Hypo-Strudel verschlingt noch mehr

Hypo-Strudel verschlingt noch mehr
Die Katastrophen-Bank kann in Summe vier Steuerreformen kosten.

Beschwichtigen, untertreiben, schönreden. Die tatsächliche Lage erst eingestehen, wenn die Fakten nicht mehr vertuscht werden können. Seit der Notverstaatlichung der Kärntner Hypo Ende 2009 mussten die Verluste im Halbjahres-Takt nach oben korrigiert werden.

Wie viel wird das Desaster der Unglücksbank die Steuerzahler in Summe kosten? 10, 14 oder 20 Milliarden Euro – die Größenordnungen sind längst jenseits der Vorstellungswelt der Normalbürger. Die ganze Wahrheit werden die Österreicher frühestens 2020 wissen, wenn abgerechnet ist.

Der KURIER versucht mithilfe von politisch unabhängigen Experten eine Annäherung.

Zugegeben, 20 Milliarden, das vierfache Volumen der Steuerreform, ist der Worst Case. Da müsste bei der Abwicklung der Katastrophen-Bank, die in Heta Asset Resolution AG umbenannt wurde, viel schieflaufen. Nachdem der vernichtenden Griss-Bericht aufzeigte, wie bisher auf allen Ebenen versagt wurde, ist dieses Szenario allerdings durchaus realistisch.

"Ein Totalschaden von mehr als 20 Milliarden Euro ist nicht unwahrscheinlich. Bisher waren die schlechtesten Prognosen immer noch zu gut", meint die Volkswirtschafts-Professorin Eva Pichler von der Wiener Wirtschaftsuni. Selbst Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny, SPÖ, gibt zu, dass sich das Verlustpotenzial der Heta "monatlich" ändern könne. Weil die Bewertungen des Vermögens stark schwanken können. Hannes Androsch, SPÖ, Aufsichtsratschef der staatlichen Banken-Abwicklungsgesellschaft Fimbag, schätzte den Gesamtschaden vor drei Jahren auf bis zu sieben Milliarden. Am Freitag gestand er ein, "ich habe mich geirrt". Finanzminister Hans Jörg Schelling, ÖVP, könne froh sein, mit 14 Milliarden davonzukommen.

Zur Erinnerung: Noch im März band Bank-Chef Alexander Picker der Öffentlichkeit einen gewaltigen Bären auf. Die Hypo werde den Staat höchstens noch vier Milliarden Euro kosten. Damals war die Bank so gut wie insolvent und Eingeweihten war klar, dass die vier Milliarden nie und nimmer reichen werden.

Bis jetzt pumpte die Republik 5,55 Milliarden Euro in die Bank. Partizipationskapital, Kapitalerhöhungen, Gesellschafterzuschüsse und eine Garantie über eine Milliarde Euro. Rund 3,5 Milliarden Euro kostet die Errichtung der Heta. Nowotny rechnet für 2014 jedenfalls mit 4,2 Milliarden,die budgetwirksam werden. Damit wären wir zum Ultimo 2014 insgesamt schon bei neun Milliarden Staatshilfe.

In die Heta sind knapp 19 Milliarden Euro gepackt. Wertpapiere, Immobilien, Kredite. Mit den Erträgen, die aus dem Abverkauf der Vermögenswerte und den Rückzahlungen der Kreditnehmer hereinkommen, muss die Heta die vom Land Kärnten garantierten Anleihen und Pfandbriefe zurückzahlen.

Unter den Immobilien sind zwar die Kempinski-Hotelanlage "Rezidencija Skiper" in Kroatien und verpachtete Einkaufszentren. Verkaufsversuche scheiterten bisher jedoch, die Interessenten wollten zu billig Schnäppchen machen. Etliche Immobilien, wie etwa Werkshallen in Randlagen, die säumigen Kreditnehmern abgenommen wurden, sind überhaupt unverkäuflich.

Rund zehn Milliarden Euro sind in der Überraschungsbox an Krediten drin. Wenn’s sehr gut geht, wird ein Drittel davon bedient. Eher weniger. "Nicht anzunehmen, dass viele Kreditnehmer freiwillig zurückzahlen werden. Doch die Hypo hat kaum Sicherheiten und Eigentumsrechte. "In Kroatien beispielsweise gibt es kein Grundbuch", ist der Wirtschaftsprüfer Günther Robol, einer der Initiatoren von "Tatort Hypo", skeptisch.

Die Abbau-Einheit enthält auch 2,4 Milliarden Euro an Kreditlinien, welche die Hypo für ihre Südosteuropa-Banken (SEE-Holding) übernommen hat. Scheitert der Verkauf der SEE wieder, kämen rund acht Milliarden Euro an Bilanzsumme ebenfalls in die Abbau-Einheit. Außerdem drohen in Südosteuropa Sammelklagen von Fremdwährungs-Kreditkunden.

Für die Not leidende Hypo Italien sind 1,7 Milliarden an Kreditlinien in der Heta. Italien darf kein Neu-Geschäft mehr machen, allenfalls könnten Teile des Portfolios 2015 verkauft werden. Kaum anzunehmen, dass sich dafür Interessenten finden werden.

2015 muss die Heta 2,7 Milliarden Euro an Anleihen mit Kärnten-Haftung zurückzahlen. Bis 2017 sind mehr als 10 Milliarden fällig. Da es völlig unrealistisch ist, dass die Abbau-Einheit soviel erwirtschaftet, wird wieder der Steuerzahler einspringen müssen. Schelling lässt derzeit die Assets der Heta von Wirtschaftsprüfern durchleuchten. Sobald die realistischen Werte am Tisch liegen, will er entscheiden, wie er vorgeht. Und ob eine Insolvenz vernünftig wäre.

Eine Pleite hätte Vor- und Nachteile. Die Anleihegläubiger könnten von Kärnten sofort die gesamten elf Milliarden einfordern. Die SEE-Banken und die Italien-Tochter würden die Refinanzierungslinien behalten. Damit wären auf einen Schlag mehr als 15 Milliarden fällig.

Andererseits müsste die Hypo den Bayern die eingeforderten 2,4 Milliarden Euro nicht mehr zurückzahlen. Man wäre die Bayern los, aber Kärnten wäre pleite. Der Streitwert, um den sich die Bayern und die Hypo vor Gericht bekriegen, beläuft sich mittlerweile inklusive Zinsen schon auf mehr als fünf Milliarden Euro.

Der nächste Bittgang zur EU-Kommission könnte bald bevorstehen. Denn aus dem Beihilfen-Bescheid vom Vorjahr sind nur noch 2,9 Milliarden Euro an Staatshilfe offen. Dieser Betrag wird rasch verbraucht sein. Anzunehmen, dass Österreich mit Schelling in Brüssel diesmal härter auftreten wird.

"Der eigentliche Kollateralschaden aber ist, dass der Staat wegen dieser Bank bei den Bildungskosten und den Investitionen sparen muss. Das ist der große Schaden für die Zukunft dieses Landes", resümiert Robol. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Kommentare