Physiker mit Karriere-Formel

Ludwig-Boltzmann-Preisträger Mikhail Lemeshko.
Der theoretische Physiker Mikhail Lemeshko erhielt den Ludwig-Boltzmann-Preis für Nachwuchsforscher. Der 32-Jährige lehrt am IST und sagt: In vielen Physikern steckt ein schrulliger Dr. Sheldon Cooper.

KURIER: Sie erhielten vergangene Woche den Ludwig-Boltzmann-Preis. In einfachen Worten: Für welche Forschung wurden Sie geehrt?

Mikhail Lemeshko: In einfachen Worten? Ich tue mein Bestes (lacht). Also: Wir arbeiten im Bereich der Physik der kondensierten Materie, beschäftigen uns mit allem, was aus Partikeln besteht – also allem eigentlich. Manche Phänomene lassen sich nur mit Hilfe der Quantenmechanik erklären, da geht es um Milliarden von Partikeln, die miteinander agieren, um Moleküle, die sich bewegen und auch rotieren. Das ist alles schwer zu fassen. Also brauchen wir Tricks und Modelle, die das vereinfachen. Wir haben ein Quasipartikel vorgestellt, das wir Angulon genannt haben. Vereinfacht gesagt hilft es uns, die Theorie von rotierenden Molekülen in suprafluidem Helium zu verstehen. Anstatt komplizierte, monatelange Berechnungen am Computer anzustellen, können wir jetzt mit Bleistift und Papier zu einer Lösung kommen. Damit will ich nicht sagen, dass die bisherige Forschung umsonst war. Unsere jetzige Arbeit hilft uns aber noch mehr, Physik zu verstehen.

Sie arbeiten mit Partikeln und Molekülen: Wie erfassen Sie ein System, das man nicht sieht?

Alles, was wir tun, basiert auf einem Jahrhundert Forschung in der Quantenmechanik. Wir wissen heute also, wie wir Moleküle beschreiben, wir wissen, wie wir zu Lösungen mit ihnen kommen. Sobald es um Ergebnisse und Experimente geht, braucht es natürliche Formeln und Berechnungen. Grundsätzlich will die Physik aber erreichen, dass man sie versteht. Unser Ziel ist es daher, möglichst einfache Modelle für komplexe Themen zu entwickeln. Hier hilft es manchmal, sich diese Systeme in Bildern vorzustellen.

Wie wichtig sind Preise in der Forschung?

Ich persönlich freue mich sehr, dass ich für meine Arbeit in Österreich Anerkennung bekomme.

Aber sind sie relevant in der Karriere?

Ich hoffe doch (lacht). Ich glaube, es zählt der Gesamteindruck. Es gibt viele Erfolgs-Indikatoren in einer Forscher-Karriere – Publikationen, Preise, Vorträge. Wenn du gute Forschung machst, wirst du schon in irgendeiner Art Anerkennung dafür bekommen. Preise sind da sicherlich gut, sie schärfen ein Forscher-Profil.

Sie haben in Russland und Deutschland studiert, in Frankreich und den USA – in Harvard – geforscht. Warum sind Sie nach Österreich gekommen?

Mir hat die Idee vom IST (Institute of Science and Technology in Klosterneuburg, Anm.) gefallen. Es ist ein ganz neues Institut, aber gerade das hat mich neugierig gemacht. Man unterstützt hier Nachwuchsforscher, arbeitet interdisziplinär. Ich habe schon an vielen Top-Orten gearbeitet und sehe: hier vereint man das Beste des US- und europäischen Forschungs-Systems.

Ist Österreich attraktiv für Jung-Forscher?

Es kommt wohl auf den Bereich an, in dem man forscht. Für meinen Bereich kann ich sagen: Österreich ist ziemlich bekannt und auch vielversprechend. Vieles tut sich in Wien, viel auch an der Uni Innsbruck.

Sie waren mit einem Stipendium für den Postdoc in Harvard, haben Ihren Doktor summa cum laude abgeschlossen. Mit 32 haben Sie nun den Ludwig-Bolzmann-Preis. Wie viel Arbeit steckt hinter dieser Karriere?

Viel harte Arbeit. Man gibt jeden Tag sein Bestes, Schritt für Schritt kommt dann ganz langsam die Anerkennung dazu.

Hört sich an, als hätten Sie Ihr Leben lang gelernt.

Das habe ich.

Kein gelassenes Studentenleben?

Ich hatte meinen Spaß. Aber die meiste Zeit hab ich dann doch gearbeitet.

Wo wollen Sie karrieretechnisch noch hin?

Im Moment bin ich Professor im "Tenure Track", das heißt, ich habe die Chance, in zwei Jahren eine fixe Stelle als Professor am IST zu bekommen. Damit bin ich sehr glücklich. In der Physik ist es aber schwierig, Langzeit-Karriereziele zu haben. Man muss in diesem Bereich offen für Neues bleiben, es gibt so viele Möglichkeiten.

Wer inspiriert Sie, was treibt Sie an?

Ich hab mich schon früh in die Geschichte der Wissenschaft eingelesen. Ich wollte erfahren, wie die großen Forscher und ihre Counterparts menschlich waren, wie es ihnen gelungen ist, großartige Entdeckungen zu machen. Im Sachbuch lernt man nur, wer was wann entdeckt hat. Dabei ist doch der menschliche Aspekt so spannend, nicht? Persönlich hat mich das mehr angesprochen, als etwa ein Role Model.

Apropos Role Model: Die meisten jungen Menschen kennen Physiker nur aus der TV-Serie Big Bang Theory. Gibt es da Parallelen zu Ihrem echten Forscher-Leben?

Es ist ziemlich viel Wahres an der Show, sie basiert schon auf einem typischen Physiker-Umfeld. Ich bin nicht sicher, ob es eine Person wie Dr. Sheldon Cooper wirklich gibt. Aber ich weiß: Teile seiner schrulligen Persönlichkeit finden sich in vielen Physikern wieder.

Ludwig-Boltzmann-Preisträger Mikhail Lemeshko ist 32 Jahre alt und forscht und lehrt am IST – Institut of Science and Technology in Klosterneuburg. Der in Russland geborene theoretische Physiker machte sein Doktorat am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft und forschte als Postdoc in Harvard.

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