Iran versus Saudis: Zerbröselt das Ölkartell OPEC?

Irans Supertanker "Delvar" ist Teil einer ganzen Flotte.
Saudi-Arabien und Russland wollen Fördermenge deckeln - Iran schickt erste Supertanker in Richtung Europa.

Der Machtkampf um die Vormachtstellung auf dem Ölmarkt geht in eine neue Phase. Am Dienstag beschlossen Russland und drei wichtige Mitglieder des Ölkartells OPEC, die Förderung zu begrenzen, um das Überangebot und den massiven Preisverfall zu stoppen. Die Produktion solle auf dem Niveau vom Jänner gedeckelt werden, sagte der saudische Ölminister Ali al-Naimi.

Beschlossen wurde das bei einem Treffen am Dienstag, wo auch seine Amtskollegen aus Russland, Venezuela und Katar anwesend waren. „Wir glauben, dass dieser Schritt den Markt stabilisieren wird“, ergänzte Mohammed bin Saleh al-Sada aus Katar. Die Vereinbarung sei jedoch davon abhängig, dass sich andere Produzenten ihr anschlössen.

OPEC: Schummeln ist die Regel

Der Ölpreis, der sich zuvor erholt hatte, reagierte widersinnig. Er grenzte seine Gewinne ein und notierte nur noch um rund zwei Prozent fester. Die Erklärung: Es wird nicht damit gerechnet, dass es bald zu einer tatsächlichen Begrenzung des Angebots kommt.

Iran versus Saudis: Zerbröselt das Ölkartell OPEC?
Mag. Hannes Loacker, Analyst Öl, Rohstoffe, Etnwikelte Märkte, Raiffeisen Capital Managment (honorarfreies Pressebild)
Historisch haben solche Deckelungen schon innerhalb der OPEC selten funktioniert, sagt Raiffeisen-Rohstoffexperte Hannes Loacker. Und bei Russland seien noch besondere Zweifel angebracht. Zuletzt hatten sich die Russen 1999 an einer Kürzungs-Absprache beteiligt, bei der etwa auch Norwegen oder Mexiko an Bord waren. "Damals wurde eine Kürzung um sieben Prozent zugesagt, letztlich hat Russland aber die Exporte hochgefahren", erklärt Loacker.

Übervolle Lager

Somit könnte trotz der Absprache im Endeffekt mehr Öl auf dem Markt landen (was den Preis weiter drücken würde). Noch dazu, wo der Iran laut Medienberichten erste Supertanker in Richtung Europa losgeschickt hat.

Seit dem Ende der Sanktionen wird ohnehin schon erwartet, dass der Iran große Mengen Öl auf den Markt wirft. Die Tanker sind nur die ersten Vorboten, die Lagerstätten sind nämlich momentan übervoll. "Der Iran hat 20 bis 25 dieser Supertanker vor der Küste kreuzen, die jeweils eine Kapazität von zwei bis vier Millionen Fass Rohöl haben", sagt Loacker.

Ölpreis kurzfristig höher

Der Ölpreis ist in den vergangenen 18 Monaten wegen des riesigen Angebots um rund drei Viertel eingebrochen. Zeitweise kostete der Rohstoff weniger als 30 Dollar je Fass, das ist so wenig wie seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr. Am Dienstag kostete ein Fass Nordseeöl der Sorte Brent mit knapp 34 Dollar aber 1,5 Prozent mehr als am Montag.

Die nun erreichte Vereinbarung sei dennoch ein Durchbruch, sagte Olivier Jakob, Chef des Öl-Analysehauses Petromatrix. „Es ist die erste Entscheidung seit November 2014, die Nachfrage zu begrenzen.“ Damals hatte das Ölkartell OPEC - und allen voran das Schwergewicht Saudi-Arabien - beschlossen, erstmals nach 29 Jahren nicht mehr mit Kürzungen der Ölproduktion die Preisschwankungen auszugleichen, sondern weiter auf hohem Niveau zu produzieren.

Nicht gegen USA, gegen Iran

Viele Analysten sahen als Motiv, die neue Exportmacht USA damit zu treffen. Deren Schieferöl-Förderung rechnet sich nämlich bei einem tiefen Ölpreis nicht. Tatsächlich sind die Fördermengen der USA jetzt seit acht Monaten rückläufig - langsam, aber doch. Viele kleinere US-Ölfirmen sind bereits insolvent.

Raiffeisen-Experte Loacker sieht darin nur einen Nebeneffekt des Saudi-Kurswechsels. "Das wäre eine sehr kurzsichtige Strategie. Ich vermute, der Schritt war eher religiös-politisch motiviert." Konkret: Das (mehrheitlich sunnitische) Saudi-Arabien wolle die regionale Vormachtstellung des aufstrebenden (schiitischen) Iran damit eindämmen. Dafür nehmen die Saudis eigene hohe Budgetverluste in Kauf. "Saudi-Arabien leidet auch unter dem tiefen Ölpreis, weiß aber, dass der Iran noch stärker leidet", sagt Loacker.

Venezuela pleitegefährdet

Noch härter werden freilich ganz andere Länder getroffen, auch in der OPEC. Nicht von ungefähr will am Mittwoch der venezolanische Ressortchef Eulogio Del Pino in die iranische Hauptstadt Teheran reisen. „Wir werden dort mit den Ministern aus dem Iran und dem Irak sprechen“, sagte er. Venezuela ist wegen des Ölpreisverfalls in akuter Pleitegefahr.

Quo vadis, OPEC?

Der Konflikt Saudi-Arabien versus Iran könnte das Kartell OPEC letztlich sogar sprengen. "Das würde ich nicht ausschließen", sagt Ölmarktanalyst Loacker. Aufgrund der unterschiedlichen Interessenslagen könnte es zu einer Spaltung kommen. Und wenn ohnehin niemand mehr an das Funktionieren der Absprachen glaube, müsse sich das Kartell "irgendwann die Sinnfrage stellen".

Das Ölkartell OPEC ist weltweit nach wie vor eine Macht: Die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) fördert rund 34 Prozent des Rohöls und besitzt etwa drei Viertel der bekannten Reserven. Saudi-Arabien ist dabei besonders einflussreich.

Das Königreich gehörte 1960 zu den Gründungsmitgliedern der OPEC - zusammen mit dem Iran, dem Irak, Kuwait und Venezuela. Ziel des Kartells war es, die Ölquellen anstatt der internationalen Ölkonzerne selbst zu kontrollieren und über Förderabsprachen auch den Ölpreis mit zu steuern, um sich so stabile Gewinne zu sichern.

Heute hat die OPEC 13 Mitgliedstaaten. Zu den Gründerländern kamen noch Algerien, Angola, Ecuador, Katar, Libyen, Nigeria, die Vereinigten Arabischen Emirate und Indonesien dazu. Sitz des OPEC-Sekretariats ist Wien.

Das Kartell hat insgesamt an Einfluss verloren, weil etwa die USA Förderquellen mit neuen Technologien wie Fracking in großem Umfang erschlossen haben. Zudem ist derzeit das Angebot auf dem Ölmarkt größer als die Nachfrage, weil sich die Weltkonjunktur schwächer entwickelt als erwartet. Die Ölpreise sind deshalb extrem eingebrochen. Anstatt wie bisher durch die Drosselung oder Erhöhung der Fördermenge auf Preisveränderungen zu reagieren, hat sich das Kartell auf einen Preiskampf eingelassen, um seine Marktanteile zu verteidigen.

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