Investmentbanker: "Ein Crash kommt sicher wieder"

Boris Borozan: "Vor dem totalen Desaster 2008 gab es fantastische Möglichkeiten, Geld zu stehlen."
Boris Borozan war 40 Jahre Investmentbanker. "An die Wall Street kann jeder", sagt er.

Cowboystiefeln sind sein Markenzeichen seit 40 Jahren. Wenn er als Investmentbanker für Morgan Stanley oder HSBC gearbeitet hat, fand sich auf den Stiefeln das Logo der jeweiligen Bank. Boris Borozon, geboren in Belgrad, aufgewachsen im Jugoslawien unter Tito, fand als Student seinen Weg in die USA. "An die Wall Street kann jeder", sagt er, es sei nicht kompliziert. Man müsse nur die Sprache der Wall Street sprechen, "und die ist sehr einfach."

KURIER: Wie hat sich das Investmentbanking seit 2008 verändert?

Boris Borozan: Die marktorientierte Wirtschaft ist zu einer politischen geworden. Regierungen, vor allem in den USA, entscheiden wie sie wollen über Zinsen, über Regulierungen, über Pensionen. Zudem gibt es eine Konzentration des Kapitals auf noch weniger Unternehmen. 80 Prozent des Marktes ist von drei Banken beherrscht.

Das Investmentbanking geriet in den Jahren vor 2008 völlig außer Kontrolle ...

... durch die reine Gier der Menschen. Als ich bei Morgan Stanley war, haben die Banker ein bis zwei Millionen im Jahr verdient. 2008 haben manche Banker Hunderte Millionen verdient.

Weil Investmentbanker Produkte verkauften, die nicht einmal sie selbst verstanden haben.

Korrekt. Zum Teil ist das heute noch so. Vor dem totalen Desaster 2008 gab es fantastische Möglichkeiten, Geld zu stehlen. Es wurden Finanzprodukte erfunden, von denen man wusste, dass sie niemals funktionieren werden.

Sind Sie damit superreich geworden?

Nein. Ein guter Investmentbanker weiß, was gut und was schlecht für den Kunden ist. Verliert man einen Kunden, dann ist das für immer. Es ist also besser, weniger Geld zu machen, aber Vertrauen aufzubauen. Ich hatte Kunden, die mich gefragt haben, ob sie das 300-Millionen-Investment machen sollen. Wenn ich Ja gesagt habe, haben sie das Produkt gekauft, ohne es anzusehen. Geld ist Vertrauenssache.

Es wurde blind gekauft?

Die Menschen vor 2008 waren extrem naiv und haben viel Blödsinn geglaubt. Für mich galt immer: der Klient ist die Nummer eins. Nur wenn er Geld macht, verdiene auch ich dabei.

Gehören Geschäfte mit Diktatoren und Drogendealern zum Banking-Business dazu?

Nein, absolut nicht. Als ich bei HSBC bearbeitet habe, war ich von vielen sehr professionellen Managern umgeben, mit hohen moralischen Werten.

Ist der Markt heute wieder dort, wo er vor 2008 war?

Amerika wäre längst bankrott, wenn es nicht das Recht gebe, Geld zu drucken. Der Aktienmarkt hat sich erholt, der Dow Jones ist auf einem Allzeithoch. Viele Menschen in Amerika leben aber weit über ihre Verhältnisse. Positiv ist, dass die Welt multipolar geworden ist. Das macht die globale Wirtschaft vielleicht ein bisschen stabiler.

Also kein neuer Crash in Sicht?

Ein Crash kommt sicher wieder. Ich orte ihn in der Inflation. Die wird verschleiert und ist viel höher als wir glauben.

Also wohin mit dem Geld?

In Immobilien investieren und das Geld breit anlegen, inklusive Gold und Platin.

Ist der Job als Investmentbanker immer noch attraktiv?

Klar, man kann viel Geld machen. Die Protagonisten wachen allerdings langsam auf. Es gab Kollegen, die an ihrer Arbeit gestorben sind. Heute sagt dir die Firma, dass du nach sechs Tagen Durcharbeiten heimgehen musst.

Würden Sie jungen Menschen raten, ins Investmentbanking zu gehen?

Man muss dafür geboren sein. Meine Tochter war im Investmentbanking. Für sie war der schönste Moment jener Montag, als sie zu ihrem Chef ging, um zu kündigen. Es ist ein hartes Business.

Sie verließen vor 3,5 Jahren HSBC. Haben Sie ausgesorgt?

Ich lebe in New York – wenn man viel Geld verdient, gibt man auch viel aus. Man kann nicht einfach aufhören. Heute berate ich Nationalbanken und Regierungen. Finanzminister wollen wissen, wie es in Amerika wirklich aussieht.

Sie haben europäische Wurzeln – Amerika ist immer noch das Land, wo Sie leben möchten?

Ehrlich gesagt, hat sich Amerika dramatisch verändert. Das Motto dort: "Wenn du nicht mit uns bist, bist du gegen uns". Früher konnte man offen kommunizieren, seit 9/11 hat sich die Macht der Regierung immens gesteigert. Hinzu kommt die Propaganda der Medien.

New York oder London – welcher Finanzplatz ist wichtiger?

London. Aber wenn mich wer fragt, wohin man derzeit soll, sage ich: Hongkong.

Im Investmentbanking landete Boris A. Borozan zufällig. Als "Raketentechniker", wie er sich nennt (er studierte Elektrotechnik in Belgrad), sollte er bei Morgan Stanley Wahrscheinlichkeiten errechnen und bei Entscheidungen helfen – in einer Zeit, als es noch keine Computer gab. Nach und nach wurde er Investmentbanker. In seiner 40-jährigen Karriere arbeitete er für acht namhafte Banken in New York, London und Paris, darunter Morgan Stanley, Westdeutsche Landesbank, Paine Webber und HSBC (elf Jahre). Boris A. Borozan berät heute mit Global Sovereign Advisors Nationalbanken und Regierungen weltweit. Er lebt in New York.

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