Innovation: China kauft sich an die Weltspitze

226 Milliarden Euro pumpt das Land in die Forschung, um globaler Innovationsführer zu werden – aber funktioniert das auch? Eine Analyse

Es hat einen Durchmesser von 500 Meter, besteht aus 4450 Paneelen und soll intelligentes Leben im Weltall aufspüren: Mit FAST (Five-hundred-meter Aperture Spherical Telescope), dem weltgrößten Radioteleskop der Welt mitten in den Bergen der Provinz Guizho, greift China nicht nur nach den Sternen, sondern will vor allem als Forschungsnation wahrgenommen werden. Das geht nur mit Superlativen. Ein technischer Durchbruch gelang im Vorjahr auch mit dem Forschungssatelliten Wukong ("Affenkönig"), der das Rätsel Dunkler Materie im All endlich aufklären soll.

Physik und Astronomie

Nur zwei Beispiele für Spitzenforschung im Bereich Physik, Mathematik, Astronomie und Quantenforschung. Mit Rekordausgaben für Forschung & Entwicklung will China bis 2050 zum Weltmarktführer bei technologischen Innovationen werden, kündigte Wissenschaftsminister Wan Gang bei einer Pressekonferenz im Vorfeld des Volkskongresses kommende Woche. Im Vorjahr wurden die F&E-Ausgaben um 14 Prozent auf umgerechnet 226 Milliarden Euro erhöht. Der Minister kündigte zugleich weitere, massive Investitionen in die bisher vernachlässigte Grundlagenforschung an. Hier sollen Unternehmen stärker beteiligt werden.

Was ist abseits politischer Rhetorik von den Ankündigungen zu halten?

- Forschungsquote Die 226 Milliarden Euro mögen gigantisch klingen. Sie sind gemessen an der Wirtschaftsleistung des Landes aber immer noch ein unterdurchschnittlicher Wert. Nach Reuters-Berechnungen kam China im Vorjahr auf eine Forschungsquote von 2,1 Prozent des BIP. Das ist nur unwesentlich mehr als vor fünf Jahren und deutlich weniger als etwa Österreich mit 3,1 Prozent. Im jährlich erstellten "Global Innovation Index" des Beratungsunternehmens Strategy& verbesserte sich China im Vorjahr um drei Plätze auf Rang 22 von 127 untersuchten Ländern. Österreich belegt Rang 20.

- Technologieführer Egal ob Telekommunikation, eCommerce, Umwelttechnologie, Hochgeschwindigkeitszüge, Drohnen oder selbstfahrende Autos: China ist schon heute nicht mehr die Werkbank der Welt, sondern spielt in vielen Branchen technologisch in der Spitzenliga mit. Konzerne wie ZTE, Huawei, Alibaba, Baidu etc. sind expansiv ausgerichtet und werben auch internationale Experten an.

- Forschergeist China hat rund 1,5 Millionen Forscher an 750 Universitäten, rund 800.000 Chinesen studieren derzeit im Ausland. Mit 14 Prozent Anteil an den meistzitierten wissenschaftlichen Veröffentlichungen liegt China hinter den USA (25 Prozent) an zweiter Stelle. Allerdings ist die Forschung nicht frei, sondern unterliegt strenger Zensur. Mit Info- und Internetsperren verhindert die kommunistische Regierung, dass zu viele westliche Sichtweisen Einzug halten.

- Politischer Widerstand Präsident Xi Jinping baut seine Machtfülle stetig aus und verordnet China einen autoritären Kurs. Die Führung in Peking erwartet von den Technologie-Firmen, dass sie Daten zur Überwachung der Bürger freigeben. Das rückt die Infrastruktur-Investitionen in Südosteuropa ("Neue Seidenstraße") und die Einkaufstour bei innovativen Firmen in ein schiefes Licht. Die Sorge ist, dass auch im Westen bespitzelt wird oder die Versorgungssicherheit gefährdet sein könnte.

In den USA kann seit 1975 ein Regierungsausschuss Ausländern den Kauf einer US-Firma verbieten, wenn es die Sicherheit gefährdet. Auf EU-Ebene gewinnt diese Debatte soeben an Fahrt. Am Dienstag machte der deutsche Staatssekretär Matthias Machnig beim Handelsminister-Treffen in Sofia Druck: Noch 2018 müsse ein Gesetzesvorschlag für Abwehrmaßnahmen vorliegen. Chinas strategische Investitionen führten dazu, "dass in hohem Maße Know-how und Technologie abfließen".

Deutsche Unternehmen werden zwar drei Mal so oft von US-Firmen aufgekauft als von chinesischen. Die Asiaten verursachen aber ungleich mehr Wirbel: So geschehen 2016 bei der Übernahme von Roboterhersteller Kuka, beim geplanten 20-Prozent-Einstieg des Staatskonzerns SGCC bei Stromnetzbetreiber 50Hertz und jüngst bei Daimler: Dort hat Volvo-Eigentümerin Geely fast zehn Prozent erworben. Laut EY haben Chinas Investoren 2017 gut elf Mrd. Euro in deutsche Firmen gesteckt.

Verhindern kann das die deutsche Regierung selten: Das Außenwirtschaftsgesetz sieht (wie in Österreich) erst ab einer Schwelle von 25 Prozent eine Prüfung vor, wenn sich Nicht-EU-Firmen einkaufen. Für kritische Infrastruktur sei der Wert zu hoch, bemängeln Experten.

Bei Daimler hatte sich Geely praktisch unbemerkt angeschlichen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sah „auf den ersten Blick“ keine Verstöße, will aber klären, ob es „Lücken in der Transparenz der Meldepflichten“ gibt.

Kommentare