Die Gastroszene kämpft und blutet

Die Gastroszene kämpft und blutet
Wie geht es der Gastronomie und ihren Betreibern, droht eine Pleitewelle? Ein Lokal-Augenschein in Wien.

„Es ist wunderschön Sie wiederzusehen“, sagt Roberto Pavlovic-Hariwijadi zu zwei Damen, die sich zu Kaffee und Zigarettenspitz in seinem Gastgarten setzen. „Es ist viel zu lange her“, erwidern sie sichtlich gerührt. In Roberto’s American Bar nehmen die Gäste wieder Platz. Wie alle anderen österreichischen Kaffeehäuser, Bars und Restaurants konnte Roberto seine zwei American Bars im ersten Wiener Bezirk am 15 . Mai wieder öffnen. Doch Corona fällt ins Gewicht. Die Wochen der Schließung waren hart für Gäste und Gastwirt. „Wir sind Barkeeper. Die Gäste brauchen uns und wir brauchen die Gäste, den menschlichen Austausch.“ Aber: Die Gäste seien verhalten, teils ängstlich, man spüre, dass das Geld nicht mehr locker sitzt.

Ein holpriges Comeback

Die Regelungen, die in der Gastronomie gelten, verhindern ein nahtloses Comeback. „Wir machen maximal 20 bis 25 Prozent des Umsatzes, den wir vor Corona hatten. Wie auch? Wir haben weniger Tische, die Menschen dürfen maximal zu viert sitzen. Wir bekommen jede Menge Anfragen, können aber nur einen Bruchteil davon annehmen“, sagt Roberto Pavlovic-Hariwijadi. Mit der nun verlängerten Öffnungszeit bis ein Uhr morgens würde sich wenig ändern. „Wir haben dann nur die Möglichkeit, etwas länger Umsatz zu machen. Doch was uns wirklich weh tut, sind die Gästegruppen-Beschränkungen. Wie sollen wir den Verlust wettmachen, der sich in den vergangenen Monaten zusammengesammelt hat?“ Noch ein Kredit wäre nichts Gutes. Im Moment würde man überleben, doch irgendwann würden die Stundungen aufhören, dann müsse man alles zurückzahlen. „Aber wie?“, fragt Roberto.

Die Gastroszene kämpft und blutet

  Das Café K7  befindet sich in der Kolingasse 7, 1090, und wurde erst im November 2019 eröffnet. Das Problem: Das Lokal war als Bar auf Veranstaltungen ausgelegt. Dieses Standbein fällt nun weg, außerdem gebe es kaum Stammgäste, weil das Lokal noch nicht etabliert war.

Die Situation. Die Bar ist im Einzugsgebiet der Hauptuniversität, ohne Studenten in der Uni und Menschen in Büros gebe es nun  weder Laufkundschaft, noch  After-Work-Drinks.   

 

Schlechte Ausgangslage


Anders die Situation für Christian Kacic. Sein Café K7 in der Kolingasse, im neunten Bezirk wurde erst wenige Monate vor der Corona-Krise eröffnet. Kacic setzte auf Veranstaltungen, es lief gut. Bereits im Februar war er bis Juni ausreserviert. Veranstaltungen sind aufgrund der Corona-Regelungen nun unmöglich. Als Newcomer in der Gegend konnte er vor Corona noch keine Stammgäste gewinnen. „Ich bin in einer denkbar schlechten Ausgangssituation“, erklärt der Neo-Gastronom. „Ich habe Anfragen für November. Aber ich weiß nicht, ob es mich dann überhaupt noch geben wird.“ Die Wochen der Schließung haben Kacic finanziell ruiniert. Er habe seine kompletten Reserven aufgebraucht, musste sich privat verschulden. „Ich bin komplett ausgeblutet.“ Bisher habe er 500 Euro erhalten. Die Regelungen seien mehr Schikane als Hilfe. „Denn ohne Umsatz, hilft die größte Umsatzsteuererleichterung nichts.“

Was wirklich hilft? „Geld, jetzt.“ Und zwar ohne rückzuzahlende Kredite, fordert die Gewerkschaft Vida. „Bars, die ihr Geschäft nachts machen, leiden besonders. Sie brauchen jetzt unbürokratische Unterstützung“, sagt Berend Tusch von der Gewerkschaft Vida.

