Mister Euro-Rettungsschirm

Mister Euro-Rettungsschirm
ESM inside: Klaus Regling ist Europas oberster Schuldenmanager. Der deutsche Ökonom ist Herr über 700 Milliarden Euro Hilfsgelder.

Klaus Regling residiert in einem Glaspalast auf dem Kirchberg, dem noblen Stadtteil von Luxemburg. Im Sommer 2010 bezog der Chef des Rettungsfonds EFSF das Gebäude in der Avenue John F. Kennedy 43. Die Büros waren leer, Kaffeetassen und Leder-Fauteuils kamen von der Europäischen Investitionsbank, eine Leihgabe.

Der Herrscher über 700 Milliarden Euro ist ja genügsam: Sein Büro ist karg eingerichtet, auf den Regalen stapeln sich Bücher und wissenschaftliche Wälzer. Auch ein Exemplar seiner Diplomarbeit mit dem Titel "Theorie des optimalen Währungsgebietes" von 1973. Dem Thema blieb er treu, bis heute.

Fleiß und Disziplin sind die obersten Gebote des protestantischen Hanseaten. Seine Mitarbeiter fürchten und bewundern ihn wegen seines unermüdlichen Eifers und Einsatzes: eMails beantwortet er zu jeder Tages- und Nachtzeit, rund um die Uhr hängt er am Telefon. Der Ökonom ist global vernetzt und weiß genau, was an der Wall Street und in Asien gespielt wird.

Sonore Stimme

Mister Euro-Rettungsschirm


Zurückhaltend, geradezu scheu wirkt er, wenn er mit sonorer Stimme Chinesen europäische Staatsanleihen verkauft. Die Kassa muss voll sein, um Griechenland, Portugal, Irland, Zypern vor dem Bankrott zu retten. Slowenien und Italien sind Kandidaten für Notkredite, Spanien zapft Geld für die Banken an.

"Gib nie mehr aus, als du verdienst": Dieses Grundprinzip konservativen Wirtschaftens hat Regling verinnerlicht. Gelernt hat er es von seinem Vater, dem Tischlermeister in Lübeck: "Ich wusste, wenn der Betrieb keinen Gewinn macht, geht die Tischlerei pleite."

Dieser Logik folgen auch die strikten Defizitregeln im EU-Stabilitäts- und Wachstumspakt, die er ausgearbeitet hat. Finanzminister Theo Waigel hielt große Stücke auf seinen Beamten. Damals, am Beginn der Neunzigerjahre, als die deutsche Einheit kam, bereiteten Regling, Jürgen Stark, Horst Köhler und Hans Tietmeyer in der Bonner Bürokratenburg die Währungsunion und den Vertrag von Maastricht vor.

Zu den einflussreichen Waigel-Boys zählte zur gleichen Zeit auch der Sozialdemokrat Thilo Sarrazin, er werkte an der deutsch-deutschen Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion und vereinigte die Ost-Mark mit der West-Mark.

Dem CSU-Finanzminister aus München gefielen die exzellenten und stichhaltigen Analysen von Regling und seine internationale Sicht der Dinge, die er sich als junger Wissenschafter beim Internationalen Währungsfonds in Washington erwarb. Waigel wollte ihn sogar zum Staatssekretär ernennen, dazu kam es nicht.

Heuschrecken

Als Oskar Lafontaine 1998 Finanzminister wurde, konnte Regling den politischen Paradigmenwechsel, die Binnennachfrage mit höheren Schulden zu stärken, nicht mittragen. Er verließ sofort das Ministerium und wechselte – getrieben von Neugierde – in die Privatwirtschaft: Der Hedgefonds Moore Capital Strategy Group in London suchte einen Experten für wirtschaftspolitische Analysen.

Lange hielt er es in der Welt der Heuschrecken nicht aus. Eineinhalb Jahre später, 2001, zog es ihn wieder in die Politik. Bundeskanzler Gerhard Schröder schlug ihn als Generaldirektor für Wirtschaft und Finanzen in der EU-Kommission in Brüssel vor.

"Ich wollte wieder direkt Einfluss nehmen auf die Währungsunion", sagte Regling. Es ist die Ironie des Schicksals, dass gerade dieser Job zu einer Niederlage wurde. Der Meister der Maastricht-Kriterien musste mitansehen, wie Deutschland und Frankreich als erste gegen die Maastricht-Regeln verstießen. Regling leitete ein Defizitverfahren ein und verklagte die beiden Länder.

Stabilität

Auf- und Nachgeben gehört nicht zu den Eigenschaften des Euro-Fighters: "Der Euro bleibt es wert, dass man für ihn kämpft." Der unbequeme stabilitätsorientierte Ökonom ließ sich nicht von seinen Überzeugungen abbringen, auch wenn ihn Gerhard Schröder zur Persona non grata erklärte. "Er glaubt an die Sache, die er macht. Und er erfüllt keine Wünsche von oben", urteilt ein Notenbanker.

Politisch jedenfalls nicht. In der Theorie weicht der Vertreter der neo-klassischen Ökonomen-Schule gelegentlich vom akademischen Pfad ab und handelt pragmatisch. Das brachte zuletzt Angela Merkel gegen ihn auf, weil er gegen ihren Willen einen großen Rettungsschirm und Euro-Anleihen als starke Feuerkraft gegen die Krise forderte.

Regling agiert unerschrocken, unabhängig. Er ist parteilos, niemandem, nur seinen Überzeugungen gegenüber, verpflichtet. Soziales Engagement hat er in der Familie mitbekommen, sein Vater war SPD-Abgeordneter.

Euro in der Pubertät

Der "Querkopf", wie ihn manche nennen, wechselte 2008 nach seinem Abgang aus der Kommission stakkatoartig die Jobs: Ein Jahr lehrte er an die National University von Singapore, gründete seine Beratungsfirma KR Economics und leitete kurze Zeit den Hedgefonds Winton Futures Fund Ltd.

Als Griechenland vor der Pleite stand, wurde 2010 der Rettungsfonds EFSF ins Leben gerufen, die Leitung übernahm auf Drängen Berlins der Stabilitätsfanatiker Regling. Seit wenigen Tagen ist er auch Chef des ESM, ein "intelligenter Schuldenmanager" (Wolfgang Schäuble).

Am Überleben des Euro hat er keinen Zweifel. Gerne vergleicht der Familienvater das Geld mit dem Heranwachsen von Kindern: "Das erste Jahrzehnt ist einfach, das zweite ist schwierig."

Der Euro ist in der schwierigen Phase der Pubertät.

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