Reimon: "TTIP-Verhandlungen müssen abgebrochen werden"

Der Unmut über das Freihandelsabkommen EU-USA wächst: Kanzler Faymann warnt vor "immer neuen Ideen, die nur Lobbyisten dienen".
Warnung vor einem "Supergremium", das die Regulierung der Finanzmärkte übernehmen soll.

Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA soll Jobs und Wachstum bringen – unter anderem, indem bürokratische Hürden für den transatlantischen Handel abgebaut werden. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström führt in diesem Zusammenhang gerne das Beispiel von Auto-Crashtests an: Diese würden in Amerika anders durchgeführt als in Europa, seien aber gleich sicher – eine gegenseitige Anerkennung bzw. Angleichung könne Zeit und Geld sparen und den Auto-Export ankurbeln.

Gegen die engere Zusammenarbeit bei Regulierung und Gesetzen gibt es aber auch massive Vorbehalte. Der Grüne EU-Abgeordnete Michel Reimon etwa warnt davor, "dass die Finanzmärkte mit TTIP der demokratischen Kontrolle entzogen werden sollen". Am Dienstag konnte Reimon erstmals in den streng gesicherten Datenraum des EU-Parlaments, um dort Einsicht in die geheimen Verhandlungspositionen der Kommission zu nehmen. "Das Ergebnis bestätigt unsere schlimmsten Befürchtungen", sagt Reimon. "Europäische Banken und Versicherungen drängen darauf, die nach der Krise in den USA streng regulierten Finanzmärkte wieder zu öffnen." Produkte, die als Reaktion auf die Finanzkrise verboten wurden, sollen wieder angeboten werden dürfen.

"Ein Blankoscheck"

Reimon zufolge will die Kommission noch weiter gehen: Ein neues Gremium solle künftig die Regulierung der Finanzmärkte aushandeln. Dort wären für Europa die EU-Kommission und Minister vertreten – "die Regulierung wird dann von den Regierungen gemacht, nicht mehr von den Parlamenten", kritisiert Reimon gegenüber dem KURIER. "Die Parlamente dürfen dann Gesetze nur noch so erlassen, dass sie mit den Beschlüssen dieses Forums übereinstimmen. TTIP solle nur das Gremium schaffen, nicht die Regulierungen selbst. Damit würde ein "Ja" zu TTIP "zum Blankoscheck", sagt Reimon. Er fordert: "Die Verhandlungen müssen abgebrochen werden".

Auch Kanzler Werner Faymann äußert "massive Vorbehalte" gegen derartige "Supergremien". Eine Woche, nachdem Malmström Faymann via KURIER vorgeworfen hat, TTIP in Brüssel zu wollen, aber in Wien nicht zu unterstützen, geht der Kanzler auf Konfrontationskurs mit der Brüsseler Behörde: "Die Kommission sollte langsam verstehen, dass die massive Kritik an TTIP nicht geringer wird, wenn immer wieder neue Ideen auftauchen, die nur Lobbyisten dienen." Einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zufolge soll außerdem zwischen den USA und der EU ein "Frühwarnsystem" zu geplanten Gesetzen eingerichtet werden. So sollen die Handelspartner Bedenken gegenüber Gesetzen frühzeitig beraten können.

Beim nächsten Treffen der EU-Finanzminister im Februar wird ein konkreter Vorschlag für einen Finanztransaktionssteuer vorgelegt, kündigte Finanzminister Hans Jörg Schelling an. Die Finanzminister der elf EU-Staaten, die die Einführung dieser Steuer vorantreiben wollen, hatten zu Wochenbeginn wesentliche Fortschritte in den Verhandlungen erreicht.

Laut Schelling wird der Vorschlag auf dem basieren, was Österreich schon vor Weihnachten eingebracht hat. Die politische Koordination der Vorschläge werde Österreich und Portugal übernehmen. Die Steuer soll jedenfalls sowohl Derivate als auch Aktien erfassen. Schelling rechnet damit, dass Teile der Steuer ab 1. Jänner 2016 in Kraft treten, der Rest dann ab Jänner 2017. Neben Österreich, Deutschland und Frankreich sind Belgien, Estland, Griechenland, Italien, Portugal, Slowenien, die Slowakei und Spanien in der Gruppe der elf Länder.

Lob erntete Schelling für das Vorantreiben der Steuer von der Österreichischen Bischofskonferenz und den Globalisierungskritikern von Attac.

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