Aber Not macht erfinderisch, so arbeiten die Barbetreiber an Alternativkonzepten. Bei Roberto’s kann man für die Zeit nach der Sperrstunde ein Package mit Drinks mitnehmen – den Umsatzentgang kann das aber nicht ersetzen.

Spitzenklasse lockt zahlungsfähiges Publikum

Auch das Haubenlokal „Konstantin Filippou“ ist mit einem Zusatzkonzept zurückgekehrt. Neben dem Restaurant und dem Bistro baue er sich ein drittes Standbein auf. „Wir haben höchste Qualität und den Anspruch, dass unsere Speisen perfekt bei den Gästen ankommen. Ein Take-away- Schnitzel kann da nicht mithalten.“ In Einmachgläsern bietet Filippou nun in hoher Qualität Speisen an, die durch die Lieferung nach Hause nichts verlieren, etwa Lammragout. „Weil wir auf Qualität setzen, sind wir gut gestartet. Klar fehlen uns die Touristen, aber wir haben Stammgäste, die zu uns kommen, weil sie uns kennen und mögen – auch nach der Krise.“ Den Gastraum im Restaurant musste Filippou kaum umstellen, nur einen Tisch reduzieren. Sein Innenraum sei immer schon großzügig gestaltet gewesen. Nur im Bistro nebenan spüre er die Maßnahmen stärker.

Die Gastroszene kämpft und blutet

Das Restaurant Konstantin Filippou und das dazugehörige Bistro O boufés befinden sich in der Dominikanerbastei 17, 1010  Wien. Das Restaurant hat erst im vergangenen Jahr seine fünfte Haube verliehen bekommen.  

Die Situation: Das Spitzenlokal kann sich auf Stammgäste verlassen, die etwa 60 Prozent der Kundschaft ausmachen. Als Alternative hat der Haubenkoch ein To-Go-System entwickelt, in der die Speisen in Einmachgläser gepackt werden.

Auch im Grätzelcafé Himmelblau am Kutschkermarkt, im 18. Bezirk ist man weniger auf Touristen angewiesen als auf die Menschen aus der Umgebung. „Wir sind gerührt, wie treu unsere Gäste sind und wir schaffen diese Hürde. Aber es ist eine Herausforderung“, sagt Betreiberin Nicole Ott. Um ein Drittel weniger Tische könne man nun anbieten, auch die Öffnungszeiten wurden um einen Tag verkürzt. Warum? „Wir sind im Marktgebiet, weshalb wir unseren Schanigarten am Sonntag nicht nutzen können – aber mit den reduzierten Tischen im Innenraum rentiert sich die Öffnung sonntags nicht. Alles, was früher ins Gewicht fiel, spürt man jetzt noch mehr.“

Die Gastroszene kämpft und blutet

 

Das Himmelblau. Das Café am Kutschkermarkt, in der Kutschkergasse 36,
1180 Wien, wurde  2012 eröffnet und ist in der Gegend fest etabliert.  

Die Situation. Während der Schließung hat das Himmelblau an einem Tag der Woche Kaffee und Kuchen zum Mitnehmen angeboten, das habe sich zwar nicht rentiert, aber die Bindung zu den Gästen gestärkt. Dennoch sei  ein finanzieller Schaden entstanden, man habe ein Drittel der
Tische verloren und die Maßnahmen seien aufwendig und teuer.  

