Bummelstudent oder Streber

Warum studieren? Wegen des Geldes? Des Titels? Um mehr zu wissen?
In Mindeststudienzeit schaffen sowieso nicht viele das Studium – ist das schlimm?

Eines will ich gleich mal klarstellen: Ich hatte sehr gute Gründe dafür, mein Studium so lange schleifen zu lassen. Ganz ehrlich, anfangs hätte ich niemals geahnt, dass ich 16 Semester brauchen würde, um meinen kleinen Abschluss in Publizistik zu machen. Doch nun ist es passiert und ich muss es erklären", das sind die ersten Zeilen eines Eintrags auf blog.univie.ac.at. In den kommenden Absätzen erzählt der Verfasser dieser Zeilen von einer Tragödie, von Plänen und Vereinsamung. Davon, dass er sehr viel Zeit für Ausbildung und Selbstfindung verwenden durfte – mit allen Vor- und Nachteilen.

Fast 430 Personen gefällt dieser Beitrag auf Facebook. 15 Mal wurde er auf der Uni-Seite kommentiert. Die Wortspenden reichen von ernst gemeinten Komplimenten und nicht ganz so ernst gemeinten Glückwünschen, bis hin zu "wow...deine Geschichte ist einfach nur traurig...mein Beileid." Zwangsläufig kommt in der Diskussion auch die Frage auf: Worum geht es beim Studieren? Um Wissensaneignung und Menschenbildung? Um Scheine und die Anzahl der Semester? Sind wir Mensch oder Maschine?

Studieren braucht Zeit

Ohnehin brauchen viele Studierenden länger als die Mindeststudienzeit vorgibt. Laut Datenbank des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft brauchen Studierende für ein Bachelorstudium statt den anberaumten sechs Semestern an der Uni Wien etwa im Durchschnitt acht Semester, an der WU Wien sind es 8,1, an der TU Wien sind es 8,3. Ein Masterstudium an der Uni Wien dauert statt der geplanten vier Semester meist 5,6, an der Wirtschaftsuniversität tatsächlich nur vier Semester, an der TU Wien hingegen 5,3 Semester.

Doch entgegen der Vorstellung der Romantiker ist ein verlängertes Studierendenleben meist nicht Partys, langen Nächten und langem Schlafen geschuldet. Wer länger studiert, hat dafür meist gute Gründe: Neben der Beschaffenheit des Studiums sind das Arbeit, Alter und Auslandserfahrung.

Arbeit In Österreich sind zwei Drittel der Studierenden erwerbstätig – Teilzeit-Studierende sozusagen. Der Großteil arbeitet geringfügig beschäftigt. Doch grob 40 Prozent arbeiten mehr als zehn Stunden pro Woche – darunter leidet das Studium zwangsläufig. Martin Unger vom Institut für Höhere Studien (IHS): "Vom Selbstverständnis her sollen Universitäten eine Berufsvorbildung bieten, keine Berufsausbildung. Dadurch müssen sich die Studierenden die Ausbildung woanders suchen." Matura, Uni und dann der erste Job? Die meisten machen das laut Unger "wesentlich schlauer" und würden Studium und Berufserfahrung gleichzeitig machen. Weil sie sich finanzieren müssten, weil sie Dinge im Erwerbsalltag erlernen würden, die sie auf der Uni so nicht erlernen. Vor allem in den geistes- und sozialwissenschaftlichen Studien könne man eher von einer Übertrittsphase vom Studierenden- ins Erwerbsleben sprechen. Der Studienabschluss und Arbeitsbeginn sei oft nicht streng voneinander abzugrenzen.

Ausland "Entgegen aller Gerüchte nimmt die Mobilität der Studierenden eher zu", sagt Unger. Ein Auslandssemester geht meist mit einem Zeitverlust in der Studiendauer einher.

Alter In Österreich starten viele mit dem Studium erst in den frühen Zwanzigern und nicht gleich nach der Matura – auf rund 20 bis 25 Prozent würde das laut Unger zutreffen. Und Erwerbstätigkeit nimmt mit dem Alter laut Erhebung zu.

Ist das schlimm?

Die Frage, ob und welchen Einfluss die Studiendauer auf die spätere Karriere hat, beantwortet Alexandra Eperjesi-Hefner von der Personalberatung Lindlpower in Wien so: "Es ist nicht allein aussagekräftig, wie lange jemand studiert hat: Hat jemand 16 Semester studiert, aber in dieser Zeit gearbeitet, Praktika gemacht, Auslandserfahrung gesammelt und Sprachen erlernt, ist das am Arbeitsmarkt zuträglich." Dennoch würden die Top-Unternehmen auf eine kurze Studienzeit achten, weil sie für Ehrgeiz und Effizienz stehe. Doch: Wer nicht arbeitet oder zusätzliche Qualifikationen erwirbt, sollte nicht ewig fürs Studium brauchen.

Beihilfen und Studiengebühren

Mit Mitte 20 muss man erwachsen werden, ob man will oder nicht:
Denn die Bezugsdauer für die Familienbeihilfe läuft mit 24 Jahren ab. Dann kann man Studienbeihilfe beantragen – die bekommt man nur unter bestimmten Voraussetzungen, etwa wer maximal zwei Semester über Mindestzeit liegt und maximal zwei Mal das Studium gewechselt hat. In anderen Ländern treiben hohe Studiengebühren dazu an, nicht länger als unbedingt notwendig an einer Hochschule zu verweilen. In Österreich ist vorgesehen, dass Studierenden Toleranzsemester gewährt werden – wenn diese überschritten werden, sind Gebühren in der Höhe von 363,36 Euro zu zahlen.

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