Konjunktur hängt in Warteschleife

APA10724192-2 - 20122012 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA 180 WI - Wifo-Chef Karl Aiginger (L.) und IHS-Chef Christian Keuschnigg während einer Pressekonferenz zum Thema "Konjunkturprognose 2013 und 2014" am Donnerstag, 20. Dezember 2012, in Wien. APA-FOTO: ROBERT JAEGER
Arbeitslosigkeit steigt, Wachstum nur 0,4 bis 0,6 Prozent, Reformstau belastet.

Letztes Jahr war konjunkturell gesehen schon kein Brüller, aber heuer bremst sich das Wachstum noch einmal auf die Hälfte ein. Stieg die Wirtschaftsleistung Österreichs im Vorjahr wenigstens noch um 0,8 Prozent, so sind heuer laut WIFO und IHS nur noch 0,4 bis maximal 0,6 Prozent drin. Mit all den Folgen, die solch eine De-Facto-Stagnation mit sich bringt: Geringere Steuereinnahmen, steigende Arbeitslosigkeit und eine allgemeine Verunsicherung, die Konsum und Investitionen nicht und nicht anspringen lässt.

Die Experten, allen voran WIFO-Chef Karl Aiginger und IHS-Chef Christian Keuschnigg, trösten sich und die Politik mit der Aussicht auf ein wesentlich besseres Jahr 2014. Der dringend ersehnte Aufschwung wurde zwar schon mehrfach angekündigt, doch im kommenden Jahr soll es dann endlich so weit sein. Ein Wachstum um 1,6 bis 1,8 Prozent werde sich ausgehen. Das ist noch immer zu wenig, um die Arbeitslosigkeit sinken zu lassen, aber beispielsweise genug, um das Nulldefizit im Jahr 2016 zu schaffen.

Optimismus

Die Experten begründen ihre optimistische Sicht mit der Erholung in den Euro-Krisenländern von Spanien bis Griechenland und vor allem mit den teils kräftigen Wachstumsraten im Welthandel, von denen die kleine Exportnation Österreich und Europas Wachstumslok Deutschland profitieren sollten. Heuer lässt freilich auch Deutschland aus: Das Wachstum der Nachbarn dürfte 0,2 Prozent nicht übersteigen.

In beiden Ländern wird im September gewählt. Was Österreich betrifft, fordern Aiginger und Keuschnigg eine Auflösung des Reformstaus. Die neue Regierung müsse einen Pfad für die nächsten Jahre definieren und endlich „pro Zukunft und contra Bürokratie“ agieren, sagte Aiginger. Zuletzt seien die Zukunftsinvestitionen in Forschung und Bildung sträflich vernachlässigt worden.

Aiginger und Keuschnigg betonen dabei die überwältigende Bedeutung einer Bildungsreform. „Wenn 25 Prozent der Jugendlichen nicht sinnerfassend lesen können, dann hat das Bildungssystem versagt“, meint der WIFO-Chef. Ohne Bildung und Qualifikation, sprich ohne Fachkräfte und eine ausreichend hohe Absolventenzahl etwa technischer Studien seien Österreichs Standortattraktivität und Wettbewerbsfähigkeit gefährdet.

Keine Lohnzuwächse

Auf den Löhnen lasten die „drei Räuber“ Steuern, Inflation und der Anstieg der Teilzeitjobs. Von den hohen Lohnabschlüssen im letzten Herbst von jenseits der drei Prozent bleibt damit unterm Strich nichts über. Die Reallöhne stagnieren, und das schon seit fünf Jahren. Entsprechend flau entwickelt sich der private Konsum.

Und noch ein Thema stößt den Experten sauer auf: die Inflation. Zwar sinkt die Teuerung heuer auf 2,2 Prozent und 2,0 Prozent im kommenden Jahr. Von einer Hyperinflation durch die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank könne also keine Rede sein. Dennoch liege das heimische Teuerungsniveau deutlich über jenem Deutschlands und anderer europäischer Länder und dafür seien weder Lebensmittel- noch Benzinpreise verantwortlich. Sondern steigende Gebühren der öffentlichen Hand – vom Rauchfangkehrer übers Parkpickerl bis zur Maut. Aiginger fordert den öffentlichen Sektor zur Mäßigung auf: „Das Budget sollte über Einsparungen und nicht über höhere Gebühren saniert werden.“

Das Konjunkturpaket steht symptomatisch für den Wirtschaftskurs dieser Bundesregierung: spät, klein, inhaltlich fragwürdig.