Das Café ist ein fixer Bestandteil des Grätzels, darin liegt seine Hoffnung. Gastronomiebetriebe haben für ihre Gäste und Stammgäste einen enormen Stellenwert, „sie sind in ein wichtiger Teil der österreichischen Kultur.“

Kulturschatz Gastro

Darin sieht Konstantin Filippou eine Chance. Der Optimist und leidenschaftliche Koch sieht die Gesellschaft und die Regierung gefordert, Österreichs Potenzial der Gastronomie als Kulturgut zu stärken. Momentan würde die Gastro leider als selbstverständlich gesehen, deshalb dauere die Unterstützung auch so lange. „Österreichs Gastronomie ist großartig. Und da meine ich nicht nur Haubenlokale, sondern auch gute Würstelstände und Wirtshäuser.“ Österreich müsse den Stellenwert der Gastronomie im Land massiv aufwerten. „Touristen sollen in Zukunft nicht mehr nur nach Österreich kommen, um hier zu schlafen und dann auch Essen zu gehen. Sondern sie sollen nach Österreich kommen, um primär hier gut zu Essen.“

Der Verlust des unterschätzen Kulturgutes Gastro könne für ganz Österreich wirtschaftlich sehr schmerzhaft werden, merkt der Gastronom kritisch an.

Denn der Arbeitgeber Gastgewerbebeschäftigte im April 2019 noch 192.205 Menschen, im Mai 2019 sogar 206.370. Im April 2020, also mitten in der Krise, waren es nur noch 117. 927, das ergaben Recherchen des KURIER. Laut Angaben des Arbeitsmarktservices waren Ende Mai 98.475 Personen aus der Branche arbeitslos gemeldet oder in Schulung.

Laut Statistik Austria hat das Gastgewerbe im ersten Jahresquartal ein Minus von 13,4 Prozent verbüßt. „Dieses Minus resultiert aber nur aufgrund der letzten zwei März-Wochen, in denen der Shut-Down erst begann. Es ist davon auszugehen, dass es jetzt in einen hohen zweistelligen Bereich angestiegen ist“, heißt es aus dem Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Das Ausmaß einer Pleitewelle der heimischen Gastronomiebetriebe sei indes noch nicht abzusehen. Das zeige sich erst in der zweiten Jahreshälfte, im vierten Quartal, sobald Stundungen und Kredite zurückgezahlt werden müssen. Aktuell sei keine seriöse Prognose möglich. Zu feingliedrig seien die Auswirkungen der Corona-Krise auf die unterschiedlichen Lokaltypen. Vertreter der Nachtgastronomie rechnen damit, dass ein Drittel der Nachtlokale in Wien die Krise nicht überleben könnte.

„Je länger Betriebe nicht normal wirtschaften können, desto prekärer ist die Situation. Das trifft Nachtlokale mit der 23-Uhr-Sperrstunde (gilt noch bis 15. Juni, Anm.) besonders“, erklärt Jürgen Bierbaumer-Polly, Zuständiger Sparte Handel & Konsum , Wifo. Spitzenlokale aber würden beinahe schon wieder normal laufen, sie waren schon vor der Krise auf weniger Gäste und höhere Qualität fokussiert. „Außerdem kann man davon ausgehen, dass die Kundschaft dieser Lokale eher weniger von der Krise betroffen ist.“

Seit 15. Mai dürfen Bars und Restaurants wieder  ihre Gäste begrüßen – aber nicht ohne Auflagen.

Diese Regeln müssen Gastro-Betreiber und Gäste beachten:

  • Mindestabstand von 1 Meter zwischen den Besuchergruppen
  • Mitarbeiter müssen bei Kundenkontakt einen Mund-Nasenschutz tragen
  • Auf den Tischen dürfen keine gemeinsam genutzten Gegenstände stehen (Salz und Pfeffer, Essig und Öl)
  • Gruppenreservierungen für mehrere Tische sind nicht erlaubt.
  • Tische sollten vorab reserviert werden
  • An einem Tisch dürfen maximal vier Erwachsene mit ihren minderjährigen Kindern sitzen oder Personen, die in einem gemeinsamen Haushalt leben.

Neue Sperrstunde: 23:00 Uhr. Ab 15. 6. dürfen Gastronomiebetriebe dann bis 1 Uhr  Früh offen haben

Forderungen:
Gastronomen und Fachvertreter fordern  weitere Lockerungen. Auch wird die Verlängerung der Sperrstunde bis 1 Uhr  als nur wenig wirkungsvoll erachtet. Als hilfreich wird vor allem unbürokratische Soforthilfe und eine Senkung der Lohnnebenkosten gesehen. 

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