Lohndumping: "Sie arbeiten wie Sklaven"

Lohndumping: "Sie arbeiten wie Sklaven"
Ost-Firmen am Bau und im Transport im Visier der Finanzpolizei.

Der Lohn: ein Viertel eines österreichischen Bauarbeiters. Die Schlafstätte: im Keller der Baustelle. Ein Teil der Arbeiter von osteuropäischen Firmen auf heimischen Baustellen hat ein hartes Los gezogen und regt sich dennoch selten auf. Denn der Lohn ist immer noch höher als zu Hause.Dem österreichischen Baugewerbe aber platzt jetzt der Kragen. Lohndumping, dubiose Billiganbieter aus dem EU-Osten, die sich illegaler Machenschaften bedienten und die österreichischen Unternehmer unterbieten, nehme dramatisch zu, beklagt Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk. Vor allem im Bau und im Transportwesen sei die Stimmung in Ost-Österreich inzwischen sehr schlecht, Aufträge gingen massiv an die ausländische Konkurrenz verloren.

Achtung: Kontrolle

Die Finanzpolizei hat sich daher heuer die Bekämpfung der illegalen Praktiken der Auslands-Bau- und Transportfirmen als Schwerpunkt vorgenommen. Allein in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres wurden 2566 Strafanträge gestellt und 31,68 Millionen Euro Strafen beantragt. Zum Vergleich: Von Jänner bis Ende Mai 2015 hat die Finanzpolizei 967 Strafanträge mit 3,17 Millionen Euro an Strafen verhängt.

Abschreckend wirkt das aber offenbar nicht. Denn in der Praxis ist die Eintreibung der Strafen schwierig. So seien etwa von den 1,1 Millionen Euro an Strafen, die Ost-Firmen im Bezirk Neusiedl im Vorjahr bezahlen hätten sollen, nur 2000 Euro eingetrieben worden, erzählt Klaus Sagmeister, Vizepräsident der Wirtschaftskammer Burgenland. Und von den 160 Strafverfahren seien 155 unerledigt.Sind die Gesetze also zahnlos? Die Finanzpolizei scheint es jedenfalls schwer zu haben. Die Zahl ihrer Mitarbeiter wurde um 30 auf 490 gekürzt. "Die Betrugsbekämpfung am Bau oder im Transportwesen ist aber äußerst aufwendig und kompliziert", sagt Wilfried Lehner, Leiter der Finanzpolizei.

Fälscherwerkstätten

Meist seien Dolmetscher nötig, viele Unterlagen, die die Unternehmer präsentierten, seien gefälscht. "Da arbeiten inzwischen ganze Werkstätten nur an der Fälschung der Dienstnehmerunterlagen", glaubt Lehner. Dass die Finanzpolizei dies erkenne, sei manchmal dem Zufall überlassen. "Wir haben einmal dieselben Rechtschreibfehler auf unterschiedlichen Unterlagen gefunden", beschreibt Lehner einen der Glückstreffer. Manches scheine im ersten Moment korrekt. Erst wenn ein Arbeitnehmer zur Polizei gehe, fliege der Fall auf: etwa wenn Beschäftigte regulär nach KV entlohnt, aber im Heimatland zur Rückzahlung von Lohnteilen gezwungen würden.Der extreme Preisdruck am Bau, der durch das Über-die-Grenze-Arbeiten der Ost-Firmen entstanden ist, könne jedenfalls mit legalen Mitteln nicht erreicht werden, sagt Walter Bornett, Direktor der KMU Forschung Austria. Dies belege nun auch eine Studie der TU Graz. Demnach sind Preisunterschiede bis zu zehn Prozent möglich, mehr aber nicht. Der Vorteil von Ost-Firmen ergebe sich aus den dort niedrigeren Lohnnebenkosten. Dies mache aber weniger als zehn Prozent aus.Hoffnung setzt das Baugewerbe in eine Verschärfung der Haftung 2017. Dann kann man auch private Auftraggeber bestrafen, wenn sie offensichtlich zu billige Firmen beschäftigen. Sie können von der Bauarbeiterurlaubs- und Abfertigungskasse (Buak) auf Zahlung von Löhnen geklagt werden. "Scherereien" sind jetzt schon möglich: etwa Sicherheitsleistungen bis zum behördlichen Zahlungsstopp.

Hintergrund

Österreichische Firmen

Die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (Buak) hat im Vorjahr 7238 Dienstnehmer inländischer Firmen kontrolliert. Bei 38 wurden Verstöße festgestellt. Das sind 0,52 Prozent der kontrollierten Dienstnehmer.

Ausländische Firmen

Von den ausländischen Bauunternehmen, die in Österreich arbeiteten, hat die Buag im Vorjahr 1481 Dienstnehmer kontrolliert. Dabei wurden 398 Verstöße festgegestellt. Das sind 26,87 Prozent der kontrollierten Arbeiter.

Entsendete Dienstnehmer

150.000 Ausländer, die von Auslandsfirmen angestellt sind, arbeiteten im Vorjahr in Österreich. Heuer dürften es 180.000 werden. Sie müssten nach KV entlohnt werden, Überstunden bezahlt bekommen und Arbeitszeiten einhalten.

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