Morgen, Kinder, wird’s was geben

Spiele hüpfen vom Bildschirm in die Wirklichkeit – und zurück: Die Aussöhnung der beiden Welten ist einer der ganz großen Branchentrends.
Branche erwartet sich leichtes Plus zu Weihnachten – ein paar lange Gesichter gibt es trotzdem.

Das Christkindl hat ein wenig ausgelassen: Das Weihnachtsgeschäft blieb hinter den Erwartungen zurück. Nur der Spielwarenhandel stemmte sich gegen das Minus. Branchensprecher Johannes Schüssler erhofft sich ein Prozent Plus zum Vorjahr: "Bei den Kindern wird zuletzt gespart" – diese Regel habe sich auch 2014 bewahrheitet.

Morgen, Kinder, wird’s was geben
Ein paar lange Gesichter dürfte es am Heiligabend trotzdem geben. Nämlich dort, wo Lego Minecraft auf dem Wunschzettel stand – und jetzt nicht unter dem Baum liegt: ausverkauft. Sogar im Onlineshop ist nichts mehr zu holen, bestätigt Lego-Sprecherin Martina Augenstein. Das ruft Spekulanten auf den Plan: Auf Online-Marktplätzen wurde das begehrte Set "Die Mine" mit bis zu 100 Euro Aufschlag auf den Bestpreis gehandelt.

Für Uneingeweihte oder Kinderlose: Minecraft ist ein Computerspiel, bei dem aus Würfeln eine ganze Welt aufgebaut werden kann. Auf zigtausendfachen Fan-Wunsch haben das Spielprinzip und die Optik den Sprung vom Monitor ins reale Lego-Baustein-Universum geschafft.

Verbrecherjagd per Lok

Die Aussöhnung von PC, Tablet und Smartphone mit den "echten" Spielen: Das ist ein Megatrend, bestätigt die Handvoll großer Player, die es in Österreich gibt. Für die Hersteller klassischer Modelleisenbahnen steht besonders viel auf dem Spiel. Märklin, Roco, Fleischmann, Klein Modellbahn: Bekannte Marken, die alle pleite waren oder knapp davor standen. Der Grund: Die Produktion der Miniatur-Eisenbahnen ist komplex und teuer (sie unterliegt, Detail am Rande, dem Kollektivvertrag der metallverarbeitenden Industrie). Dieser große Aufwand wird für eine schrumpfende Zielgruppe betrieben – typischerweise Männer im Alter von 40 plus.

"Alle versuchen deshalb, im Kinderzimmer Fuß zu fassen", erklärt Michael Prock, Sprecher der Modelleisenbahn Holding. Das Salzburger Unternehmen hat die Traditionsmarken Roco und Fleischmann gekauft und saniert. Jetzt will man mit "Roco Next Generation" bei Kindern zum Zug kommen. Auf dem Tablet werden die Kleinen vor Aufgaben gestellt, die sie mit echten Modell-Zügen lösen müssen. Sie werden etwa auf Einkaufstour oder Verbrecherjagd geschickt und müssen die Lok punktgenau ins Ziel steuern.

Drei Millionen Autos

Ebenfalls aus einer Pleite hat das Salzburger Familienunternehmen Stadlbauer 1999 die Autorennbahnmarke Carrera übernommen und mit einer Million verkaufter Sets pro Jahr zum Weltmarktführer gemacht. "Mit drei Millionen Autos sind wir auch der größte Fahrzeughersteller des Landes", scherzt Firmenchef Andreas Stadlbauer. Die Verbindung zum Online-Universum stellen digitale Devices wie Zähler her, dank derer im Carrera Club im Internet die Rundenzeiten verglichen werden können.

Stadlbauer stellt sich dem Wettbewerb, indem man Eigenmarken forciert und margenschwache Geschäftsfelder aufgibt – wie den Vertrieb von Nintendo-Konsolenspielen. "Datenträger werden zusehends durch Downloads ersetzt", erklärt Stadlbauer. Dafür sind ferngesteuerte Autos mit Nintendo-Figuren wie Super Mario ein Renner (Carrera RC). Damit ist man in Österreich auf Platz eins und Deutschland auf Platz zwei. "Die Zeiten von Zehn-Prozent-Sprüngen sind vorbei", sagt Dieter Strehl, Geschäftsführer der Wiener Karten- und Brettspielschmiede Piatnik. Er ist auch mit geringeren Steigerungsraten durchaus zufrieden. 2015 feiert Piatnik den 25. Geburtstag seines Klassikers "Activity" – ein ungebrochener Erfolg: Heuer wurden eine halbe Million Stück verkauft. Piatnik bringt pro Jahr 200 neue Produkte auf den Markt, die zu 85 Prozent in den Export (in 70 Länder) gehen. Die Konkurrenz zu Online sieht Strehl pragmatisch: Piatnik verwende Elektronik-Bauteile dort, wo es sinnvoll sei. In geselliger Runde blieben Brett- und Kartenspiele weiterhin gefragt, sagt Strehl: "Ich hab den Eindruck, dass ein Computer selten lacht."

