Merkels nächster Coup: Ja zu Mindestlohn

Merkels nächster Coup: Ja zu Mindestlohn
Die Kanzlerin revidiert eine weitere Unions-Position und stimmt Mindestlöhnen zu - auch wenn das ihrer Taktik mehr nutzen dürfte als Geringverdienern.

Es ist eine weitere Kehrtwende der bürgerlichen Koalition von Angela Merkel Richtung links: Bisher hatte sie jede Form von Mindestlohn mit wenigen Ausnahmen abgelehnt. Er schaffe Einstiegshürden für Millionen schlecht ausgebildeter Arbeitskräfte, die auf dem Arbeitsmarkt nicht einmal den Mindestlohn verdienen könnten und somit weiter in der für den Staat teuren Arbeitslosenhilfe verblieben, lautete das alte Credo.

Deshalb verblüffte Merkel nun Freund und Feind mit der Andeutung, dass sie am CDU-Parteitag in zwei Wochen einen Antrag auf Zulassung allgemeiner Mindestlöhne unterstütze. Der kommt von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, die schon lange mit bisher als links geltenden Themen Aufmerksamkeit sucht. Mindestlöhne ließ die Koalition bisher nur in einigen besonders schlecht bezahlten Branchen zu, wo nicht nur die Gewerkschaften Lohndumping aus den jüngsten EU-Staaten befürchteten. Der flächendeckende, gesetzliche Mindestlohn ist aber seit Jahren ihre Kernforderung, die SPD, Grüne und Linke übernommen haben.

Von der Leyens Entwurf sieht vor, dass jede Branche ihren gesetzlichen Mindestlohn bekommt, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer zuvor darauf einigen. Das schiebt den Arbeitgebern den Schwarzen Peter zu: Sie haben in Lohnverhandlungen nun auch diese Forderung auf dem Tisch, die sie bisher mithilfe der Politik ablehnen konnten.

Mogelpackung

Merkels nächster Coup: Ja zu Mindestlohn

Dass sich ein führender Vertreter der Arbeitgeber im Bundestag in Merkels Auftrag mit dem CDU-Arbeitnehmer-Sprecher heimlich geeinigt hatte, erbost die Arbeitgeber noch mehr. Die Festlegung einer gesetzlichen Lohnuntergrenze widerspreche der Marktwirtschaft, für die die Union bisher stehe, sagte ihr Mittelstandssprecher.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt nannte die Pläne "nicht nachvollziehbar" und verwies auf den Koalitionsvertrag, der einen gesetzlichen Mindestlohn ausschließt. CSU und FDP hingegen reagierten vorsichtig positiv: Es sei gut, dass sich die CDU gegen einen bundesweiten, flächendeckenden Mindestlohn ausspreche, Vereinbarungen der Tarifparteien aber anerkennen wolle, sagte Gerda Hasselfeldt, Chefin der CSU-Bundestagsfraktion. Der Deutsche Gewerkschaftsbund, der davon so überrascht wurde wie die Opposition, begrüßte ausdrücklich die Positionsänderung der Unions-Führung.

Kritische Stimmen auch in der Wirtschaft halten den Schwenk für eine Mogelpackung: Solange die Arbeitgeber mauern oder die Arbeitnehmer einer Branche schlecht organisiert sind, werde es für Niedrigverdiener dort keine Verbesserung geben. Ein Beispiel für die Problematik fixierter, aber faktisch unbezahlbarer Lohnuntergrenzen seien die vom Berufseinsteigern in der Friseurbranche. CDU-Chefin Merkel gelingt es aber offenbar, nach Atomausstieg, Wehrpflicht- und Hauptschul-Abschaffung der Opposition ein weiteres Kernthema zu entreißen. Auch wenn das die Konservativeren in der CDU nicht nur beim Parteitag stark fordern dürfte. Ihre Wahlchancen 2013 steigen aber nur so.

Österreich: Mindestlöhne werden nach Branchen erstellt

Einen gesetzlich garantierten Mindestlohn gibt es in Österreich nicht. Stattdessen verhandeln Gewerkschaften und Arbeitgeber für die einzelnen Branchen Kollektivverträge aus, in denen der Mindestlohn jeweils festgelegt wird. Grüne und der Österreichische Gewerkschaftsbund fordern dennoch die Einführung eines allgemein gültigen gesetzlichen Mindestlohns von 1300 Euro (brutto), das entspräche einem Brutto-Stundenlohn von 7,50 Euro. Einige Berufsgruppen in Österreich liegen deutlich darunter: Laut ihrem Kollektivvertrag verdienen etwa ausgelernte Friseurinnen 1145 Euro brutto.

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