Dass man für den Wohnbau, die Pflege oder die Familien etwas tun sollte, ist weder eine neue Erkenntnis, noch kann sie mit der Alpine-Pleite zu tun haben. Aber das Paket ist ohnehin so klein ausgefallen, dass es weder budgetär ins Gewicht fällt und die Staatssanierung gefährdet, noch die Konjunktur beflügelt. Ein Aufschwung kann nicht im Inland erzeugt werden, sondern nur über die Gesundung Europas gelingen.

Ganz sinnlos ist das Konjunkturpaket aber trotzdem nicht. Es hat eine psychologisch positive Wirkung, weil die Politiker überhaupt etwas tun. Daran ist freilich die nahende Nationalratswahl schuld. Wie schade, dass der Eifer immer erst so spät und kurz vor dem Urnengang ausbricht, und bald danach wieder erlahmt. Dabei stünden von der Verwaltungs- über die Bildungs- bis zur Steuerreform genügend Großbaustellen zur Verfügung, um sich ordentlich auszutoben.

Trotz Konjunkturerholung in den USA, Japan und Teilen Südostasiens sowie Südamerikas bleibt die Wirtschaftsentwicklung in Europa - vor allem im Euroraum - besonders schwach, stellte das Wifo am Freitag fest. Belastet werde die Konjunktur in der Eurozone durch eine starke Einschränkung der öffentlichen Nachfrage in etlichen EU-Ländern gleichzeitig, die steigende Arbeitslosigkeit, eine gehemmte Kreditvergabe und die Flaute des Welthandels.

USA

Die Wirtschaft in den USA ist zu Jahresbeginn schwächer gewachsen als gedacht. Im ersten Quartal von Jänner bis März legte das BIP der weltweit größten Volkswirtschaft mit einer hochgerechneten Jahresrate von 1,8 Prozent zu, hieß es am Mittwoch. Den Daten zufolge wurde das Wachstum besonders stark vom privaten Verbrauch gestützt. Die Wohnbauinvestitionen stützten das Wachstum, weil der einst krisengeschüttelte Immobilienmarkt seine Erholung fortsetzte.

Brasilien

Experten trauen dem von Massen-Protesten erschütterten Brasilien ein geringeres Wachstum zu. Die Wirtschaftsleistung dürfte in diesem Jahr um 2,46 Prozent zulegen, teilte die Notenbank am Montag mit. Im kommenden Jahr seien plus 3,1 Prozent in Sicht. Die Stimmung bei den Konsumenten im größten südamerikanischen Land trübte sich zuletzt angesichts der Massen-Proteste ein, der Index für das Verbrauchervertrauen fiel auf den niedrigsten Stand seit mehr als drei Jahren.

Japan

Die Flut billigen Geldes trägt in Japan erste Früchte. Im Mai stagnierten die Verbraucherpreise, wie Regierungsdaten von Freitag zeigten. Es war das erste Mal seit sieben Monaten, dass die Preise nicht fielen. Die stagnierenden Preise sind ein Erfolg für die weltweit drittgrößte Volkswirtschaft, denn die Deflation hält das Land seit zwei Jahrzehnten im Bann. Die japanische Notenbank hat es sich zum Ziel gesetzt, eine Inflation von zwei Prozent zu erreichen. Auch der Arbeitsmarkt und die Industrie sorgten für gute Nachrichten und zeigten damit, dass die Wachstumsimpulse

Frankreich

Frankreichs Schuldenberg ist im ersten Quartal deutlich gewachsen. Er stieg um 36,5 Milliarden auf 1,87 Billionen Euro, wie das Statistikamt Insee am Freitag in Paris mitteilte. Frankreich steckt in einer Rezession und kämpft gegen eine Rekordarbeitslosigkeit. Der Internationale Währungsfonds geht davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 0,2 Prozent schrumpfen wird.

Deutschland

Trotz der Flutkatastrophe rechnet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung im zweiten Quartal mit dem kräftigsten Wachstum seit mehr als einem Jahr. Das Bruttoinlandsprodukt werde von April bis Juni um gut 0,5 Prozent zulegen, wie das DIW am Mittwoch mitteilte. Ein Plus in dieser Größenordnung gab es zuletzt Anfang 2012 mit 0,6 Prozent. Im ersten Quartal 2013 hatte es nur zu einem Mini-Plus von 0,1 Prozent gereicht.

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