"Kleine Revolution": Matura mit Lehre soll kommen

Ein Arbeiter mit Schutzhelm und Brille inspiziert eine industrielle Anlage.
Die Wirtschaftskammer will "Imageprobleme" bei der Lehre mit einem neuen Modell bekämpfen.

Eine neue Form der Ausbildung schwebt der Wirtschaftskammer (WKÖ) vor: Nach der Lehre mit Matura soll nun die Matura mit Lehre kommen. Künftig soll es für Maturanten die Möglichkeit geben, in der 7. oder 8. Klasse zunächst als Wahlfach die theoretischen Grundlagen dafür zu erwerben und dann nach der Reifeprüfung in einem "Intensivjahr" zur Lehrabschlussprüfung zu kommen.

„Wir wollen eine kleine Revolution", sagt WKÖ-Präsident Christoph Leitl. "Wir haben noch immer einen starken Restbestand an Imageproblemen bei der Lehre, die sich mit Sozialprestige verbinden. Da heißt's 'Wenn das Mädchen des Nachbarn in eine höhere Schule geht, muss auch unser Kind in eine höhere Schule gehen, weil unser Dirndl ist ja nicht blöder.'" Solche Klischeevorstellungen könnten nur durch eine Änderung des Systems aufgelöst werden, sagt Leitl.

Ein Mann mit Brille, Anzug und orangefarbener Krawatte blickt in die Kamera.
APA17664112-3 - 28032014 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA 154 WI - Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl am Donnerstag, 27. März 2014, im Rahmen eines Interviews mit der Austria Presse Agentur (APA) in Wien. APA-FOTO: HERBERT PFARRHOFER
Daher sollten Kinder die Möglichkeit haben, mit 19 Jahren beide Abschlüsse zu haben - Lehre und Matura. Das Modell Lehre mit Matura sei erfolgreich - zehn Prozent der Lehrlinge nutzten bereits diese Kombination. Dies soll nun auch umgekehrt leichter möglich werden, so Leitl. Derzeit würde Maturanten für die Lehrabschlussprüfung nur ein Jahr Ausbildungszeit angerechnet. Sie bräuchten daher zwei Jahre bis zum Abschluss. "Da überlege ich dann aber schon, ob ich in der gleichen Zeit nicht fast schon einen Bachelor habe", sagt Leitl ( Bild). Ein Jahr für eine intensive Ausbildung sollte also reichen.

Darüber hinaus wünscht sich Leitl, dass eine Meisterprüfung auch den Zugang zur Fachhochschule eröffnet. Die Wirtschaftskammer startet außerdem heuer mit Berufsakademien, die Lehrabsolventen nach einigen Jahren Berufserfahrung den Zugang zu einer Ausbildung auf akademischem Niveau eröffnet.

"Man verkauft uns Fortschritte im Retourgang. Das ist das genaue Gegenteil von dem, was wir wollen."

An den Schulen verlangt die Wirtschaftskammer eine stärkere Differenzierung und Individualisierung des Unterrichts. "Heute verlangen die Lehrpläne von allen die gleichen Standards", moniert Leitl. "Wo Probleme sind, reitet man darauf herum, wo Mehrtalent da ist, liegt es brach." Wichtiger wäre es, in schlechteren Fächern eines Schülers geringere Ziele zu verlangen und in besseren Fächern höhere. Am Ende der Schulpflicht sollte gewährleistet sein, dass jeder gewisse Mindeststandards erreicht - und darüber hinaus hingewiesen werden, wo die Schüler besonders gut seien und wo ihre Potenziale liegen.

Allerdings dürfe die Begabungsdifferenzierung nicht komplett abgeschafft werden wie derzeit an den Neuen Mittelschulen, so Leitl. "Man verkauft uns Fortschritte im Retourgang. Das ist das genaue Gegenteil von dem, was wir wollen."

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