Schulschwänzer brauchen Hilfe

Schulschwänzer brauchen Hilfe
Häufig ist Schuleschwänzen nur ein Symptom für tieferliegende Probleme. Geldstrafen bringen da nur bedingt etwas.

Ob ihre Kinder tatsächlich in der Schule sind, oder nicht – das wissen Eltern in der brasilianischen Stadt Vitoria da Conquista ganz genau. In die Schuluniformen ist nämlich ein Funkchip eingenäht. Über diesen erhalten Eltern eine SMS, wenn das Kind 20 Minuten nach Unterrichtsbeginn noch nicht eingetroffen ist. Inhalt: "Ihr Kind ist noch nicht in der Schule".

Solche Maßnahmen sind in Österreich natürlich kein Thema. Doch auch hierzulande sagen Politiker allen Schulschwänzern den Kampf an. In Wien gibt es seit Kurzem einen "Schulschwänzbeauftragten". Unterrichtsministerin Claudia Schmied will Eltern von notorischen Schulstaglern mit 440 statt bisher mit 220 Euro bestrafen. Die Strafe soll aber erst am Ende einer Kette von Maßnahmen stehen. Nach zehn unentschuldigten Fehltagen muss es zu einem Gespräch zwischen Eltern, Schülern und Lehrern kommen, bei dem schriftlich vereinbart wird, wie die Situation mit Hilfe von Sozialarbeitern oder Psychologen verbessert wird. Ändert sich vier Wochen nichts, wird das Jugendamt eingeschaltet. Am Ende werden dann die Eltern zur Kasse gebeten. Eine sinnvolle Vorgangsweise?

Jürgen Frank, Direktor der Wiener KMS (Kooperative Mittelschule) Kinkplatz in Wien meint, "dass Geldstrafen in manchen Fällen sinnvoll sind." Der Direktor hat schon einige Schulstangler angezeigt – "am Ende haben die Eltern 70 Euro zahlen müssen. Da haben sich die Lehrer schon gefragt, ob sich der bürokratische Aufwand gelohnt hat." Der Direktor weiß aber auch, dass mache Eltern einfach nur ohnmächtig sind: "Sie wollen, dass ihr Kind in die Schule geht. Doch sie schaffen es nicht, es dazu zu bringen, dass es in der Früh aufsteht."

Hilfeschrei

Beratungslehrerin Elisabeth S. betreut Kinder, die häufig die Schule schwänzen und kennt die vielfältigen Ursachen für das Fehlverhalten: "Manche Kinder haben z.B., Angst vor Mitschülern oder Lehrern. Da muss die Schule reagieren. Häufig schwänzen Kinder aber, weil sie zu Hause massive Probleme haben. So richtig akut wird das, wenn die Schüler mit 13, 14 Jahren in der Pubertät sind. Da bricht Vieles aus ihnen heraus." Für die Lehrerin ist Schwänzen deshalb immer ein Hilfeschrei der Kinder, dem keine Hilfsangebote gegenüberstehen.

Eine Tatsache, die auch FSG-Lehrergewerkschafter Thomas Bulant kritisiert: "In Favoriten haben wir für über 10.000 Pflichtschüler gerade zwei Schulsozialarbeiter. Ich würde mir an jedem Standort unterstützendes Personal wünschen. Wir Lehrer sind ausgebildete Pädagogen und keine Psychologen."

Wo sich Schulen Unterstützung holen können, darüber will Horst Tschaikner, Schulschwänzbeauftragter der Stadt Wien, informieren: „Ich erarbeite einen Leitfaden für Schulen und eine Broschüre für Eltern .

Keine Angst mehr vor der Schule Zum Schulgehen "verführen", lautet das Motto des Projekts "Schlangenfuß" am Sonderpädagogischen Zentrum in Wien-Simmering. Es richtet sich an Schüler ab der 5. Schulstufe, mit diagnostizierter Schulangst oder Sozialphobie, die deshalb die Regelschule nicht besuchen.

In zwei Gruppen mit jeweils sechs bis acht Schülern, lernen sie die notwendigsten Unterrichtsinhalte und werden vor allem im sozialen und emotionalen Bereich gefördert. Dazu gehört ein gemeinsames Frühstück zu Schulbeginn um 8.30 Uhr sowie verschiedene Aktivitäten mit erlebnispädagogischen Ansätzen. Wesentlicher Bestandteil des Projektes ist auch die intensive Zusammenarbeit mit Eltern und Institutionen wie Jugendamt, Kliniken, Therapieeinrichtungen und Lehr­stellen.

Ziel ist es, dass die Kinder einen positiven Schulabschluss erreichen und wieder in ihre Stammschule integriert werden. Während ihres Aufenthaltes bleiben die Schüler im Stand ihrer Stammschule. Die Projekt-Lehrer schicken einen Notenvorschlag an den dortigen Klassenvorstand. Das Original-Zeugnis stellt die Stammschule aus. Die Teilnahme wird im Schüler-Stammblatt nicht vermerkt, "um ihnen keinen Stempel aufzudrücken", betont Bezirksschulinspektor Richard Felsleitner. Er ist vom Erfolg überzeugt: "80 bis 90 Prozent der Schüler können wieder in ihre Klasse integriert werden. Und jene, die bei uns die Schule beenden, erreichen sehr gute Abschlüsse."

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