Wie Konsumenten geneppt werden

Wie Konsumenten geneppt werden
Bei Lebensmitteln ist oft nicht das drin, was auf den Verpackungen versprochen wird.

Jahrelange Kontrollen haben sich gelohnt. Der Geschäftsführer des Vereins für Konsumenteninformation, Franz Floss, hat auch eine gute Nachricht . "Die Lebensmittel sind sicherer als jemals zuvor."

Trotzdem ist die Welt der Lebensmittel nicht in Ordnung. Die Lebensmittelindustrie ist sehr kreativ, wenn es darum geht, die Konsumenten über den Tisch zu ziehen. Floss, der als Lebensmittelchemiker seit 40 Jahren für den VKI arbeitet, kennt viele Beispiele.

Palmöl statt Milch

Wie Konsumenten geneppt werden
Fotograf: Nicholas Bettschart, Ing. Franz Floss, Konsumentenschutz, Wien, Österreich,
Eine Untersuchung von Vanille-Eis hat ergeben, dass "Palmöl statt Milch drinnen war". Auch leere Vanilleschoten er schon gefunden, oder Nussmischungen, bei denen die teureren Sorten weggelassen wurden.

Bei manchen Aufdrucken auf Lebensmittelverpackungen muss man Botaniker sein, um zu wissen, was drinnen ist. Bisweilen finden sich nicht einmal Spurenelement der aufgedruckten Früchte. "Drei oder vier Früchte sind aufgedruckt, aber nur eine ist drin", ärgert sich Floss .

Außerdem ist die Rechtslage nicht so leicht zu durchschauen. Eine rot-weiß-rote Fahne kann jeder auf seine Verpackung drucken. Bei einem als "österreichisches Erzeugnis" deklarierten Produkt reicht es bereits, wenn 50 Prozent der Wertschöpfung in Österreich anfallen.

Für die rund hundert in Österreich verwendeten Gütesiegel existieren keine rechtlichen Vorgaben. Der Kreativität der Produzenten sind da keine Grenzen gesetzt. Lediglich für Bio-Lebensmittel gibt es eine EU-Verordnung.

Kontrollen

Ein positives Beispiel ist für Floss das Gütesiegel der Agrarmarkt Austria (AMA-Gütesiegel) für Produkte aus Österreich. "Das ist gut und funktioniert." Auch die großen Handelsketten wie Rewe (Merkur und Billa) sowie Spar und Hofer leisten sich umfangreiche Kontrollen für ihre Eigenmarken.

Nur für die Herkunft von Frischfleisch existiert eine EU-weite Kennzeichnungspflicht. Für verarbeitete Fleischprodukte und in der Gastronomie gibt es keine Vorgaben. Die Konsumenten müssen nicht alles wissen. Vegetarische Würstel sind, so Floss, "Chemiebomben".

Dass die Verpackungen bei steigenden Preisen immer größer werden, obwohl der Inhalt gleich bleibt, hat sich herumgesprochen. In Deutschland hat der dm-Markt eine Zahnpasta aus dem Sortiment genommen. Der Hersteller hatte den Preis zwar unverändert gelassen, den Inhalt aber reduziert und darauf spekuliert, dass es nicht auffällt. Floss sieht keine Möglichkeit dagegen rechtlich vorzugehen. "Es gibt keine Gesetze gegen Mogelpackungen."

Höhere Ausgaben

Nicht nur wegen der großen Zahl an Produkten, die auf den Markt kommen, steigen die Ausgaben des VKI. Die Technik macht es komplizierter. Verglichen mit einem alten Handy ist ein Smartphone ein Wunderwerk.

Ob der VKI seinen Auftrag in Zukunft noch erfüllen wird können, ist ungewiss. Das Budget von rund drei Millionen Euro wird nicht gemäß der Inflationsrate angehoben. 75 Prozent des Budgets kommen aus Einnahmen des VKI. Den Rest bezahlen Arbeiterkammer und das Ministerium für Konsumentenschutz. Floss drängt auf eine Aufstockung des Budgets um zwei Millionen Euro. "Uns geht langsam die Luft aus." Im Regierungsübereinkommen ist vorgesehen, dass ein Teil der Bußgelder, die wegen Wettbewerbs-Verletzungen eingehoben werden, an den VKI gehen sollen.

