Krankenkasse zu teuren Medikamenten: Raubrittertum
Scharfe Worte im Streit um die Pharma-Preise findet die Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK), Ingrid Reischl: Sie sprach am Donnerstag von "modernem Raubrittertum". Der heimischen Sozialversicherung drohe bis 2018 eine Lücke von rund einer Milliarde Euro, warnte sie.
"Wir haben kein Mengen-, sondern ein Preisproblem", versicherte Reischl. Heilmittel würden inzwischen einen "ganz gewaltigen Ausgabebrocken" darstellen. 3,2 Mrd. Euro wurden 2014 bundesweit von den Sozialversicherungen dafür aufgewendet. In Wien seien es 634 Mio. Euro gewesen. 2015 drohe ein Anstieg in Österreich um 7,23 Prozent.
"Diese Dimensionen kann von einer Sozialversicherung nicht mehr getragen werden"
Das Problem liege klar an den teuren Medikamenten. Die Kosten etwa bei der Behandlung von Hepatitis C würden angesichts eines neuen hochpreisigen Präparates (der KURIER berichtete) an Raubrittertum grenzen. Auch Krebsmedikamente und ein neuer Cholesterinsenker würden sich negativ auswirken, berichtete die WGKK-Chefin. Vor allem letzterer sei eine Gefahr: "Wenn extrem überteuerte Medikamente für Volkskrankheiten eingesetzt werden, ist klar, dass diese Dimensionen von einer Sozialversicherung nicht mehr getragen werden können."
Rabattgesetz nur ein erster Schritt
Das in Begutachtung befindliche Rabattgesetz sei ein "Schritt in die richtige Richtung", stellte sie klar. Weitere müssten aber nun folgen. Fatal sei auch, dass Preisverhandlungen zum Teil nicht mehr stattfinden. Pharmafirmen verzichten immer öfter darauf, eine Aufnahme in den sogenannten Erstattungskodex (EKO) zu beantragen, wie Edith Brandner, die Leiterin der Abteilung Medizinische Behandlungsökonomie in der WGKK, ausführte. Der Kodex umfasst jene Medikamente, die grundsätzlich von der Sozialversicherung bezahlt würden.
Heilmittel, deren Verwendung medizinisch notwendig sind, würden jedoch auch finanziert, wenn sie nicht im EKO enthalten sind. 2014 hat die Krankenversicherung österreichweit rund 256 Mio. Euro für Medikamente aufgewendet, die nicht dort gelistet waren - Tendenz steigend, wie heute versichert wurde.
Lösungsvorschlag: Pflicht zur günstigsten Alternative
Die Wiener Kasse hat eine Reihe von Vorschlägen parat, um das Problem der vermuteten "willkürlichen" Preisbildung zu lösen. Propagiert wird etwa die verpflichtende ökonomische Verschreibung, wie es sie in anderen Ländern bereits gibt. Sie sieht die Abgabe der jeweils kostengünstigsten wirkstoffidenten Alternative in Apotheken vor. Auch ein Überdenken der oft sehr langen Arzneimittelpatente sei nötig, hieß es. Außerdem sollten teure Mittel nur in Fachambulanzen oder Spitälern abgegeben werden dürfen.
Pharmawirtschaft wehrt sich: "Fantasiezahlen"
Die Pharmawirtschaft wehrte sich am Donnerstag gegen den Vorwurf des " Raubrittertums". Es handle sich um "Fantasiezahlen", die "unsachgemäß" und "bewusst irreführend" seien, ließ die Geschäftsführerin des Fachverbandes der chemischen Industrie, Sylvia Hofinger, wissen. Die Steigerungsraten bei den Medikamentenkosten liegen ihrer Rechnung nach im Gesamtjahr bei knapp fünf Prozent und nicht bei mehr als sieben Prozent.
"Es gilt vielmehr die Krankenkassen bei ihren Ausgaben in die Pflicht zu nehmen. Denn Zwangsrabattierungen können keine Budgetlöcher stopfen", betonte Hofinger. Die Budgetlücke in Höhe von einer Milliarde Euro, vor der WGKK-Obfrau Ingrid Reischl heute warnte, könne nicht auf die Pharmawirtschaft zurückgeführt werden, vielmehr seien die eigenen Einrichtungen und Verwaltungskosten verantwortlich.
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