Kürzung der EU-Gelder hätte "dramatische" Folgen

Kürzung der EU-Gelder hätte "dramatische" Folgen
Bauernbundpräsident Jakob Auer rechnet beim Streit ums EU-Geld mit kräftiger Hilfe auch durch die SPÖ.

KURIER: Im Jahr 1995 gab es 239.000 landwirtschaftliche Betriebe. 2010 waren es nur mehr 173.000. Wird sich dieser Trend fortsetzen?
Jakob Auer: Es wird täglich durch Infrastrukturmaßnahmen wie Wohnbau oder Straßenbau ein Bauernhof verbetoniert. Außerdem schreitet die Technisierung rapide voran. Die kleineren Betriebe mit ein paar Hektar hören wegen der Produktionsbedingungen auf. Es wächst die durchschnittliche Größe der Betriebe, aber deren Zahl nimmt ab. Das ist bedauerlich, wird sich aber fortsetzen.

Ab welcher Betriebsgröße kann ein landwirtschaftlicher Betrieb überleben?
Das ist eine Frage der Kostenstruktur. Es gibt kleinere Betriebe, die die Kosten im Griff haben und es gibt größere, die die Kosten nicht im Griff haben. Für den Getreideanbau braucht man deutlich mehr Fläche als für Viehzucht oder Weinbau.

Derzeit wird über eine Kürzung des EU-Landwirtschaftsbudgets verhandelt. Welche Folgen hätte das für die österreichische Landwirtschaft?
Dramatische. Dazu gibt es eine Umfrage. Wenn die Ausgleichszahlungen um 25 Prozent gekappt werden, wäre die Existenz von 50 Prozent der Bauern gefährdet. Es ist gelungen, dem Herrn Vizekanzler Spindelegger und dem Herrn Bundeskanzler Faymann den Ernst der Lage klarzumachen. Ich registriere durchaus dankbar, das man die ländliche Entwicklung ganz oben auf die Prioritätenliste gesetzt hat. 2011 sind 128 Millionen Euro an nichtbäuerliche Bereiche geflossen. In der Öffentlichkeit entsteht immer der falsche Eindruck, nur die Bauern seien Förderempfänger. Davon profitiert etwa auch der Tourismus und der Naturschutz und letztendlich die gesamte Gesellschaft.

Was kann man dagegen tun, dass immer weniger Flächen für die Landwirtschaft nutzbar sind?
Man sollte stärker auf die Revitalisierung bestehender Objekte setzen, statt auf die grüne Wiese zu bauen. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir den Flächenverbrauch reduzieren. Da sind wir alle gefordert.

Viele glauben immer noch, dass die Bauern für mehr Produktion auch mehr Förderungen bekommen.
Mitnichten. Förderungen und Produktion sind schon lange entkoppelt. Für Umweltleistungen bekommt der Bauer eine Bezahlung. Da muss man dann auch auf die Fläche Rücksicht nehmen.

Gehen sie davon aus, dass SPÖ und ÖVP bei den EU-Budgetverhandlungen voll hinter den Bauern stehen?
Ich halte fest, dass auch Bundeskanzler Faymann ein klares Bekenntnis dazu abgegeben hat, wie wichtig die Bergbauerngebiete oder die Biolandwirtschaft sind.

Derzeit ist Österreich bei den wichtigsten landwirtschaftlichen Produkten noch Selbstversorger. Wird das auch in Zukunft so sein?
Für Österreich glaube ich das schon, weil die Bevölkerungszahl nicht so stark steigen wird. Die Weltbevölkerung wächst jedes Jahr um 80 Millionen. Der Verbrauch von pflanzlichen Fetten und Fleisch wird entsprechend steigen. In Österreich kann man die Produktivität nur begrenzt steigern. Das ist eine Frage der Preise und der Marktsteuerung.

Es gab Kritik, weil landwirtschaftliche Produkte nicht nur für Lebensmittel, sondern auch für Biosprit verwendet werden.
Da sieht man die Schizophrenie. Zuerst verlangt die EU-Kommission, dass man Biosprit beimengt. Dann gibt es eine Kampagne und man fällt um. Aufgrund von Ernte- und Wetterbedingungen gibt es auch mindere Qualitäten. Aber jeder Bäcker verlangt die beste Qualität. Da wäre man froh, wenn man es verwerten könnte. Es wird auch vergessen, dass bei der Biospriterzeugung eine nicht so geringe Menge an Substitutionsprodukten anfällt, die für die Tierfütterung verwendet werden können. Das verbessert die Klimabilanz, weil weniger Sojaschrot importiert werden muss.

Sie sind seit einem Jahr Präsident des Bauernbundes. Eine Funktion, die Ihren Erwartungen entspricht?
Ich habe seither ein deutlich verschärftes Arbeitspensum. Es freut mich, dass es gelungen ist, das Klima in der Koalition beim Thema Landwirtschaft zu verbessern.

Zur Person

Laufbahn Im Nationalrat ist Jakob Auer kein Unbekannter. Seit 1986 vertritt er dort die Interessen seiner Wähler. Geboren in Kirchberg in Tirol wohnt der Familienvater seit vielen Jahren in Fischlham in Oberösterreich. Auer war von 1977 bis 2009 Bürgermeister dieser Gemeinde. Seine Gattin und ein Sohn bewirtschaften dort einen landwirtschaftlichen Schweinemastbetrieb. Beim Bauernbund ist Auer schon lang aktiv. Seit 11.November 2011 ist er amtsführender Präsident der ÖVP-Teilorganisation. Sein Vorgänger Fritz Grillitsch war zurückgetreten.

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