Nach "Tagelöhner"-Sager: Amann tritt zurück

EPU seien Arbeitslose die in die Scheinselbstständigkeit gedrängt würden und deren einziges Interesse in sozialer Absicherung liege: Fritz Amann, blauer Vizepräsident der Wirtschaftskammer Österreich.
Mit seinem Sager, EPU seien keine Unternehmer, hatte WKÖ-Vizepräsident Fritz Amann für Aufregung gesorgt.

Der Vizepräsident der Wirtschaftskammer Österreich, Fritz Amann vom Ring freiheitlicher Wirtschaftstreibender (RfW), muss nach seinem umstrittenen Kommentar über Einzelunternehmer seinen Hut nehmen. "Er tritt mit sofortiger Wirkung von allen seinen Ämtern zurück", teilte RfW-Obmann Matthias Krenn am Donnerstagnachmittag mit.

Krenn habe ein persönliches Gespräch mit Amann geführt und "ihn dazu bewegen können, die Konsequenzen daraus zu ziehen". Nachfolger werde er, Krenn, selbst. Der Wechsel sei mit Kammerpräsident Christoph Leitl akkordiert.

"EPU sind Tagelöhner"

In einem Gastkommentar im Wirtschaftsblatt vom Dienstag hatte Amann behauptet, Ein-Personen-Unternehmen (EPU) seien keine Unternehmer, sondern "Tagelöhner" oder Arbeitslose, die in die Scheinselbstständigkeit gedrängt würden. Es sei kein Wunder, dass "das einzige Interesse dieser Gruppierung in der sozialen Absicherung liegt".

Mit dieser Aussage stieß Amann vielerorts auf Kritik. "Wir bekommen wütende Anrufe von völlig zurecht empörten Unternehmerinnen und Unternehmer", so Peter Nemeth am Donnerstag.

Leitl für mehr Respekt

"Die Ein-Personen-Unternehmen sind ein unverzichtbarer Bestandteil von Österreichs Wirtschaft und sind mit dem ihnen gebührenden Respekt zu behandeln", hatte sich WKÖ-Präsident Christoph Leitl vor dessen Rücktritt über Amanns Aussagen betroffen gezeigt: "Ich hätte mir in den vergangenen Stunden eine Entschuldigung erwartet, diese ist aber leider ausgeblieben."

Nach "Tagelöhner"-Sager: Amann tritt zurück

"Ich habe daher heute früh", so Leitl,"mit dem Bundesobmann des RFW, Matthias Krenn, Kontakt aufgenommen und ihn ersucht, für das seiner politischen Gruppierung zustehende Amt des WKÖ-Vizepräsidenten eine Neunominierung vorzunehmen. Im Umgang mit Mitgliedern habe ich eine klare Haltung: Jede Unternehmerin, jeder Unternehmer muss von Funktionären und Mitarbeitern mit größtem Respekt behandelt werden und hat einen Anspruch auf die bestmögliche Interessenvertretung, auf ein bestmögliches Service. Diese klaren Prinzipien wurden verletzt. Daher fordere ich jetzt Konsequenzen ein", so Leitl, bevor Amanns Rücktritt bekannt wurde.

"Schlag ins Gesicht“

Mit völligem Unverständnis hatte am Dienstag auch der Präsident des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands Wien (SWV Wien), Fritz Strobl, auf Amanns Äußerung reagiert: "Die Behauptungen von Fritz Amann sind eine Ungeheuerlichkeit und ein Schlag ins Gesicht der vielen Eine-Person-Unternehmen Österreichs."

Nach "Tagelöhner"-Sager: Amann tritt zurück

"Offenbar will der Vizepräsident der WKÖ mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder loswerden", so Strobl weiter. "Über 55 Prozent der heimischen Unternehmen sind EPU. Sie dermaßen in Misskredit zu bringen heißt, einem wesentlichen Teil der österreichischen Wirtschaft die Existenzberechtigung abzusprechen." Dass der Präsident des RFW in verstaubten Kategorien denke, sei bezeichnend für das ewiggestrige Weltbild der Freiheitlichen.

