IHS-Chef: Diese Reformen sind nun notwendig

IHS-Chef Martin Kocher.
Was sich Martin Kocher von der nächsten Regierung erwartet: Steuerlast auf kleine und mittlere Einkommen senken.

Der Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS), Martin Kocher, sieht für die nächste Regierung eine Reihe von Reformagenden auf dem Tisch liegen, die eigentlich im Wahlkampf relativ untergangen seien. "Viele Themen, die extrem wichtig wären, sind im Wahlkampf nur gestreift worden", sagte Kocher gegenüber der APA.

Eine Senkung der Lohnnebenkosten für kleine und mittlere Einkommen kam zwar bei fast allen Parteien im Programm vor, nun müsse hier etwas unternommen werden, fordert Kocher. Österreich brauche eine Steuerreform zur Entlastung von kleinen und mittleren Einkommen. Derzeit sei der Anstieg der Belastung von 11.000 Euro Jahresgehalt aufwärts bis ca. 30.000 Euro sehr steil.

Vom Bildungsbereich habe man im Wahlkampf nur sehr wenig gehört, obwohl es einer der Schlüsselbereiche für Arbeitsmarkt und Integration sei, meinte Kocher. "Wir müssen schauen, dass wir nicht zu viele Schülerinnen und Schüler verlieren." 15 bis 20 Prozent könnten nach der Pflichtschule nicht einmal die grundlegenden Fähigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Das hänge mit der Migration und vielen anderen Faktoren zusammen.

Zur Lösung dieses Problems schlägt Kocher vor, den Schulen mehr Autonomie zu geben. Auch müssten mehr Mittel im Bildungsbereich bei den Schulen überhaupt ankommen, dazu sollte der ganze Bereich effizienter gestaltet werden. "Mehr Geld würde den Schulen auf jeden Fall helfen", denn die Schulen müssten neben der Herausforderung durch Migration auch die Digitalisierung bewältigen.

Im Pensionsbereich verweist Kocher auf die hohe Belastung des österreichischen Budgets durch Pensionszuschüsse: Ein Viertel des Budgets gehe in die Pensionen - das sei auf Dauer ein Problem, weil es keine Investitionsausgaben seien. Ein "sanftes Anheben" des Pensionsantrittsalters über die nächsten Jahre hinweg würde das Budget entlasten, so der Ökonom. Die Pensionen bzw. die Ansprüche zu kürzen wäre für ihn aber kein Ziel, sondern man sollte das tatsächliche Pensionsantrittsalter an das gesetzliche Pensionsantrittsalter deutlich annähern - dann wäre das gesamte Pensionsproblem in Österreich gelöst.

Grundsätzlich sieht Kocher großen Bedarf, weite Bereiche des Staatsgefüges effizienter zu gestalten. Österreich liege zwar bei vielen Leistungen - Gesundheit, Start-ups, Bildung - im internationalen Vergleich recht gut, "aber wir erkaufen uns die Ergebnisse zu sehr hohen Kosten". Ein "Effizienzproblem" in vielen Bereichen liege häufig daran, dass die Strukturen sehr unsauber gelöst seien: Es gebe Doppelzuständigkeiten und keine klaren Verantwortlichkeiten im Föderalismus. "Man müsste klare Zuordnungen machen", fordert Kocher. So sollte die Einnahmen- und Ausgabenverantwortung in einer Hand liegen und nicht so stark getrennt sein wie in Österreich. Die Länder hätten keine Einnahmenverantwortung, aber maximale Ausgabenverantwortung - hier ortet Kocher hohe mögliche Kosteneinsparungen. Eine Änderung des bestehenden, unsauber getrennten Systems, wäre mit dem Föderalismus durchaus in Einklang zu bringen, so der Ökonom: "Man müsste sich einigen, was sind Aufgaben des Bundes, was sind Aufgaben der Länder."

Grundsätzlich könnte derartige Reformvorhaben jede Koalition durchführen, egal welcher Konstellation, meint Kocher. Ob es bei einzelnen Koalitionsfärbungen eine höhere Wahrscheinlichkeit zur Umsetzung gebe, sei für ihn derzeit schwer zu sagen.

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