Neu vermessen: So viel kostet die Welt

Neu vermessen: So viel kostet die Welt
512 Billionen Dollar machen die globalen Vermögenswerte aus, hat der Österreicher Markus Schuller ermittelt.

Angenommen, ein riesiger Investor kauft die ganze Welt auf: Wie viel Vermögen hätte er dann? Und: In welchen Anlageklassen würde sein Geld stecken? Der spätere US-Nobelpreisträger William F. Sharpe, der sich das 1964 fragte, hielt diese Größen für nicht beobachtbar. Mittlerweile kennen wir aber die Antworten: Es sind 512.000 Milliarden US-Dollar. Und sie liegen nicht, wie man vermuten würde, nur in Aktien und Anleihen, sondern sind großteils in Immobilien und Anteilen an Nicht-Börse-Firmen investiert.

Krise kostete zwei Jahre

Zu verdanken ist dieses Wissen dem Österreicher Markus Schuller, Gründer der Vermögensberatung Panthera Solutions in Monaco. Er hat mit Kollegen in zweijähriger Arbeit weltweit die Datenbanken durchforstet, um die Finanzwelt neu zu vermessen (Working paper: "The Global Capital Stock"). Und zwar inklusive festen Werten wie Immobilien und Grundbesitz. Denn diese seien als "Fluchtpunkte aus Staatsanleihen" in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden, erklärt Schuller im Gespräch mit dem KURIER.

Neu vermessen: So viel kostet die Welt
Die Daten-Grabungsarbeiten erlauben spannende Schlüsse:

Welt-Wert

Der globale Kapitalstock ist 512 Billionen Dollar wert, ziemlich exakt das Siebenfache der jährlichen Weltproduktionsleistung (BIP: 74 Billionen). Er hat sich 2015 im Vergleich zum Vorjahr um 5 Billionen Dollar, knapp ein Prozent, vermindert.

Krise

Der Einbruch durch die Finanzkrise hat zwei Jahre gekostet: Schon 2010 waren die Vermögenswerte fast zurück auf dem Niveau von 2007. Erstaunlich flott, oder? "Plump formuliert stellt der globale Kapitalstock die Bilanz der Weltwirtschaft dar", sagt Schuller. "Und die Basisannahmen für die Realwirtschaft haben sich durch die Krise nicht verändert. Es haben sich nur die einzelnen Elemente verschoben."

Einfluss schwindet

Europas Anteil am Aktien-Universum ist in nur zehn Jahren von 28 auf 19 Prozent gesunken, jener der USA von 42 auf 38 Prozent. Hingegen ist Asien von 23 auf 33 Prozent geklettert, wobei Chinas schwach entwickelte Börsen für nur 10 Prozent Anteil stehen.

Schulden

Zählt man Kredite und staatliche Schuldtitel zusammen, macht das mit 194 Billionen Dollar den Löwenanteil der Finanzwelt aus. In China haben sich die Kredite in zehn Jahren versiebenfacht – "und die Dynamik ist nicht gestoppt", sagt Schuller. Chinas Staatsschulden haben sich in drei Jahren gut verdoppelt. Global sind die Staatsschulden von 2007 bis 2015 von 68 auf 95 Billionen Dollar gestiegen. Und dabei "versteckt" die kräftige Dollar-Aufwertung seit 2008 sogar noch einen Teil des Zuwachses, der sich in Euro und Yen ergibt.

Immobilien

Sie waren 2007 der Auslöser der Krise, sind gemessen am Wert aber wieder auf Vorkrisenniveau. Ihr Anteil am Vermögensuniversum ist unterdessen von 28 auf 20 Prozent geschrumpft.

Polit-Risiko

Interessant für Anleger: Aktien und Anleihen, also jene Bereiche, wo sich unverändert die meisten Wertpapiere tummeln, machen nur ein Drittel des investierbaren Universums aus.

An Strategien wie der "traditionellen" Aktien-Anleihen-Gewichtung von 60:40 festzuhalten ist gefährlich, warnt Schuller: "Die Risikofaktoren haben sich deutlich verschoben." Zwar lieferten Aktien und Anleihen zuletzt immer noch eine gute Performance. Großes Aber: "Die ist durch politische Märkte entstanden, nicht aufgrund der realwirtschaftlichen Bewertung." Mit anderen Worten: Die Werte sind aufgebläht durch die Konjunkturstimuli und Zentralbank-Interventionen.

Das globale Markt-Portfolio soll abbilden, wie die Welt als Ganzes investiert ist. Das gilt als der Vergleichsmaßstab für die Vermögensverwaltung schlechthin. Es gab bereits mehrfach Versuche, dieses primär theoretische Konstrukt mit tatsächlichen Zahlenwerten zu unterlegen. Panthera Solutions geht dabei allerdings einen anderen Weg als üblich und definiert Kapital ähnlich, wie es der Franzose Thomas Piketty in seinem Bestseller ("Das Kapital im 21. Jahrhundert") getan hat.

Das Team rund um Markus Schuller hat für den globalen Kapitalstock nämlich nicht einfach die verfügbaren Wertpapiere und Anlageprodukte zusammengezählt, sondern wollte die zugrunde liegenden Vermögensklassen ermitteln. Deshalb finden sich in der Aufstellung weder Derivate (weil diese abgeleitete Finanzprodukte zweiter Ordnung sind) noch Rohstoffe (weil diese großteils in den Bilanzen von Rohstoff-Firmen konsolidiert sind).

Die Vermögenswerte sind dabei aus der Sicht eines Dollar-Investors dargestellt, also nur Werte, die messbar sind und in die tatsächlich investiert werden kann. Damit scheiden unter anderem Zentralbankgeld, Zwischenbanken-Kredite oder bestimmte rein innerstaatliche Schuldtitel aus.

Komplizierte Näherung

Die Panthera-Pionierleistung besteht darin, dass erstmals nicht-finanzielle Werte umfassend enthalten sind, für die es wenige verfügbare Datenquellen gibt. Das betrifft die Grundgesamtheit der Immobilien, Anteile an nichtöffentlichen (nicht börsenotierten) Firmen sowie Grundbesitz (womit Agrarland, bewirtschaftete Forstflächen sowie Grundstücke als Teil von Gewerbe- und Wohnimmobilien gemeint sind, sofern nicht bereits als Verbindlichkeiten anderswo enthalten). Der Wert der privaten Firmenbeteiligungen wurde zum Beispiel über Unternehmensstatistiken und KMU-Wertschöpfungsanteile berechnet.

Vergleichsweise einfach ist hingegen die Ermittlung des Aktienwertes: "Wenn man die 77 größten Börsen der Welt heranzieht, hat man bereits 99,99 Prozent der Weltmarktkapitalisierung abgedeckt", sagt Schuller. Und die 25 kleinsten dieser 77 Börsen stünden bereits für weniger als ein Prozent.

Mehr Details im Working paper (englisch): G. Gadzinski, M. Schuller, A. Vacchino: The Global Capital Stock: A Proxy for the Unobservable Global Market Portfolio. Oktober 2016.

Kommentare