Kleine Scheine von der großen Masse

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Das Thema Crowdinvesting ist in der Immobilienbranche angekommen: Wie es funktioniert, was die Anleger davon haben, welche Risiken es gibt und was es den Bauträgern bringt.

Bisher kannte man Crowdinvesting eher von jungen Unternehmen, die damit ihre Ideen finanzierten. Für das modulare Fertighaus "McCube" zum Beispiel wurde ebenso Geld von der Crowd (engl. für Menge oder Masse) lukriert, wie für den Prototyp des "Wohnwagon". Seit einiger Zeit setzen auch immer mehr Projektentwickler auf die kleinen Scheine von der großen Masse.

Über Crowdinvesting-Plattformen kann sich jeder mit einem Betrag zwischen 100 und 5000 Euro (in Ausnahmefällen auch mehr) an einem konkreten Projekt beteiligen. Die Anleger erhalten eine jährliche Zinszahlung (für gewöhnlich zwischen vier und acht Prozent) und bekommen am Ende der Laufzeit (von meist einem bis vier Jahren) ihr Kapital zurück.

Natürlich könnten sich Bauträger auch selbst um die Finanzierung durch den Schwarm kümmern, doch mittlerweile gibt es einige Plattformen, die sich auf Immobilien-Crowdinvesting spezialisiert haben. "Da es doch ein gewisser administrativer und technischer Aufwand ist, wird es wohl auch in Zukunft Partner geben, die das für die Immobilienunternehmen abwickeln", erklärt Wolfgang Deutschmann, Geschäftsführer der Plattform Home Rocket.

Geld und Marketing

Für die Entwickler hat Crowdinvesting zwei große Vorteile: Sie können einen Teil der Baukosten finanzieren und das Projekt besser vermarkten. "Das durch Nachrangdarlehen aufgenommen Geld gilt als Eigenkapital. So können Projektentwickler die von den Banken geforderte Eigenkapitalquote erfüllen und kommen leichter zu Krediten. Gleichzeitig können sie die Bekanntheit ihres Immobilienprojektes steigern", erklärt Annika Wolf, Finanzexpertin und Partnerin bei PHH Rechtsanwälte. Kein Wunder also, dass die Auswahl an Projekten immer größer wird: Über die Plattform Reval kann man derzeit zum Beispiel in ein Objekt in Mödling investieren. Eine Altbau-Villa wird in drei Maisonette-Wohnungen umgebaut, zusätzlich werden sieben Wohnungen im Neubau errichtet. Immofunding sammelt aktuell für die Revitalisierung und Erweiterung einer Bestandsimmobilie im 15. Bezirk. Projektentwickler JP Immobilien will über Rendity 800.000 Euro für einen Neubau mit 50 Eigentumswohnungen lukrieren – knapp 100.000 Euro fehlen noch. Auch deutsche Unternehmen schätzen den österreichischen Markt: Die Vermehrt AG saniert und modernisiert ein Gründerzeithaus im 18. Bezirk; investieren kann man über die Plattform Sarego.

Für die Anleger ist Crowdinvesting eine gute Möglichkeit, projektbezogen in Immobilien zu investieren. "Wer sein Geld in einem großen Fonds anlegt, weiß nicht, was genau damit passiert, denn darüber entscheidet der Fondsmanager", sagt Tobias Leodolter, Geschäftsführer der Plattform Rendity. "Hier ist alles viel greifbarer. Vielleicht kenne ich das Grätzl, in dem gebaut wird oder wohne sogar in der gleichen Straße."

Ab 100 Euro

Die Crowdinvesting-Plattformen machen es den Anlegern leicht: auf der Webseite anmelden, ein Projekt aussuchen, Geld investieren. Dieser Ablauf ist bei allen Anbietern mehr oder weniger derselbe. Die Mindestsummen unterscheiden sich jedoch massiv. So kann man etwas bei Reval oder Sarego schon ab 100 Euro mitmachen. Wer über Home Rocket in eine Immobilie investiert, ist ab 250 Euro dabei, im Durchschnitt werden 1500 Euro aufgewendet. "Wir wollen die Schwelle bewusst niedrig halten, weil wir der Crowd – also wirklich jedem – ermöglichen wollen, zu investieren", erklärt Wolfgang Deutschmann. "Auf der Plattform ist vieles automatisiert. Es macht also für uns keinen großen Unterschied und nicht mehr Arbeitsaufwand ob 1000 oder 2000 Leute in ein Projekt investieren."

