagenden Hedgefonds in New York die fristgerechte Auszahlung von 1,33 Mrd. Dollar (rund 994 Mio. Euro) samt Zinsen verweigert hatte. Statt dessen wurde die fällige Summe auf einem Treuhandkonto bei der Bank of New York hinterlegt. Richter Thomas Griesa ordnete daraufhin an, dass vorerst alle übrigen Gläubiger nicht ausbezahlt werden dürfen, die bei Schuldenschnitten auf einen Großteil ihrer Forderungen verzichtet hatten. Für Freitag setzte Griesa im Schuldenstreit eine neue Anhörung um 17 Uhr (MESZ) in New York an.

Wie die Thomson-Reuters-Tochter IFR unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen berichtet, könnten internationale Banken den Fonds die Schulden abkaufen, um der drittgrößten Volkswirtschaft Lateinamerikas beizustehen. In der argentinischen Zeitung "Ambito" wurden als Interessenten JP Morgan, Citigroup und HSBC genannt.

Rating gefärdet

Auch die US-Ratingagentur Fitch senkte die Bonitätsnote Argentiniens. Die Agentur stufte das südamerikanische Land nun als "partiellen Zahlungsausfall" ein. S&P hatte Argentinien bereits am Mittwoch als teilweisen Zahlungsausfall bewertet. Moody's versah den Ausblick des Landes mit einem negativen Vorzeichen. Damit droht Argentinien eine Herabstufung.

Argentinien ist die zweitgrößte Wirtschaft Südamerikas, mit großem Abstand hinter Brasilien.

Mit seinen 41,5 Millionen Einwohnern kommt das Land auf eine Wirtschaftsleistung von 488 Mrd. Dollar bzw. 364,15 Mrd. Euro (2013). Das Land exportierte zuletzt Waren für 81,7 Mrd. Dollar (Soja nach China, Fahrzeuge nach Brasilien) und importierte für 73,7 Mrd. (Energieträger, Fahrzeuge aus Brasilien).

Argentinien hat schon mehrere Staatspleiten hinter sich, die erste war 1828, die bisher größte 2001. Die Staatsschuld mit privaten Gläubigern entspricht heute nur 12,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (2002: 124,1 Prozent).

23. Dezember 2001: Argentinien erklärt sich für zahlungsunfähig. Damit nimmt die bisher größte Staatspleite der zeitgenössischen Geschichte ihren Lauf.

3. März 2005: Erste Umschuldung: Für 76 Prozent der ausstehenden Forderungen gibt es einen Schuldenschnitt.

3. Jänner 2006: Argentinien zahlt dem Internationalen Währungsfonds (IWF) die gesamten Anleihe-Schulden von 9,5 Mrd. Dollar (aktuell 7 Mrd. Euro) zurück.

23. Juni 2010: Zweite Umschuldung: Damit sind 92,4 Prozent der ausstehenden Schulden mit erheblichen Verlusten für die Anleger umstrukturiert.

22. November 2012: Der New Yorker Richter Thomas Griesa verurteilt Argentinien, bis zum 15. Dezember 1,3 Mrd. Dollar plus Zinsen an die Hedgefonds NML Capital und Aurelius für Anleihen zu zahlen.

29. Mai 2014: Argentinien einigt sich mit den staatlichen Gläubigern ("Pariser Club") auf die Rückzahlung von 7,2 Mrd. Dollar.

16. Juni 2014: Argentinien scheitert mit einer Berufung vor dem Obersten Gerichtshof der USA. Damit steht Griesas Urteil.

30. Juni 2014: Weil Griesa Argentinien untersagt, andere Anleihen zu bedienen, bis die Schulden bei den Hedgefonds beglichen sind, kann das Land Zinsen nicht bezahlen.

30. Juli 2014: Argentinien schafft es nicht, sich innerhalb der dreißigtägigen Frist mit den Hedgefonds zu einigen. Damit befindet sich Argentinien "technisch" erneut in einer Staatspleite.

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