Millionen-Pleite: Konkurs über E-Bike-Firma Freygeist eröffnet

Freygeist will Leistungsfähigkeit und Design vereinbaren
Rund 1100 Anleger haben 1,5 Millionen Euro Risikokapital über ein Crowdfunding der deutschen Mutterfirma zur Verfügung gestellt. Hier lesen Sie die Details über die Pleite.

Der KURIER hat bereits am 4. Jänner über die beiden Insolvenzanträge der Freygeist lightweight e-Bikes GmbH und ihrer gleichnamigen Berliner Mutterfirma berichtet, jetzt ist das Verfahren in Österreich eröffnet worden. Zum Masseverwalter wurde der renommierte Wiener Sanierungsanwalt Thomas Engelhart bestellt. Das bestätigen die Gläubigerschutzverbände Creditreform, AKV und KSV1870 dem KURIER. Die Österreich-Tochter soll sich allein mit dem Vertrieb befasst haben. Die deutsche Gesellschaft hat rund 216.500 Euro Verbindlichkeiten.

Die Schulden werden mit 19.742,92 Euro beziffert. Die Millionen-Schulden soll die deutsche Mutterfirma haben. Dazu muss man auch wissen, dass die sächsische Fahrradhersteller MIFA heuer die E-Bikes als Lohnfertiger für Freygeist produzieren sollen. Doch die MIFA ist kürzlich selbst in die zweite Pleite geschlittert.

Geschäftsführer verabschiedete sich

Den Konkursantrag haben die (früheren) Geschäftsführer Usama Assi und Martin Trink sowie zwei Geschäftsführer von zwei Freygeist-Gesellschaftern gestellt. Zum Hintergrund: Am 1. August 2016 war der Unternehmensberater Christian M. zum Geschäftsführer bestellt worden - auch der deutschen Muttergesellschaft.

"Der Geschäftsführer brachte den Freygeist-Gesellschaftern (siehe unten) am 28. November 2016 die drohende Zahlungsunfähigkeit zum 1. Dezember 2016 zur Kenntnis und legte mit Wirkung 30. Dezember ohne Zustimmung der Gesellschafter die Geschäftsführung nieder", heißt es im Antrag. "Der Aufforderung der Antragsteller vom 5. Dezember, unter den Hinweis auf die Kündigung zur Unzeit, seinen Pflichten als Geschäftsführer, insbesondere zur Stellung der Insolvenzanträge nachzukommen, kam er nicht nach."

Den Antragstellern liegen auch keine verlässlichen Zahlen zum Geschäftsverlauf vor, da sie keine Einsicht in die Bücher haben. Die Unterlagen für das Geschäftsjahr 2015 liegen beim Steuerberater in Wien. Hier wurden zuletzt nur drei Mitarbeiter beschäftigt.

Zwei Anträge

Zurück zur wirtschaftlichen Lage. Anfang 2017 hatte Freygeist mit Sitz in der Berliner Potsdamerstraße sowohl in Deutschland als auch in Österreich aus kaufmännischer Vorsicht Insolvenz angemeldet.

"Es wurden in beiden Ländern Anträge eingebracht", bestätigte ein ehemaliger Geschäftsführer von Freygeist Deutschland, dessen österreichische Firma auch Gesellschafter der Berliner Mutterfirma ist, am 4. Jänner 2017 dem KURIER. Er möchte aber im Zusammenhang mit der Insolvenz seinen Namen nicht in einem Medium lesen.

Geschäftsführung verwaist

Die Hintergründe der Insolvenz sind offenbar noch sehr undurchsichtig. "Ich kann ihnen nur ganz wenig dazu sagen, da ich seit August nicht mehr Geschäftsführer bin. Ich bin eigentlich als nur als Business Angel eingestiegen und nur überbrückend über mehrere Monate in der Geschäftsführung gewesen", sagte der Niederösterreicher zum KURIER.

"Wir haben im August die Geschäftsführung einem einzelvertretungsbefugten Geschäftsführer übergeben und der hat das Amt Ende November zurückgelegt. Damit ist die Freygeist derzeit ohne Geschäftsführung." Dieser Kurzzeit-Geschäftsführer sollte laut dem Insider eigentlich langfristig das Wachstum der Marke Freygeist vorantreiben. Denn Namen dieses Allein-Geschäftsführers wollte der Freygeist-Gesellschafter nicht nennen.