"Soziale Absicherung für EPU ist kein Luxus, sondern eine absolute Notwendigkeit", so Strobl weiter. "Daher tritt der SWV Wien schon seit Jahren für die Gleichstellung von Selbstständigen im Sozialsystem ein." Diese werden durch den 20-prozentigen SVA-Selbstbehalt und Krankengeld erst ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit massiv benachteiligt. Der SWV Wien fordert die restlose Abschaffung des SVA-Selbstbehalts und Krankengeld ab dem vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit für Betriebe mit bis zu fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

"Leitls Krokodilstränen helfen nichts"

"Bezüglich der skandalösen und selbstentlarvenden EPU-Beschimpfung von WKÖ-Vizepräsident und RFW-Bundesobmann Fritz Amann erübrigt sich jeder Kommentar. Dass aber Christoph Leitl, dem die EPU an 364 Tagen im Jahr vollkommen egal sind, nun Krokodilstränen vergießt, ist für uns EPU auch keine Hilfe", hatte auch Volker Plass, Bundessprecher der Grünen Wirtschaft und selbst Ein-Personen-Unternehmer, kritische Töne angeschlagen.

Leitl soll seinen blumigen Worten jetzt endlich konkrete Taten folgen lassen: "Die Wirtschaftskammer muss sich für ein leistungsgerechtes Steuersystem einsetzen, die Zusammenlegung der Sozialversicherungen samt Beitragssenkung forcieren und endlich eine Entrümpelung der zünftlerischen Gewerbeordnung vorantreiben."

Pacher: "Grober Unfug"

Als persönliche und fachliche Entgleisung, nach der man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen könne, hatte Kärntens Wirtschaftskammerpräsident Franz Pacher die Ausfälligkeiten von Amann bezeichnet. Diesen die Eigenschaft als Unternehmer abzusprechen und sie als Tagelöhner zu bezeichnen, sei nicht nur sachlich grundfalsch, sondern zeuge auch persönlich von einem irritierenden geistigen Haltungsschaden. Pacher: "Diese Aussagen sind grober Unfug. Ich erlebe täglich EPU als unternehmerisch denkende, handelnde sowie übrigens Steuern und Abgaben zahlende Menschen, die aus Überzeugung oder wegen der bürokratisch und finanziell kaum mehr überschaubaren Rahmenbedingungen auf die Anstellung von Mitarbeitern derzeit verzichten. Sie sind ein unentbehrlicher Bestandteil des Wirtschaftssystems, dem man nicht aus purer Arroganz und mit fehlerhaften Argumenten die Daseinsberechtigung absprechen darf."

Das Sozialministerium weist den Wunsch der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) nach einer Senkung der die Krankenversicherungsbeiträge der Selbstständigen zurück. Das würde die Steuerzahler noch mehr belasten, hieß es aus dem Büro von Minister Rudolf Hundstorfer (SPÖ). Auch die Arbeiterkammer lehnte den Wunsch ab.

Der stellvertretende SVA-Obmann Peter McDonald hatte das Sozialministerium aufgefordert, die für die Beitragssenkung nötigen Mittel von rund 50 Millionen Euro pro Jahr dadurch aufzubringen, dass der schrittweise gesenkte Beitrag des Bundes zur Krankenversicherung der Pensionisten wieder auf das Niveau des Jahres 2000 angehoben wird.

Für das Sozialministerium richtet sich diese Forderung jedoch an den falschen Adressaten. Der Ruf nach mehr Geld wäre korrekterweise an das zuständige Finanzministerium zu richten, denn diese Forderung stelle nichts anderes dar, als dass die Krankenkassen durch eine weitere Belastung der Steuerzahler saniert werden. Dies könne nicht Ziel einer Reform der Sozialversicherung sein, erklärte das Sozialministerium am Donnerstag in einer Aussendung.

Auch die Arbeiterkammer hat kein Verständnis für diese Forderung. "Nirgends sonst fließt Geld vom Bund in die Krankenversicherung, warum soll das bei den Selbstständigen plötzlich anders sein?", fragt Alice Kundtner, Bereichsleiterin Soziales in der AK Wien. Die Finanzierung der Krankenversicherung müsse aus den Beiträgen erfolgen, wie es auch bei den Beschäftigten der Fall ist. Fritz Strobl, der Präsident des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands Wien (SWV Wien), forderte eine Abschaffung des 20-prozentigen Selbstbehaltes für die Selbstständigen beim Arztbesuch statt einer Beitragssenkung.

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