Juncker: Nationale Souveränität in Gefahr

Juncker: Nationale Souveränität in Gefahr
Merkel und Sarkozy wollen eine europäische Wirtschaftsregierung. Die Idee sei nicht neu, meint "Mister EU" Juncker.

Die Diskussion um die Einführung einer Wirtschaftsregierung für Europa ist so alt wie der Euro, erinnert der Luxemburger Regierungschef Jean-Claude Juncker im Interview mit der Tiroler Tageszeitung. Er selber habe sich bereits 1991 bei der Regierungskonferenz zur Einführung des Euro dafür ausgesprochen. Die Idee sei damals blockiert worden. "Frankreich war eigentlich immer dafür, Deutschland, aber auch Österreich weniger", erinnert sich der längstdienende Premier der EU.

"In der Grundarchitektur (der Eurozone) ist das Fehlen einer straff organisierten wirtschaftspolitischen Koordination eine Schieflage, die es eben jetzt zu beheben gilt", so Juncker, der auch spürbare Eingriffe in die nationale Souveränität der Mitgliedsstaaten erwartet: "Eine Wirtschaftsregierung ohne Verzicht auf nationale Zuständigkeiten wäre eine Totgeburt". Seine Überlegungen gehen dabei sehr weit: "Ist es denkbar, dass im Land A im selben Moment die Steuern angehoben und im Land B gesenkt werden? Wird es möglich sein, dass ein Euromitgliedsland ohne Beratung mit anderen seine Mehrwertsteuer anhebt, so wie das Deutschland im Jahr 2005 gemacht hat? Ist es denkbar, dass in Frankreich die 35-Stunden-Woche gilt und in anderen Ländern 40 Stunden pro Woche gearbeitet wird? Das sind Fragen, die sich stellen. So mancher wird sich über seinen verlockenden Mut noch wundern, wenn es zur Sache geht. Und es wird zur Sache gehen".

Juncker unterstützt Von Rompuy

Juncker: Nationale Souveränität in Gefahr

Die Koordinierung der Wirtschaftspolitik müsse darauf bestehen, "dass niemand wirtschaftspolitische Entscheidungen fällen kann, die andere betreffen, ohne sich mit den anderen darüber zu verständigen". Juncker sieht auch Platz für zwei Institutionen nebeneinander. Die Staats- und Regierungschefs sollen sich zweimal pro Jahr treffen, während die Finanzminister der Euro-Länder in der Eurogruppe monatlich zusammenkommen. Sie seien für Detailkoordinierung und Wirtschaftspolitik zuständig. Juncker begrüßt auch den Vorschlag, Herman von Rompuy zum Vorsitzenden der Wirtschaftsregierung zu machen: "Er ist der Ratspräsident der Europäischen Union. Wir haben schon zu viele Präsidenten, wir hätten nicht noch einen zusätzlichen gebraucht".

Während Frankreichs Präsident Nikolas Sarkozy und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel Eurobonds ablehnen, glaubt Juncker nicht, dass diese zu einer Vergemeinschaftung aller Schulden aller Staaten und zu einheitlichen Zinssätzen in der Eurozone führen würden. "Das ist alles nicht wahr. Ich plädiere nicht für die sofortige Einführung der Eurobonds, aber man sollte sich intensiv mit Vorzügen und Nachteilen auseinandersetzen". Und weiter: "Es käme wesentlich teurer, wenn wir weiter milliardenschwere Hilfspakete schnüren würden. Euroanleihen wären für alle wesentlich billiger. Den Beweis dafür kann ich aber nicht antreten, weil man das ja nicht ernsthaft in Erwägung zieht".

Keine Sorgen um den Euro

Wenn Griechenland die beschlossenen Sanierungsmaßnahmen erfüllt, werde es "in absehbarer Zeit" wieder von den Finanzmärkten Geld bekommen, erwartet Juncker. Um den Euro macht er sich keine Sorgen, wohl aber um "die Behäbigkeit mancher Staaten bei den Versuchen, die Schuldenkrise zu bekämpfen". Auch beruhigt er Sparer: "Wer sein Geld auf einem Sparkonto oder Sparbuch hat, braucht sich keine Sorgen zu machen. Wer Teile seines Vermögens in Aktien angelegt hat, der muss mit dem Börsenrisiko leben. Aber das sollte er schon vorher gewusst haben".

Kommentare