Lehman Brothers: Teure und nutzlose Lektion

The Lehman Brothers headquarters in New York is seen September 10, 2008. Lehman Brothers Holdings Inc said it plans to sell a majority stake in its investment management unit and spin off commercial real estate assets, but failed to announce specific transactions and posted a third-quarter loss of $3.93 billion. REUTERS/Brendan McDermid (UNITED STATES)
Fünf Jahre später sind die Staaten nicht besser auf Großpleiten vorbereitet.

Zum Glück gibt es sie nicht allzu oft: Ereignisse, die die Grenzen des zuvor Denkunmöglichen verschieben. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 wissen wir, zu welcher Vernichtung Terroristen fähig sind. Und seit dem 15. September 2008 weiß die Welt, dass eine einzige Bank ausreicht, um das globale Finanzsystem umzuwerfen. Die Nachricht kam in Europa am Montag um 6.37 Uhr an: Nach 158 Jahren Geschäftstätigkeit ist Lehman Brothers, die viertgrößte US-Investmentbank, pleite.

Der 15. September markiert e nicht den Krisenbeginn: Die Immobilienblase war Anfang 2007 geplatzt. Was zunächst nur die USA selbst zu treffen schien. Später wurde klar, dass US-Institute das Risiko ihrer Schrottkredite mit undurchsichtigen Papieren breit gestreut hatten. Auch in Europa fingen sich Banken Milliardenverluste ein. Einige Häuser wandelten am Abgrund, aber noch nicht das Finanzsystem.

Das „schaffte“ erst Lehman. Zu dieser Zeit war die Wall Street bereits in Panik, die Pleitekandidaten standen Schlange: Bear Stearns, Merrill Lynch fanden in letzter Sekunde Käufer; die Bush-Regierung halste sich mit der Wieder-Verstaatlichung der Hypothekenriesen Fannie Mae und Freddie Mac am 8. September unabsehbare Kosten auf. Letzter Interessent für Lehman war die britische Barclay’s. Das ganze Wochenende über verhandelten Politiker und Manager verzweifelt. Ohne Garantie der US-Regierung wollte London den Deal aber nicht billigen.

Immer noch erpressbar

Washington blieb hart – man würde nicht jede Bank um jeden Preis retten, somit blieb nur die Lehman-Pleite. Eine teure Lektion. Zwei Tage später musste Washington den Groß-Versicherer AIG auffangen. Und in der Folge wurde weltweit fast jede noch so kleine Bank mit Steuergeld vor dem Untergang bewahrt.

Dass die Notenbanken sofort Milliarden in den Markt pumpten, verhinderte die globale Finanzkrise nicht. Die Banken fielen in Schockstarre. Wenn es Lehman trifft, kann es jeden treffen, war die Botschaft. Alle rüsteten sich fürs Schlimmste, stoppten jede Geld-Transaktion an andere Institute. Außer „Deutschlands dümmste Bank“: so nannte Bild die Aufbaubank KfW, die noch nach der Pleite 300 Millionen an Lehman Brothers überwies.Als Erstes riss es Banken die Füße weg, die auf Kurzfristkredite angewiesen waren – in Österreich etwa der Constantia Privatbank und der Kommunalkredit. Später gerieten die Hypo Kärnten und Volksbanken AG in Schwierigkeiten. Die Krise spülte etliche Skandale ans Tageslicht – von Hypo über Meinl, Immofinanz bis zum Telekom-Komplex.

Wo stehen wir fünf Jahre nach Lehman?

Die Realwirtschaft hat sich noch nicht völlig erholt. Die EU erreicht 2013 erst 98 Prozent der Wirtschaftsleistung von 2008 – die USA sind bei 106 Prozent. Strengere Regeln sollen den Finanzsektor sicherer machen: Banken brauchen mehr Eigenkapital und Liquidität, die EU schmiedet eine Bankenunion und will ein Regelwerk zur Zerschlagung. Und dennoch: „Wir wären gegen eine Kettenreaktion kaum besser geschützt als vor fünf Jahren“, sagt Andreas Dombret, Vorstand der Deutschen Bundesbank. „Wir hätten die Instrumente noch nicht in Händen, um Banken weltweit wirkungsvoll abzuwickeln.“ Heißt im Klartext: Internationale Großbanken können die Staaten weiterhin erpressen.

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