Kioto: Klimadesaster erstmals offiziell

Die Kioto-Verfehlung ist jetzt "amtlich", Österreich erreicht sein Klimaziel nicht. Nachzahlungen von rund einer halben Milliarde Euro stehen an.

Seit Jahren wird die heimische Politik nicht müde zu beteuern, dass die Chance Österreichs, die Kioto-Klimaziele zu erreichen, zwar klein, aber immer noch am Leben sei. Auch die zuständigen Experten auf Beamten-Ebene waren stets auf Linie und wiederholten ähnlich zweckoptimistische Stehsätze.

Diesen Maulkorb legt Jürgen Schneider vom Umweltbundesamt nun ab. Der Klimaexperte redet Tacheles: "Wir schaffen die Kioto-Ziele nicht, da fährt die Eisenbahn drüber." Zur Erinnerung: 2005 trat das internationale Kioto-Protokoll in Kraft, bei dem sich Österreich verpflichtet hatte, seinen CO2-Ausstoß bis 2012 deutlich zu senken - konkret um 13 Prozent unter das Basisjahr 1990, also auf 68,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent.

Von diesem Ziel ist Österreich aber weit entfernt. 2009 (neuere Zahlen liegen noch nicht vor, Anm.), im zweiten Jahr der fünfjährigen Durchrechnungsperiode bis 2012, emittierte Österreich 80,1 Millionen Tonnen CO2. Die heimische Klimabilanz wird zwar mit sogenannten flexiblen Mechanismen (Klimawirksame Projekte im Ausland werden finanziert. Dies wird auf der heimischen Bilanz gutgeschrieben, Anm.) aufgebessert, eine Lücke von insgesamt fünf Millionen Tonnen blieb 2009 dennoch. Da Maßnahmen, die den heimischen Treibhausgas-Ausstoß eklatant sinken lassen würden, nicht in Sicht seien, werde sich dieser Fehlbetrag bis 2012 auf rund 30 Millionen Tonnen CO2 aufsummieren, erläutert Schneider.

Kosten

Dafür wird die Republik geradestehen müssen. Wie teuer dies dem Steuerzahler letztendlich kommen werde, sei derzeit nicht wirklich darstellbar, sagt Schneider, da sich die Preise für Verschmutzungs-Zertifikate ständig ändern. Zieht man den aktuellen Preis heran, ergibt sich eine Summe von knapp 500 Millionen Euro. Rechnet man die Kosten für die Finanzierung der flexiblen Mechanismen hinzu, erhöht sich die Zahl auf rund eine Milliarde Euro. Man müsse sich nun schleunigst ein Konzept ausarbeiten, wann welche Mengen an Zertifikaten zugekauft werden, appelliert der Klimaexperte in Richtung Umwelt- und Finanzministerium.

Ausblick

Wegen der Verfehlung der Kioto-Ziele die Klima-Flinte ins Korn zu werfen, sei aber nicht zweckdienlich. Denn Österreich habe auch auf EU-Ebene Klimavorgaben bis 2020 zu erfüllen. "Da sind wir auch nicht auf Schiene", sagt Schneider. Man habe es aber in der Hand, diese Ziele ohne Zertifikats-Zukäufe aus dem Ausland zu erreichen, die Zeit sei ausreichend. Der Experte führt das zuletzt beschlossene, neue Ökostromgesetz als positives Beispiel an.

Ansetzten könnte man beispielsweise auch bei der Raumwärme - Stichwort: thermische Sanierung. Auch im Verkehr gebe es Potenzial. Mit einer Mineralölsteuer-Anhebung, die den Spritpreis auf deutsches Niveau erhöht, könne man die Hälfte des Tanktourismus eliminieren.

Expertenbeirat: Vakuum im Klimafonds

Vier Jahre lang stand ein Expertenbeirat rund um die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb und den WIFO-Energieexperten Jürgen Schleicher der Geschäftsführung und dem Präsidium des Klimafonds mit Rat und Tat zur Seite. Anfang Juli endete die Funktionsperiode - eine Nachbesetzung des per Gesetz verankerten Beirats lässt aber auf sich warten.
Waren die Experten den Eigentümervertretern (Umwelt- und Infrastrukturministerium) gar zu kritisch? Schon der letzte Rechnungshofbericht ließ durchklingen, dass der Klimafonds, gelinde gesagt, effizienter arbeiten könnte.
Dem Vernehmen nach wird in Eigentümer-Kreisen über die gänzliche Streichung des Expertenbeirats nachgedacht. "Ein Gerücht", heißt es aus dem Umweltministerium. Das Präsidium werde über den Sommer ein neues Gremium bestellen. Auch Klimafonds-Geschäftsführerin Theresia Vogel versichert: "Die Gespräche über eine Nachbesetzung laufen."

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