Fragwürdige Vorgangsweise

"Wegen des laufenden Verfahrens", sagte der Niederösterreicher zum KURIER. "Ich möchte niemanden diskreditieren. Ich glaube nicht, dass er nicht auffindbar ist, aber ich persönlich habe keinen Kontakt zu ihm. Wir haben den Geschäftsführer aufgefordert Insolvenz zu beantragen, er hat gesagt, das macht er nicht mehr." Nachsatz: "Warum ein Geschäftsführer nach drei Monaten wieder geht, ist eine gute Frage. Die versuchen wir zu klären." Warum der "neue" Geschäftsführer überhaupt nicht im Firmenbuch eingetragen wurde, ist völlig unklar.

Fakt ist: Im deutschen Firmenbuch laut Creditreform sind nach wie vor die drei Alt-Geschäftsführer eingetragen, in Österreich sind es nur zwei.

Hundert Vorbestellungen

"Es sind auch Hunderte Räder von Händlern vorbestellt, wir hatten in Deutschland eine Lohnfertigung", sagte der Freygeist-Gesellschafter in einer früheren Stellungnahme zum KURIER. "Die Crux an der Geschichte ist, dass wir auf Gesellschafterebene gerade versuchen, Licht ins Dunkel zu bringen und aufzuklären, wie es dazu gekommen ist. Aus Vorsicht haben wir die Insolvenzanträge gestellt." Nachsatz: "Es wurde ein strukturierter Vertrieb aufgebaut, wir haben im Vorjahr 500 Räder gebaut und verkauft." Jeder Gesellschafter sei motiviert, eine positive Lösung zu erzielen.

1,5 Millionen Euro

Auch André Glasmacher von der Crowdfunding-Plattform Companisto teilte dem KURIER mit, dass die Investoren über die Insolvenzanträge informiert wurden. Freygeist hat über Companisto 1,5 Millionen Euro „Risikokapital“ bei 1107 Investoren eingeworben. Das entspricht laut Companisto einer Beteiligung am Unternehmenswert und am Gewinn von Freygeist in Höhe von 37,5 Prozent.

Jene Investoren, die mit 7500 Euro und mehr eingestiegen sind, haben von Freygeist laut dem niederösterreichsichen Gesellschafter, auch ein Fahrrad erhalten. Der Großteil der Gelder wurde dem Insider nach aber für das Marketing, der Aufbau eines Vertriebs und für die Löhne und Gehälter der mitarbeiter sowie für die Farradproduktion verwendet.

Die Gesellschaften

Die Gesellschafter der deutschen Freygeist lightweight e-Bikes GmbH sind laut dem Wirtschaftsinformations-Dienstleister Creditreform ausschließlich österreichische Unternehmen und Personen, darunter sind die Trend Consulting GmbH, die One-Group GmbH, die Dr. Alkier GmbH, die Artemis Investments GmbH und die zwei früheren Freygeist-Geschäftsführer und Gründer Usama Assi und Martin Trink sowie zwei weitere Personen. Die deutsche Freygeist-Gesellschaft ist wiederum Alleingesellschafterin der Österreich-Tochter mit Sitz in der Wiener Ballgasse.

Starke Werbung

Die Freygeist lightweight e-Bikes GmbH hatte sich auf die Fahnen geschrieben, dass es das E-Bike „neu erdacht“ hat. „Die Technologie eines modernen E-Bikes im Design eines klassischen Fahrrads bietet herausragende Fahreigenschaften“, heißt es auf der Homepage der Crowdfunding-Plattform Companisto über die Freygeist lightweight e-Bikes GmbH ordentlich viel Geld eingeworben hat. Mit diesem zwölf Kilo leichten Premium-Bike, das um die 4000 Euro kostet, sollte die Zielgruppe der „Urban Professionals“ bedient werden – mehr als eine Million Zielkunden weltweit wurde ursprünglich angepeilt.

"Ein sehr exklusives Lifestyle-Produkt", nennt es ein Freygeist-Gesellschafter im Gespräch mit dem KURIER. Detail am Rande: Auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner ist stolzer Besitzer eines Freygeist-Bikes, die ÖVP hat ihm dieses Elektrofahrrad im Dezember 2015 zum 60. Geburtstag geschenkt. "Das hat die ÖVP gekauft, wir haben ja nichts zu verschenken", sagte einer der Gesellschafter Anfang Jänner 2017 zum KURIER.

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