Wirklich für jeden scheint Immobilien-Crowdinvesting aber dann noch nicht interessant zu sein – oder jedenfalls noch nicht. Derzeit sind etwa 85 Prozent der Anleger bei Home Rocket Männer im Alter zwischen 39 bis 42 Jahren mit einem Durchschnittseinkommen von mehr als 2500 Euro netto.

Kleine Scheine von der großen Masse
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Mindestens 1000 Euro muss man bei der Plattform Rendity locker machen, im Durchschnitt werden 4000 Euro angelegt. "Wir haben dieses hohe Mindestinvestment, weil wir wollen, dass sich die Leute wirklich mit dem Thema beschäftigen, sich das Projekt genau anschauen und es sich wirtschaftlich auszahlt", sagt Leodolter. Die Laufzeit liegt im Durchschnitt bei 30 Monaten. Derzeit können die Investoren mit sechs bis sieben Prozent Rendite pro Jahr rechnen. "In der aktuellen Niedrigzinsphase ist das ein interessantes Investment und auch für viele Menschen leistbar. Bei 1000 bis 10.000 Euro sprechen wir von der Größenordnung eines Bausparvertrages – wenn man an die maximal förderbare Einmalzahlung von 7200 Euro denkt", sagt Leodolter.

Ein weiterer Vorteil: Die Investoren zahlen keine Gebühren, die holen sich die Plattformen vom Entwickler, für den sie Geld von der Crowd einsammeln.

Für den späteren Käufer oder Mieter einer Wohnung macht es übrigens keinen Unterschied, ob ein Teil der Baukosten über die Crowd finanziert wurde. "Es könnte vielleicht sogar ein Vorteil beim Vermieten oder Wiederverkauf sein, weil das Projekt schon bekannter ist", meint Leodolter.

Genau informieren

Wer investieren möchte, sollte sich die verschiedenen Platformen, die Bauträger und die konkreten Projekte genau ansehen. "Der Entwickler sollte schon einige Projekte erfolgreich abgeschlossen haben", sagt Deutschmann. "Wir arbeiten nur mit Unternehmen, die schon Erfahrung haben. Und wir steigen nicht ganz zu Beginn ein, sondern erst rund um die Baubewilligung. Damit gibt es kaum ein Risiko, dass das Projekt nicht verwirklicht wird." Klingt gut, ist es auch. Trotzdem muss man sich dessen bewusst sein, dass es hier um Risikokapital geht – im schlimmsten Fall ist alles weg.

Es ist daher sinnvoll, ein Portfolio aufzubauen und kleinere Beträge in verschiedene Projekte zu investieren anstatt alles auf eine Karte zu setzen.

Risiken bedenken

Die Anleger investieren ihr Geld in Form eines Nachrangdarlehens. "Sollte das Projekt nicht erfolgreich sein, bekommt man das investierte Kapital erst dann zurück, wenn alle anderen Gläubiger befriedigt wurden. Im Falle einer Insolvenz ist das Risiko somit sehr hoch, dass die Anleger leer ausgehen", erklärt Rechtsanwältin Annika Wolf. Sie ist dennoch optimistisch: "Hinter den Immobilienprojekten stehen Unternehmen, die ihr Geschäft schon jahrelang erfolgreich betreiben."

Wilhelm Rasinger, Präsident des Interessensverband für Anleger (IVA), steht dem Ganzen etwas reservierter gegenüber: "Immobilien lösen immer eine Faszination aus. Es entsteht ein Besitzerstolz, eine Beziehung. Aber man darf sich von schönen Fotos und hohen Zinsversprechungen nicht täuschen lassen. Es muss einem klar sein, dass man mit einem Nachrangdarlehen voll im Risiko ist, man kommt erst nach allen anderen dran."

Zwar klären die Anbieter über die Risiken auf, Rasinger befürchtet jedoch, dass viele Anleger etwas zu sorglos an die Sache herangehen: "Die meisten sind keine professionellen Investoren, sondern kleine Sparer, die eine Alternative zum Sparbuch suchen und glauben, Immobilien sind immer sicher. Aber das stimmt so nicht. Mein Appell an die Anleger: Erkundigen Sie sich genau, wie das Nachrangdarlehen konstruiert ist und was das für Sie bedeuten kann. Informieren Sie sich über die Risiken und nehmen Sie diese ernst."

www.rendity.com

www.homerocket.at

www.reval.co.at

www.dagobertinvest.at

www.immofunding.com

www.conda.at

www.sarego.de

www.iva.or.at

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