Hochwasser: Gemeinsam gegen den Verbund

In der Klosterneuburger Siedlung „Strombad Kritzendorf“ war die Schlammschicht nach dem Hochwasser 2013 bis zu eineinhalb Meter dick.
Klosterneuburgs Bürgermeister regt gemeinsames Vorgehen der Donau-Gemeinden an.

Die juristische Aufarbeitung des Donau-Hochwassers vom Juni 2013 wird wohl noch länger dauern: In einem Entschädigungsprozess um die Kosten der Schlammräumung in einer Klosterneuburger Badesiedlung ziehen die Anwälte des beklagten Verbund-Konzerns alle Register, um das Verfahren in die Länge zu ziehen (siehe unten), meinen die Betroffenen.

Jetzt hebt Klosterneuburgs Bürgermeister Stefan Schmuckenschlager die Angelegenheit auf eine politische Ebene: Er hat dieser Tage an seine Amtskollegen von insgesamt 64 Donau-Anrainergemeinden in Ober- und Niederösterreich geschrieben und regt einen Zusammenschluss der betroffenen Kommunen zu einer Interessensgemeinschaft an.

Hochwasser: Gemeinsam gegen den Verbund
Schmuchenschlager, Höllerl
"Wir sind keine Streithanseln, aber wir wollen eine Lösung, die hält", begründet Schmuckenschlager sein Engagement. Ihm geht es nicht um allfällige (Sammel-)Klagen, sondern um politische Lösungen für die Zukunft: Maßnahmen, um die Folgen künftiger Überflutungen klein zu halten und Regeln für Schadensregulierungen nach Hochwasser-Ereignissen.

Folgeschäden

"Hochwässer hat es immer gegeben, das wird auch in Zukunft nicht zu verhindern sein", räumt Schmuckenschlager in seinem Schreiben an die Bürgermeister-Kollegen ein. Sehr wohl zu verhindern sei aber, dass Folgeschäden, wie die Verschlammungen nach den Hochwässern 1991, 2002 und 2013 auch in Zukunft entstehen: "Konkret geht es um Maßnahmen, wie die Änderung der Wehrbetriebsordnungen bei den Staustufen, um Ausbaggerungen der Sedimente aus den Staubecken oder um die Schaffung von Überschwemmungsgebieten", erklärt der Klosterneuburger Stadtchef.

Mit einem gemeinsamen Auftreten der betroffenen Gemeinden erhofft sich Schmuckenschlager bessere Verhandlungspositionen gegenüber den Kraftwerksbetreibern: "Wir legen mehr politisches Gewicht auf die Waage, um das staatliche Unternehmen Verbund zu bewegen, die Hochwasser-Folgen gemeinsam mit den Gemeinden zu lösen." Als ersten Schritt will er alle interessierten Bürgermeister nach Klosterneuburg einladen, um gemeinsame Positionen zu erarbeiten.

Verbund-Sprecher Florian Seidl verweist auf ein gutes Gesprächsklima zu den Donau-Gemeinden, das nach dem Hochwasser noch intensiviert wurde.

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Nach dem Donau-Hochwasser 2013 klagten Stift und Stadtgemeinde Klosterneuburg, vertreten von den Anwälten Gerd Höllerl und Gerhard Renner, die Verbund Hydro Power GmbH. als Betreiber des Donaukraftwerks Greifenstein auf 550.000 Euro Schadenersatz für die Schlammräumung in der Badesiedlung „Strombad Kritzendorf“.
Im laufenden Zivilprozess greifen die Verbund-Anwälte tief in die Trickkiste, um ein allfälliges Urteil gegen den Energieversorger hinauszuzögern: Sie stellen die Zuständigkeit des Zivilgerichts in Frage, formulieren Einwände, legen gegen deren Abweisung außerordentliche Revision beim Höchstgericht ein und rufen den Verfassungsgerichtshof mit einer Individualbeschwerde an.
Verbund-Sprecher Florian Seidl will von bewusster Verzögerung nichts wissen: „Das ist ein Präzedenzfall, wir müssen das ausjudizieren, um Rechtssicherheit zu schaffen.“

Knapp zwei Jahre nach dem verheerenden Hochwasser vom Juni 2013 steht vielen Flutopfern im Eferdinger Becken eine einschneidende Veränderung bevor: „Einige Familien aus meiner Gemeinde haben schon Kaufverträge für Ersatzgrundstücke unterschrieben. Sie werden absiedeln“, sagt Goldwörths Bürgermeister Johann Müllner.
Insgesamt wurden in der „gelben Zone“ – dort, wo das Hochwasser am schlimmsten wütete – 144 Schätzgutachten für eine freiwillige Absiedelung eingeholt. Bis Jahresende müssen die Hausbesitzer entscheiden, ob sie das Angebot (80 Prozent vom Zeitwert des Gebäudes und der Abrisskosten) annehmen oder nicht.

Hochwasser: Gemeinsam gegen den Verbund
APA13033384-2 - 03062013 - ENGELHARTSZELL - ÖSTERREICH: ZU APA 0042 CI - Situationsübersicht in Engelhartszell aufgenommen am Montag, 3. Juni 2013. Nach den heftigen Regenfällen in Österreich ist es zu Überschwemmungen gekommen. APA-FOTO: THOMAS LEITNER
Viele Betroffene in der Region empfinden die Absiedelungen als Vertreibungsaktion. Politik und Kraftwerksbetreiber Verbund würden es sich zu einfach machen. „Von einer Mitverantwortung des Verbunds ist keine Rede. Da gibt es auch null Entgegenkommen“, sagt Müllner.

Der Idee aus Klosterneuberg, sich mit anderen Hochwasser-Gemeinden zusammenzutun, kann er viel abgewinnen. Wichtig sei vor allem Transparenz. „Wie sieht es mit den Wehrbetriebsordnungen und der Instandhaltung der Kraftwerke aus? Wir müssen uns gemeinsam für die Zukunft vor neuen Hochwassern absichern.“
Steyreggs Bürgermeister Johann Würzburger pflichtet seinem Amtskollegen bei: „Interessant ist, welche Auswirkungen die Bewirtschaftung der Donau hat.“ Ansprüche gegen den Verbund müssten rasch geprüft werden. Denn: „Im Juni 2016 ist alles verjährt.“

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