Merkel-Vertrauter: "Wir sind am Rande des Scheiterns"

Merkel-Vertrauter: "Wir sind am Rande des Scheiterns"
Europa-Abgeordneter Elmar Brok fordert im Kampf gegen die Schuldenkrise einen neuen EU-Vertrag mit Biss.

Elmar Brok ist als enger Vertrauter von Bundeskanzlerin Angela Merkel ein politisches Schwergewicht im EU-Parlament. Der CDU-Abgeordnete verhandelt mit den Vertretern der Mitgliedsländer den Fiskalpakt.

Am Donnerstag wurde ein neuer Entwurf vorgelegt. Darin steht, dass nationale Schuldenbremsen verfassungsrechtlich verankert sein müssen. „Wir brauchen scharfe Regelungen, ein einfaches Gesetz genügt nicht“, sagt Brok. Beim EU-Gipfel am 30. Jänner in Brüssel wollen die Staats- und Regierungschefs den Fiskalpakt absegnen, im März soll er unter den 17 Euro-Staaten plus jenen, die sich anschließen wollen, unterzeichnet werden. Großbritannien lehnt den Vertrag ab.

KURIER: Ist der Fiskalpakt die Spaltung Europas?

Elmar Brok: Nein, 26 Länder wollen teilnehmen. Sie sollen auch bei den Euro-Gipfeltreffen dabei sein. Europa ist nicht gespalten, Großbritannien hat sich isoliert. Im neuen Vertrag steht auch, dass der Fiskalpakt in drei bis fünf Jahren in den Gemeinschaftsvertrag überführt wird. Bis dahin hat sich die ideologische Debatte mit den Briten erledigt.

Viele Abgeordnete sind mit dem Fiskalpakt unzufrieden. Warum?

Wir müssen in den Verhandlungen gleichwertig behandelt werden, wir haben ein Antrags- und Rederecht wie die Kollegen aus den Mitgliedsländern. Wenn das Europa-Parlament komplett dagegen wäre, wäre es auch viel schwieriger, den Vertrag in den nationalen Parlamenten zu ratifizieren. Wir sorgen dafür, dass für die Umsetzung des Fiskalpaktes Gemeinschaftsverfahren genutzt werden.

Wie stark sind die Sanktionen gegen Defizitsünder?

Der Europäische Gerichtshof wird mit Sicherheit den Vertrag überprüfen. Es ist noch offen, wer das Klagerecht wahrnehmen kann, die Kommission oder die Mitgliedsländer? Die Kommission erarbeitet eine Position, die den Vertragsbruch dokumentiert.

Ist Sparen der einzige Weg aus der Krise?

Keiner wird einen Vorteil haben, wenn wir alle bankrott sind. Wir sind am Rande des Scheiterns. Kein Land alleine kann überleben, wenn wir das Schuldenproblem nicht lösen. Man kann nicht permanent über Neuverschuldung die Zukunft planen. Wenn das nicht begriffen wird, ist Europa am Ende. Sparen ist ein Bedingung. Insgesamt braucht man drei Sachen: Die Länder müssen ihre Haushalte in Ordnung bringen; Strukturveränderungen, die Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität fördern; drittens Wachstum.

Was ist der Mehrwert des Fiskalpaktes, die Einhaltung der Maastricht-Kriterien ist jetzt schon vorgeschrieben?

Die Selbstverpflichtung der Staaten, die Schuldenbremse im Verfassungsrang zu verankern. Ein einfaches Gesetz ist nicht akzeptiert. Es muss dieses Signal geben. Die Einleitung des Defizitverfahrens ist viel leichter als bisher. Das Prinzip, eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus, gilt nicht mehr. Das Verfahren selbst ist ein Automatismus.

Standard & Poor’s hat den EU-Granden die Gelbe Karte gezeigt. Zu Recht?

Die Agentur sollte ihren Namen in Poor & Standard ändern. Italien zeigt, dass Fakten für die Ratingagentur keine Rolle spielen.

Sollte die Europäische Zentralbank zu einer europpäischen „Federal Reserve“ werden?

Nein, wo kommen wir hin, wenn wir die Gelddruck-Maschine anwerfen. Die EZB muss nicht mehr Rechte haben. Die EZB hat alle Rechte. Sie kauft auch Euro-Anleihen. Nicht in dem Umfang wie die Amerikaner, das würde in der Katastrophe enden.

Gibt es in den nächsten zwei, drei Jahren neue Euro-Mitglieder?

Ja, Polen arbeitet hart daran, auch Bulgarien.

Elmar Brok: EU-Politiker mit Biss

Biografie Geboren am 14. Mai 1946. Studium der Rechts- und Politikwissenschaft. Seit 1973 für die CDU tätig, seit 1980 EU-Abgeordneter, Mitglied des EVP-Vorstands. Einer der dienstältesten EU-Parlamentarier.

Kernaussage zur Krise „Keiner wird einen Vorteil haben, wenn wir alle bankrott sind. Kein Land kann alleine überleben, wenn wir das Schuldenproblem nicht lösen.“

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