Nach Milchquote fällt in der EU auch Zuckerquote

Ein Bauern erntet Zuckerrüben in Tilloy-lez-Cambrai, Nordfrankreich.
Obergrenze von 13,5 Mio. Tonnen pro Jahr wird aufgehoben. Produzenten hoffen auf Exportzuwachs.

Nach der Milchquote wird auch der letzte Schutzmechanismus in der Agrarpolitik der Europäischen Union fallen: Nur noch bis Ende September dieses Jahr müssen europäische Produzenten Mindestpreise für in der EU angebaute Zuckerrüben bezahlen.

Gleichzeitig werden auch die Quote, nach der 85 Prozent des Zuckers aus europäischer Produktion stammen müssen, sowie die Obergrenze von 13,5 Millionen Tonnen pro Jahr aufgehoben. Die Reaktionen in den Mitgliedsländern sind unterschiedlich.

"Europa wird vom Netto-Importeur zum Netto-Exporteur"

Nach Milchquote fällt in der EU auch Zuckerquote
ABD0011_20160920 - ARCHIV - ILLUSTRATION - Zucker in Würfelform liegt am 24.08.2015 auf einem Tisch in Köln (Nordrhein-Westfalen). Foto: Rolf Vennenbernd/dpa (Zu dpa "Zuckerhersteller nach Kartell im Prozesskarussell" vom 20.09.2016) +++(c) dpa - Bildfunk+++
In der EU-Kommission geht man von einem Produktionszuwachs von 20 Prozent aus. "Europa wird vom Netto-Importeur zum Netto-Exporteur", schätzt auch Gerald Benedetti, Sprecher des französischen Zuckerriesen Tereos. Er geht von einer Produktionssteigerung um bis zu 5,5 Millionen Tonnen auf dann 19 Millionen Tonnen pro Jahr aus.

Anderer Experte gibt sich skeptischer

Der Preisinformationsdienst Kingsman-Platts S&D Global bleibt konservativ und schätzt den Produktionszuwachs deutlich geringer ein als Tereos. Analyst Claudiu Covrig meint, dass die jährliche Zuckerherstellung auf rund 16 Millionen Tonnen anwachsen wird.

Zudem äußert sich der Experte skeptisch über die Exportchancen der europäischen Zuckerhersteller nach Nordafrika und in den Mittleren Osten und verweist auf neue Raffinerien, die im Irak und Algerien in den vergangenen Jahren entstanden sind: "Es wird schwierig werden, sich im Wettbewerb zu behaupten", sagt Covrig.

Produzenten sollen "auch bei niedrigeren Preisen überleben"

Vor allem Hersteller in Italien fürchten die Auswirkungen des Endes der Quote, die zu Schließungen von Produktionsstätten führen könnten. Die EU will das möglichst vermeiden. Langfristig sollten Zuckerhersteller in der Lage sein, "auch bei niedrigeren Preisen zu überleben", heißt es aus Kommissionskreisen. Die Gemeinschaft der 28 Mitgliedstaaten bereite sich seit Jahren sorgfältig auf die Umstellung vor, betonte unlängst Agrarkommissar Phil Hogan.

In der Zuckerindustrie war es jahrzehntelang wegen Exportsubventionen zu einer Überproduktion gekommen: Bis 2005 wurden in der EU jährlich zwischen 20 und 22 Millionen Tonnen Weißzucker hergestellt. 2006 dann führte eine umfassende Reform zu einer deutlichen Verringerung. 83 Fabriken und damit 40 Prozent aller Produktionsstätten in Europa mussten damit nach Angaben der Europäischen Vereinigung der Zuckerproduzenten schließen.

Deutschland und Frankreich sind Groß-Produzenten

Nach Milchquote fällt in der EU auch Zuckerquote
epa04968125 An aerial picture made available on 08 October 2015 shows trucks unloading harvested sugar beets at the sugar factory of Nordzucker AG in Clauen, Germany, 01 October 2015. The sugar beet harvest is currently in full swing. Germany is among the top five sugar beet growers in the world EPA/JULIAN STRATENSCHULTE
Deutschland und Frankreich sichern mit jeweils 24 Prozent fast die Hälfte der europäischen Zuckerproduktion. Firmen in Großbritannien, Portugal und Rumänien raffinieren importierten Zucker.

In Irland, Portugal und Slowenien wird bereits an Plänen gearbeitet, die einen Ausbau der Zuckerproduktion vorsehen. Alle drei Länder hatten den Anbau von Zuckerrüben aufgegeben. Ambitionen hat auch Ungarn: Das Land will seine Maissirup-Herstellung praktisch verdreifachen, wenn die Quote fällt.

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