KI-Pionier Hochreiter: „Wir wollen Künstliche Intelligenz industrialisieren“
Sepp Hochreiter zählt zu den Wegbereitern von Künstlicher Intelligenz (KI). Mit einer von ihm entwickelten Technologie, die Systemen hinter Modellen wie ChatGPT um nichts nachstehen soll, will er industrielle Anwendungen für KI entwickeln.
Dazu hat er Anfang des Jahres gemeinsam mit dem Industriellen Stefan Pierer die Firma NXAI gegründet. Der KURIER hat mit Hochreiter am Rande der Veranstaltung SAP Now über die Akzeptanz der Technologie und ihren Einsatz in Unternehmen gesprochen.
KURIER: In welcher Phase stehen wir bei Künstlicher Intelligenz?
Sepp Hochreiter: Dort, wo wir standen, ehe der Computer gekommen ist. Viele Firmen haben sich gefragt, ob sie das überhaupt brauchen. Jetzt sind Computer aus Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Künstliche Intelligenz macht viele Sachen einfacher und effizienter. Nach der Grundlagenforschung und der Entwicklung der großen Modelle, die etwa hinter ChatGPT stehen, tritt KI jetzt in die Phase der Industrialisierung.
Sie haben mit xLSTM eine Technologie entwickelt, die besser und schneller sein soll als jene, auf denen gängigen Sprachmodelle, wie ChatGPT, basieren. Was macht sie besser?
Sie ist schneller und braucht weniger Energie und weniger Rechenleistung. Man kann xLSTM in Sprachmodellen einsetzen, wir möchten sie aber für industrielle Anwendungen nutzen.
Dazu haben Sie die Firma NXAI gegründet. Was machen Sie konkret?
Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, Künstliche Intelligenz für die Industrie zu bauen. Wir wollen KI industrialisieren und sie zur Simulation von Maschinen oder Prozessen nutzen, um Abläufe zu optimieren. Wenn ich eine Maschine konstruiere, kann ich ganz viele Parameter simulieren. Ich sehe sehr schnell, was besser ist. Traditionelle Methoden stoßen dabei an ihre Grenzen. Mit KI können wir einen Schritt weiter gehen.
Sie suchen gerade Investoren. Der Finanzbedarf liegt bei rund 100 Mio. Euro. Wie schwer ist es, in Europa so viel Geld zu bekommen?
Es gibt sehr großes Interesse von US-Unternehmen. Sie wollen unbedingt investieren. Aber es gibt auch viele europäische Investoren, die interessiert sind. Wir müssen aufpassen, dass nicht alles in die USA geht. Beim französischen KI-Unternehmen Mistral sind ausschließlich amerikanische Investoren eingestiegen.
Ist Österreich ein guter Standort für Unternehmen und Forscher im KI-Bereich?
Wenn es darum geht, wie die neue Technologie angenommen wird und wie schnell sie von den Firmen angewandt wird, ist Österreich eher vorsichtig. In der Grundlagenforschung stehen wir supergut da.
Was fehlt?
Die Geschwindigkeiten in der KI sind andere. Es gibt Entwicklungen, die werden innerhalb von zwei Monaten integriert. Wir brauchen ein KI-Institut, in dem Firmen und Forscher zusammenarbeiten. So etwas gibt es etwa in Amsterdam. Dort bezahlen Firmen Forschungslabore an der Uni, das bringt Forscher und Unternehmen zusammen. Es fehlt in Österreich auch an Infrastruktur, etwa an Rechenleistung.
Künstliche Intelligenz sei heute überall. Sie komme beim Schreiben von Texten ebenso zum Einsatz wie in der Produktion in der Industrie oder bei Diagnosen im Krankenhaus. Sie könne auch bei der Bewältigung der großen Aufgaben der Menschheit vom Klimawandel bis zur Gesundheit helfen, sagte der KI-Forscher Sepp Hochreiter am Mittwoch auf der vom Softwarekonzern SAP veranstalteten Hausmesse SAP Now in der Wiener Markthalle. Von der neuen Technologie profitiere vor allem die Produktivität. In Österreich seien bis 2035 Steigerungen von bis zu 30 Prozent möglich.
Auch SAP setzt die Technologie bei seiner Unternehmenssoftware bereits breitflächig ein. An die 100 Lösungen sind bereits integriert. Es gebe unzählige Anwendungsfälle von denen Unternehmen profitieren könnten, sagte Christina Wilfinger, Geschäftsführerin von SAP in Österreich. Die Wirtschaft brauche aber den Mut, Dinge auch zu tun.
Als Sie gestartet sind, war von einem österreichischen ChatGPT-Konkurrenten die Rede.
Wir werden solche Modelle bauen, aber sie dann unter eine Open-Source-Lizenz stellen und uns von der Community helfen lassen. Prozesse zu optimieren, bringt Firmen viel mehr als ein Sprachmodell. Dafür sind sie auch bereit, großes Geld zu bezahlen.
Wo sehen Sie die Hürden beim Einsatz in Firmen?
Viele Unternehmen müssen erst einmal anfangen, die Technologie zu verstehen. Viele haben auch gar keine Daten. Die müssen sie erst sammeln. Andere haben viele Daten und wissen nicht, was sie damit alles machen können.
Wie lange wird die Umstellung dauern?
Es wird Firmen geben, bei denen sich in zwei Jahren viel ändern wird. Bei anderen wirds länger dauern.
Die EU hat vor Kurzem mit dem AI Act die erste Regulierung der Technologie weltweit beschlossen. Wie sind Sie davon betroffen?
Man muss aufpassen, dass nicht überreguliert wird und europäische Firmen nicht geknebelt werden. Sonst kann es passieren, dass sie vielleicht besser sind als US-Lösungen, aber nicht auf den Markt dürfen, weil sie irgendwelche Regeln nicht eingehalten haben.
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