Hohe Erfolgsquote

Manches Unternehmen dürfte über die finanziellen Probleme der Konsumentenschützer nicht unglücklich sein. Immerhin gewinnt der VKI 85 Prozent seiner Prozesse und hat dafür gesorgt, dass die Verbraucher 2014 rund 30 Millionen Euro zurückbekommen haben.

Für die VKI-Aktion Energiekostenstopp, mit der mehr als 100.000 österreichische Haushalte zum Wechsel des Energielieferanten motiviert wurden, bekam Floss das Silberne Ehrenzeichen der Republik. Derart versilbert geht der Konsumentenschützer mit Monatsende in Pension.

Der Dieselskandal von Volkswagen überrascht nicht wirklich. Tricksen, Täuschen und vertuschen sind fixer Bestandteil in der Wirtschaft. Davon betroffen ist nicht nur die Auto-Branche, in der Rückrufaktionen nach verheimlichten Technikproblemen längst keine Seltenheit mehr sind. Konsumentenschützer schätzen, dass mit unlauteren Geschäftsmethoden innerhalb der EU jährlich Milliarden verdient werden. Ein paar Beispiele:

Geplanter Verschleiß Es ist ein offenes Geheimnis, das kein Hersteller zugibt. Elektro(nik)geräte halten längst nicht so lange wie sie könnten. Durch den geplanten Verschleiß (geplante Obsoleszenz) verdienen die Hersteller an einer künstlich verkürzten Lebensdauer. Meist "sterben" Geräte einen softwaregesteuerten Maschinentod. Der Lebenszyklus wird vorab profitoptimiert berechnet, eine Reparaturfähigkeit von Anfang an vermieden. Der deutsche Wirtschaftsprofessor Christian Kreiß errechnete, dass sich jeder deutsche Bürger rund 110 Euro im Monat durch längere Laufzeiten von Industriegütern sparen könnte.

Etikettenschwindel Erst vor zwei Jahren offenbarte der Pferdefleischskandal, dass in Lebensmitteln nicht immer das drin ist, was draufsteht. Rindfleisch wurde kurzerhand durch billigeres Pferdefleisch ersetzt. Falsch gekennzeichnete Waren gab es etwa in Tiefkühl-Tortelloni, Kebab-Spießen und diversen Würsteln. Die Kennzeichnungspflicht wurde zwar inzwischen verschärft, doch die Vorschriften gelten nur für unverarbeitetes Fleisch. Ein Kennzeichnungs-Wirrwarr herrscht bei Energielabels, die meist von der Industrie selbst festgelegt werden. Jüngstes Beispiel Heizthermen: Die Effizienzklassen sagen wenig über die Wirtschaftlichkeit aus. Höhere Effizienz kann also zu höheren Energiekosten führen.

Fehlberatung Das Sparschwein in der Werbung lockte ahnungslose Konsumenten in die Fondsfalle. Wie die Causa Meinl European Land (MEL) ausging, ist bekannt. Die Justiz ermittelt seit Jahren wegen des Verdachts auf Anlegerbetrug bzw. Untreue. Ähnlich die vermeintlichen Finanzoptimierer von AWD. Statt Beratung gab es beim Vertrieb von Immofinanz-Aktien "systematische Fehlberatung", sagen Verbraucherschützer. Auch bei Fremdwährungskrediten gab es zum Teil schwere Mängel bei der Risiko-Aufklärung der Kunden.

Preisverschleierung Getrickst wurde beim Preis schon immer. Die Digitalisierung durch Smartphone und Internet erlaubt aber ganz neue Schummeleien wie "Flatterpreise" je nach Tageszeit oder Endgerät. Nutzer von iPhones zahlen so mitunter mehr als Nutzer anderer Endgeräte. Laut Arbeiterkammer wird trotz strengerer Regeln bei den Flugtickets immer noch getrickst. Der von diversen Portalen ausgeworfene Preis ist oft nicht der Endpreis. Extra-Kosten für Koffer, Kreditkartenzahlung oder diverse Gebühren verteuern die Tickets zum Teil massiv. Und: Tarife sind so gestaltet, dass sie nicht vergleichbar sind. Beispiel Mobilfunk: Hier gibt es mehr als 60.000 Tarif-Varianten.

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