Nutzwertfestsetzung: Wenn ein Haus mehrere Eigentümer hat

Ein Bauplan eines Architekten mit einem Taschenrechner. Symbolfoto für Finanzierung und Planung eines neuen Hauses.
Schlichtes Miteigentum, Benützungsregelung und parifiziertes Wohnungseigentum – die wichtigsten Unterschiede im Überblick.

Besitzen zwei oder mehr Personen gemeinsam eine Liegenschaft, dann gibt es verschiedene rechtliche Möglichkeiten für die Nutzung. „Das schlichte Miteigentum kann man sich vorstellen wie eine Torte“, sagt Karin Sammer, Wohnrechtsexpertin des Österreichischen Verbandes der Immobilienwirtschaft (ÖVI). „ Es ist dabei aber nicht klar, welches ideelle Stück der Torte welchem Miteigentümer gehört.“ Ein Beispiel: Frau S. ist Alleineigentümerin eines Grundstücks mit einem darauf errichteten Wohnhaus. Sie übergibt das Eigentum an der Liegenschaft und dem Wohnhaus an ihre beiden Töchter. Nach Einverleibung im Grundbuch sind beide zu jeweils 50 Prozent Miteigentümer der Liegenschaft. Beiden gehört gemeinsam das Haus, doch niemandem gehört ein bestimmter Teil des Hauses allein.

Schlichtes Miteigenum

Nutzwertfestsetzung: Wenn ein Haus mehrere Eigentümer hat
Das sogenannte schlichte Miteigentum an einem Haus funktioniert, solange sich alle Parteien verstehen. Kommt es zu einem Interessenskonflikt, wird es schwierig. „Der gemeinsame Besitz kann mittels Teilungsklage aufgelöst werden“, sagt Sammer. Dieser Schritt kann von jedem Miteigentümer bei Gericht beantragt werden, in der Regel wird die Immobilie dann verkauft und der Verkaufserlös geteilt.

Benützungsvereinbarung

Eine Benützungsvereinbarung schafft mehr Klarheit. Sie muss von allen Miteigentümern einstimmig beschlossen werden. „Die Benützung der einzelnen Wohnungen oder der Wohnräume des Hauses teilen sich die Miteigentümer vertraglich auf“, sagt Sammer. Die Benützungsregelung sollte im Grundbuch angemerkt werden. Nur dann gilt sie auch für die Rechtsnachfolger. Allerdings kann sie von jedem Miteigentümer mittels Antrag beim Bezirksgericht aus wichtigem Grund wieder aufgehoben oder abgeändert werden.

Erst die Parifizierung schafft Klarheit

Bei der Nutzwertermittlung (Parifizierung) vermisst ein Ziviltechniker das gesamte Gebäude oder erarbeitet auf Basis der Planmaße ein Gutachten. „Ausgehend von den Quadratmetern der einzelnen Wohnungen werden die Flächen bewertet und es kommen Zu- und Abschläge hinzu“, sagt Sammer. Die Lage im Haus (straßen- oder hofseitig), das Stockwerk und Zubehör wie Keller, Stellplatz und Garten erhöhen oder mindern den Wert. Ein Beispiel: Die Wohnung Top 3 hat den Nutzwert 102. Die Summe der Nutzwerte aller Objekte der Liegenschaft ist 1346. Der Eigentümer von Top 3 ist mit 102 von insgesamt 1346 Anteilen Miteigentümer an der Liegenschaft. Untrennbar mit diesen Anteilen ist verbunden, dass er das ausschließliche Nutzungs- und Verfügungsrecht über die Wohnung Top 3 hat.

Betriebskosten werden nach Nutzwerten aufgeteilt

Nutzwertfestsetzung: Wenn ein Haus mehrere Eigentümer hat
Der Nutzwert einer Wohnung ist auch deshalb von großer Bedeutung, weil alle Aufwendungen für die Liegenschaft wie Betriebs- und Erhaltungskosten auf dieser Basis verrechnet werden. Jeder Wohnungseigentümer zahlt die Ausgaben anteilig gemäß seines Nutzwertes, wenn nicht einstimmig eine andere Berechnungsart vereinbart wurde. „Über die Berechnung der Nutzwerte wird häufig gestritten“, sagt Sigrid Räth, Rechtsanwältin und Wohnrechtsexpertin der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. „Hin und wieder stimmen die Planmaße mit den Naturmaßen nicht überein.“ In diesem Fall entscheidet die Schlichtungsstelle oder das Gericht. Werden im Laufe der Jahre Um- und Ausbauten im Haus durchgeführt, kann jeder Wohnungseigentümer einen Antrag auf Neuberechnung der Nutzwerte stellen. „Diese muss innerhalb eines Jahres nach Fertigstellung erfolgen, sonst bleiben die alten Werte bestehen“, betont Räth.
Im Wohnungseigentumsvertrag, der das Ziel der Parifizierung ist, räumen sich die Wohnungsbesitzer gegenseitig das ausschließliche Nutzungs- und Verfügungsrecht an ihren Wohnungen ein. „Einzelne Wohnungen können nicht parifiziert werden. Seit dem Jahr 2002 muss immer das ganze Haus erfasst werden“, sagt Sammer. „Im Gegensatz zum Miteigentum bietet das Wohnungseigentum deutlich mehr Rechtssicherheit“, sagt Räth. Außerdem ist eine unparifizierte Wohnung auf dem freien Markt weniger wert als Wohnungseigentum.

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