Perfektionistin mit Lücke
Leistungstyp sei sie gar keiner. „Ich kann herrlich faul sein“, lacht Valerie Höllinger. Ganz nimmt man das der gut gelaunten 41-Jährigen nicht ab. Dass sie ehrgeizig ist, schon viel eher. Vom Alfred-Dallinger-Platz aus führt sie gemeinsam mit Franz-Josef Lackinger seit 2011 die Geschäfte des Wiener Berufsförderungsinstitut (BFI). Im BFI Wien fühlt sie sich angekommen, „das ist mein spannendster Job bisher“.
Die „typische Changerin“, wie sie sich bezeichnet, wurde damals geholt, um frischen Wind aus der Wirtschaftswelt ins behäbige Gewerkschaftsunternehmen zu bringen. Kurze Zeit nach ihrem Jobantritt als kaufmännische Geschäftsführerin brachen für ein dreiviertel Jahr alle AMS-Aufträge weg, das bfi Wien schlitterte erstmals leicht in rote Zahlen. Höllinger führte Controlling im Unternehmen ein, saß stundenlang über Excel-Listen, besetzte 20 Führungspositionen neu.
Höllinger gilt als Perfektionistin, als Treiberin, sieht sich eher als Sprinterin denn als Marathonläuferin. „Ich habe viel Veränderungsenergie. Mein Kollege Lackinger sagt immer, die Mitarbeiter kriegen noch Angst vor dir“, lacht sie. Die müsse man nicht haben. Vom Verbarrikadieren hinterm Schreibtisch hält sie nichts, „meine Tür ist offen, ich hoffe, dass die wenigsten Mitarbeiter Berührungsängste haben, zu mir ins Büro zu kommen“. Jemand habe sie daher einmal als „CEO zum Anfassen“ bezeichnet. Den ergonomischen Drehstuhl, den sie sich anschaffen wollte, braucht sie nicht – sie sitzt selten, ihr Kalender ist voll mit Meetings.
Anders geplant
Dass Höllinger einmal eine Wirtschaftskarriere machen würde, war nicht geplant. Studiert hat sie Jus, „nach dem väterlichen Rat“ – ihr Ziel war die Anwaltei. Nach dem Gerichtsjahr verabschiedete sie sich davon, „zu wenig inhaltliche Breite und zu viel Ellbogen, das hätte mir zu viel Energie geraubt.“ Stattdessen stieg sie bei Bildungsanbieter ARS ein. Als sie zum ägyptischen Getränkehersteller wechselte – „dort lernte ich als Frau das Neinsagen“ – wurde ihr klar: Ihr Wirtschaftswissen gehört aufpoliert. In der nächsten Karrierestation, bei der Telekom Austria, war sie im Bereich Konzernstrategie unterfordert, machte nebenher den Master of Business Law, dann den Executive MBA, „das war Hardcore-Arbeit – so viel habe ich nie wieder gelernt, außer in den vergangenen zwei Jahren.“
Zwischen Telekom und IT-Dienstleister Anecon liegen zwei Jahre, die im Lebenslauf nicht aufscheinen. In der Zeit begann Höllinger als Kinesiologin zu arbeiten, um wegzukommen von ihrer Kopflastigkeit, hin zum Gespür. „Die emotionale Präsenz, die ich dadurch gelernt habe, hilft mir als Führungskraft noch heute“, sagt Höllinger. Auf Dauer wollte sie jedoch mit Teams arbeiten.
Die lernaffine Wienerin hat etwa hundert Seminare besucht. Auch als Geschäftsführerin gehe es ihr nicht nur um Gewinnmaximinierung, sondern um Weiterentwicklung von sich und ihren Mitarbeitern: „Ich will, dass die Leute größer rausgehen, als sie ins Unternehmen reingekommen sind.“ Das BFI Wien sei zwar nicht durchdesignt wie ein Konzern, „sondern manchmal ein bisserl handgstrickt.“ Aber das sei gut so. „Bei uns menschelt’s.“ Höllinger hat die BFI-Angebote stärker auf Jugendliche ausgerichtet, plant gerade ein Lehrlingsmentoring mit Betrieben.
KURIER: Die größte Herausforderung am BFI Wien?
2011 war Stillstand. Ich wollte zeigen, wir haben Dringlichkeit, müssen schnell agieren, das war anstrengend.
Was haben Sie vom Konzern mitgenommen?
Dass der einzig relevante Wert des Unternehmens der Kunde ist. Wir haben heuer das Jahr der Kundenorientierung. Nach der Krise wird man ja oft zum Unternehmensautisten.
Was mussten Sie am BFI lernen?
Bildungspolitisch denken.
Die größte Umstellung?
Ich war gewohnt, meinen Chefs Feedback zu geben. Hier gab es von den Mitarbeitern kaum Widerspruch.
Wann greifen Sie als Chefin durch?
Mir sind flache Hierarchien wichtig. Aber wenn es Respektlosigkeit, mangelnde Disziplin und Illoyalität gibt, mache ich die Hierarchien klar. Ich gebe viel, erwarte aber auch viel.
Wie entscheiden Sie?
Ich schaue, dass alle mitziehen oder zumindest meinen Standpunkt nachvollziehen können. Drüberfahren ist ein Machtinstrument, wenn die Kooperation gescheitert ist.
Ihre größte Stärke und Schwäche?
Meine Stärke ist die Selbstreflexion gepaart mit Aktionsfähigkeit, meine Schwäche Ungeduld. Nahbar zu sein ist sicher gleichzeitig meine Schwäche und Stärke. Die dicke Haut möchte ich auch nicht haben.
Nach Jus-Studium und dem Gerichtsjahr war Höllinger als Conference Manager bei Seminaranbieter ARS tätig, von 2000 bis 2002 leitete sie das Marketing für den Getränkehersteller KremEzzat. Von 2002 bis2005 war sie bei der Telekom Austria in der Konzernstrategie tätig, absolvierte den Master in Business Law (MBL) und den Executive MBA. Nach zwei Jahren als Kinesiologin war Höllinger von 2007 bis 2011 bei IT-Dienstleister ANECON Mitglied der Geschäftsleitung. Seit März 2011 war sie kaufmännische Geschäftsführerin des BFI Wien, seit Mai 2013 ist sie Geschäftsführerin.
BFI Wien in Zahlen
600 Angestellte und 900 freie Traine arbeiten am BFI Wien. 1800 Mitarbeiter hat das BFI mit den Tochtergesellschaften FH und JobTransFair. Träger sind AK Wien und ÖGB.
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