Van der Bellen: Die langfristige Perspektive fehlt

Van der Bellen: Die langfristige Perspektive fehlt
Alexander Van der Bellen über seine Studie „Forschungsstandort Wien“ – und warum es hier an Exzellenz mangelt.

Alexander Van der Bellen hat eine Studie in Auftrag gegeben, die den Forschungsstandort Wien untersucht. Der Nationalratsabgeordnete und Beauftragter der Stadt Wien für Universitäten und Forschung im Gespräch.

KURIER: Bei der Vorstellung der Studie wurden Sie vergangene Woche  von protestierenden Studierenden "überfallen". Sie haben sich dann 40 Minuten mit den Studierenden zusammengesetzt und geredet. Wie oft passiert Ihnen so etwas?

Alexander Van der Bellen: Nicht allzu oft, ich habe eher mit Absolventen zu tun. Meistens zu einem Sachthema, aber auch, was das Bildungssystem insgesamt betrifft.

Was haben Sie von den Studierenden mitgenommen, die für ihr Fach Internationale Entwicklung kämpfen?

Mich hat das Engagement und der leidenschaftliche Einsatz beeindruckt. Der wird aber mitgetragen von einer etwas romantischen Einstellung – und ich  meine das ganz freundlich.

Zu Ihrer Studie über "Wiener Karrieren": Wie international sind Forscher hier?

Es hat sich bestätigt, dass eine hohe wissenschaftliche  Produktivität stark mit räumlicher Mobilität korreliert. Wenn jemand international  wahrgenommen wird, wird er auch mobil. Und umgekehrt. Die Studierenden sind mobiler geworden, auch die Dissertanten, Post-Docs und Professoren. Was mich überrascht hat:  Mehr als 50 Prozent der ausländischen  Promovenden kommen aus MINT-Fächern. Hier haben wir  ein naheliegendes Arbeitskräftepotenzial.

Aber es fällt uns schwer,  Forscher, die zu uns kommen, zu halten. Warum?

Man weiß zu wenig darüber. Es wird zum Teil am rigiden Fremdenrecht liegen. Eventuell auch an den Nachwirkungen einer fremdenfeindlichen Reputation, auch wenn die  gesetzlich mit der Rot-Weiß-Rot-Karte gar nicht mehr gedeckt ist.

Welchen Stellenwert hat Wien in Europa?

Wien steht bei der F&E-Quote ganz gut da.  Wien ist nicht gut, was  die  sogenannte  Akademikerquote betrifft. Das könnte zukünftig eine Wachstumsbremse sein.

Wo liegen die Mängel am Forschungsstandort Wien?

Am Geld. Die Uni München  hat etwas mehr als die Hälfte der Studierenden der Uni Wien –  und ein gleich großes Budget. Ohne Geld fehlt einfach die Attraktivität.

Ist Wien ein Drehkreuz für Forscher?

Forscher, die von Wien weggehen, gehen nach Westen. Forscher, die zu uns kommen, kommen aus Deutschland oder aus den osteuropäischen Ländern. Man kann also von einem Drehkreuz sprechen. Das Hauptproblem am Ost-West-Durchzug: Es ist    kein Naturgesetz, dass wir diesen Zustrom haben. Irgendwann könnte man Wien auch einfach überspringen.

Was braucht die Stadt, um mehr Forscher anzuziehen?

Neben  Geld eine verlässliche Perspektive für die nächsten zehn Jahre. Das spielt bei jeder neuen Berufung eine Rolle. Drei Jahre Leistungsvereinbarung sind sehr kurz. In Gugging hat man den anderen Weg beschritten: Eine Finanzierung bis 2026 – das ist vorbildlich.

Es gibt ein paar Institute in Wien, die international herausragend gut funktionieren. Was machen die anders?

Oft gibt es hier ein wissenschaftliches Zugpferd und mit ihr/ihm entsprechende materielle Ressourcen. Das  zieht  dann auch andere an: Beispiele sind die Professoren  Zeilinger, Penninger, Schröder. Aber was der Anstoß für diese Exzellenz ist? Das ist eine  gute Frage.

Was kann die Stadt tun?

In Österreich ist die Uni Bundeskompetenz. Aber die  symbolische Seite ist nicht zu vernachlässigen. Bis Sie mir das Gegenteil beweisen, behaupte ich, dass es bei der Umbenennung des "Lueger-Rings" in "Universitätsring" in den Medien immer nur um die Person Lueger ging.  Aber nie um das großartige Zeichen, das ein "Universitätsring" ist. Das ist doch typisch. Das Verhältnis der Stadt Wien zu ihren Unis ist ein sehr merkwürdiges.

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