Wie geht es dem Spielwarenhandel? Johannes Schüssler führt ein Geschäft in Frohnleiten (Steiermark) und ist Sprecher der Branche in der Wirtschaftskammer. Mit dem KURIER sprach er über ...

... die Konjunktur
Schwächelt die Wirtschaft, geht’s den Spielwaren vergleichsweise besser. Dafür sind wir beim Aufschwung nicht so stark dabei. Bei Kindern wird eben noch am wenigsten gespart.

... Trends
Ich muss die Industrie kritisieren: Lego etwa hat mit Minecraft einen Trend erzeugt, das Produkt aber so zögerlich geliefert, dass es in Österreich gar nicht mehr verfügbar war. Die Nachfrage nach Rainbow Looms (Gummibänder zum Knüpfen) hält an, das hat uns über den Sommer gerettet. Ein Hit sind auch interaktive Tierpuppen wie Pipi-Max oder Furreal. Und Lizenzfiguren, dazu werden die Kinder durch die TV-Werbung förmlich gedrängt.

... Stellenwert von Weihnachten
Die Einkäufe verlagern sich immer näher zu Heiligabend hin, weil sich die Wünsche der Kinder rasch ändern. Es werden auch mehr Gutscheine verschenkt. Auf das Quartal Oktober, November und Dezember entfallen etwa 45 Prozent des Jahresumsatzes.

... Konkurrenz
Wir haben mit dem Versandhandel gelebt, viel mehr wird Online nicht zustandebringen. Aktuell machen dem Fachhandel Branchenfremde wie Drogerien oder Lebensmittelhändler mehr zu schaffen. Mir ist völlig unverständlich, warum diese im November den Preiskampf anfachen oder ausgerechnet jetzt 20 Prozent Rabatt auf alle Spielwaren bieten. Bei Großproduzenten wie Mattel sind die Margen ohnehin knapp. So ist im Weihnachtsgeschäft kaum noch was zu verdienen.

... die zwei Lego-Stores in Wien
Was soll ich sagen? Das ist die Macht des Großen. Lego erklärt, das sei keine Konkurrenz, sondern unterstütze den Fachhandel. Wir sind in Frohnleiten, zwischen Graz und Bruck, daheim. Selbst von uns fahren die Leute extra 130 Kilometer nach Wien.

... das Überleben der Händler
Wie es sich trotzdem ausgeht? Mit Stammkundschaft und hoher Eigenleistung, die meisten der österreichweit 490 bis 500 Unternehmer stehen selbst im Geschäft. Insgesamt hat die Branche rund 1800 Mitarbeiter, der Umsatz bewegt sich bei 300 Mio. Euro. Ich bin fest überzeugt: Wir werden mehr Aufschwünge als Aufgaben erleben.

Stadlbauer Marketing
Die Familienfirma mit Sitz in Puch/Hallein (400 Mitarbeiter) erwartet mit Eigenmarken wie Carrera, Baufix,Pustefix Seifenblasen, Schildkröt Puppen und dem Vertrieb (Playmobil) ein deutliches Verkaufsplus.

Modelleisenbahn-Holding
Mit Roco und Fleischmann bei Modellbahnen Nummer zwei hinter Märklin (D). Sitz ist in Bergheim (Sbg.), produziert wird in Gloggnitz (NÖ), Slowakei und Rumänien. Vertriebsverträge gibt es für 56 Länder. 700 Mitarbeiter erzielen etwa 51 Mio. Euro Umsatz.

Piatnik
Das Unternehmen (gegründet 1824) beschäftigt 110 Mitarbeiter in Wien-Penzing und 50 in Vertriebsfirmen. 2014 sind 30 Mio. Euro Umsatz angepeilt.

Kommentare