"Wirtschaftliche Teilhabe: 116. Platz"

"Wirtschaftliche Teilhabe: 116. Platz"
Grüne Frauensprecherin Judith Schwentner: Frauen werden weniger wertvoll eingeschätzt und nicht ermutigt.

Kaum Beachtung fand der Global Gender Gap Report 2011 des World Economic Forum, veröffentlicht am 1. November. Darin werden alle Länder im Hinblick auf die Gleichstellung zwischen Frauen und Männern gereiht. Österreich liegt auf Platz 34.

KURIER: Würden Sie lieber in Island leben?
Was Gleichstellung anbelangt, ja. Aber nicht nur Island ist top, insgesamt haben die Skandinavier weniger Barrieren. Wir schauen immer wieder dorthin, weil die es einfach besser machen. Beispiel: die Quote in den Aufsichtsräten.

Die Skandinavier sind vorn. Sogar die Iren sind auf Platz 5. Österreich hat sich vom 37. Rang auf 34 zumindest verbessert. Pokal holen wir aber noch lange keinen.
Zu Irland: Da darf man sich nicht täuschen lassen. Die Studie basiert auf länderinternen Vergleichen. Es werden die Kriterien innerhalb des Landes herangezogen, es geht um die Gleichstellung zwischen Mann und Frau, nicht um eine generelle wirtschaftliche oder gesellschaftspolitische Einschätzung. Das ist irritierend, weil wir in einigen Kategorien in vermeintlich eigenartiger Nachbarschaft sind. Aber man muss schon den Mut haben, ernst zu nehmen, dass es hier Handlungsbedarf gibt.

Wird es tatsächlich besser? Doch kein Backlash?
Jein. Wir haben uns in Bereichen verbessert, wo wir ohnehin gut waren, etwa Gesundheit. Im Bildungsbereich fällt besonders auf, dass wir im Sekundarbereich sehr schlecht abschneiden. Wie auch im Bereich wirtschaftliche Teilhabe - da sind wir nur 116ter. Ich sehe diese beiden Kategorien in unmittelbarer Verbindung.

Gerade bei der wirtschaftlichen Teilhabe schaffen wir keine signifikanten Verbesserungen. Warum?

Das hat viel mit dem Bildungssystem zu tun. Dort, wo die Berufsentscheidungen gefällt werden, geht erstmals die Schere auf. Da entscheiden sich Mädchen für weniger chancenreiche Berufe, da gibt es in den berufsbildenden Schulen etwa ganz wenig Durchmischung.

Weltweit gibt es nur 19 Länder, in denen die Einkommenskluft zwischen Frauen und Männern noch größer ist. Wer hält hier dagegen?
Frauen werden im Beruf offenbar immer noch weniger wertvoll eingeschätzt. Das ist eine gesellschaftliche Befindlichkeit. Und drückt sich in den 18 unerklärlichen Prozent aus, die Frauen weniger verdienen.

Heuer gab es Beschlüsse, die es hier besser machen sollen: Offenlegung der Einkommensberichte in Firmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern, Gehaltsangaben in Jobinseraten, einen Online-Gehaltsrechner. Hilft das?

Das Positive daran ist, dass alle diese Maßnahmen sensibilisieren und Bewusstseinsarbeit sind. Mir geht das aber zu wenig weit. Bei den Einkommensberichten trifft das jetzt gerade mal 200 Betriebe. Die Gehaltsangaben in Inseraten sind höchstens ein Richtwert - dass dieses Gesetz bisher beflissentlich ignoriert wurde, ist ein Witz. Der Gehaltsrechner ist ein bisschen ein gefährliches Spielzeug. Er ist in manchen Bereichen nicht genau, kann sogar irreführen.

Zurück zur Bildung: Bei den Uni-Absolventen gibt es mehr Frauen als Männer. Und im Berufsleben hinken Frauen in allen Branchen hinterher. Was läuft schief?
Die Gesellschaft gibt ihnen zu wenige Möglichkeiten, ihre Ausbildung zu nutzen. Bei den Möglichkeiten zum Karriereaufstieg, mit den Barrieren, die sich durch das Umfeld und die Familienbedingungen ergeben. Das ist immer eine Kombination von vielen Gründen: Inwieweit fühlen sich Frauen ermutigt, nach vorne zu gehen? Was trauen sie sich zu?

Sie selbst haben die Chancen wahrgenommen. Selbstverständlich? Schwierig?
Ich bin geprägt von einer sehr engagierten Mutter. Es war für mich also selbstverständlich. Ich wurde unterstützt von meinem familiären Umfeld. Ich konnte viel machen, trotz zweier Kinder.

Wie kann man die Zahlen und die Realität verändern?
Es braucht viel mehr Maßnahmen im Bildungsbereich in Richtung Geschlechtersensibilität. Der Gendergap geht ganz früh auf, da muss man schon in der Volksschule früh einwirken. Mit Pädagogen, die das können.

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