Heile Welt war einmal: Angst regiert Börsen

Heile Welt war einmal: Angst regiert Börsen
An den Börsen herrscht das Zittern: Schuldenkrise und Rezessionsangst treiben Aktien in den Keller und Gold in Rekordhöhe. Der KURIER hat drei Szenarien für Anleger entworfen.

In der vergangenen Woche haben Anleger an den Börsen rund um den Globus Milliarden verloren. Investoren flüchteten aus Angst vor einer Ausweitung der Schuldenkrise in den USA und Europa in Gold und den Schweizer Franken, die beide auf Rekordwerte hochschnellten.

Ist das die beste Strategie? Was sollen Anleger jetzt tun? Der KURIER hat zusammen mit Börsen- und Veranlagungsexperten drei Szenarien entworfen, die mögliche Varianten für die weitere Entwicklung umreißen. Je nachdem, an welches Szenario ein Investor glaubt, wird sich seine Veranlagungsstrategie ausrichten. Hält er "die Rettung" für wahrscheinlich, kann er weiter Aktien, Investmentfonds und Anleihen kaufen. Geht er von einer "Vollbremsung" aus, wird er zumindest vorübergehend in Gold flüchten. Sobald das Konjunkturtief zu Ende geht, kann er in Aktien zurückkehren. Beim "Big Bang" sind nur noch Sachwert-Investments wie Immobilien, Gold oder Gemälde zu empfehlen.

Szenario 1: Die Rettung

Es ist eine schmale Gratwanderung: Regierungen in Europa und in den USA setzen einen Sparkurs um, der die Schulden "sanft" über zehn bis 15 Jahre auf ein erträgliches Maß zurückfährt, die Konjunktur aber nicht abwürgt. In der Eurozone würde das bedeuten: Eine Neuverschuldung von höchstens drei Prozent der Wirtschaftsleistung eines Landes und Gesamtschulden von nicht mehr als 60 Prozent.

Die Politiker müssten dafür die Steuerschraube wohl ein bisschen anziehen und Ausgaben kürzen. Beides muss in einer Weise erfolgen, die Unternehmen nicht um ihre Wettbewerbsfähigkeit bringt und den Bürgern die Konsumlaune nicht verdirbt. Die Wirtschaft würde in diesem Fall weiter gut laufen, wenn auch die Wachstumsraten etwas geringer als bisher ausfallen dürften.

Der Sparkurs wäre nicht so drastisch, dass die Wirtschaft in eine Rezession fällt - also einen Rückgang von Produktion verbunden mit wachsender Arbeitslosigkeit. Das große Problem für die Politik in diesem Fall: Spielen die Wähler dabei mit? Sparzwänge sind unpopulär und werden vor Wahlen nicht gerne umgesetzt.

Vor diesem Problem steht beispielsweise Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. Das Budgetdefizit des Landes hat mit sechs Prozent der Wirtschaftsleistung bedrohliche Ausmaße erreicht. An den Börsen ging in der Vorwoche bereits das Gerücht um, Frankreich werde seine Top-Kreditwürdigkeit bald verlieren. Mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr steckt Sarkozy in der Klemme: Setzt er einen Sparkurs durch, der das Budget nachhaltig saniert, könnten ihm das die Wähler übel nehmen. Macht er es nicht, werden es ihm die Börsen übel nehmen.

Veranlagungsstrategie: Aktionäre können gute Gewinne erwarten

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Bleibt die Wirtschaft auf Wachstumskurs, werden auch die Unternehmen gut verdienen. Das wiederum verspricht erfolgreiche Geschäfte an der Börse. Anleger, die an eine positive wirtschaftliche Entwicklung glauben, kaufen Aktien. Nach dem Absturz der Kurse in den vergangenen Tagen sind diese sogar vergleichsweise billig zu haben. Allerdings müssen Aktionäre ein Schwanken der Kurse aushalten können - also auch Verluste verkraften. Als relativ "sicher" gelten Aktien von Unternehmen, die wenig von der Konjunktur abhängen: etwa Energieversorger oder Nahrungsmittelkonzerne.

Szenario 2: Die Vollbremsung

Was es bedeutet, die Schulden weiterhin steigen zu lassen, bis alle potenziellen Kreditgeber dem Land kein Geld mehr leihen wollen, und erst dann scharf auf die Ausgabenbremse zu treten, lebt Griechenland derzeit vor. Die Athener Regierung bekommt von privaten Financiers kein Geld mehr, ist auf die Hilfe der EU angewiesen und hat einen abrupten, heftigen Sparkurs beginnen müssen.

Gehälter von Beamten müssen gekürzt, die Zahl der Mitarbeiter in Ministerien und staatlichen Institutionen drastisch gekürzt und die staatlichen Pensionen reduziert werden. Der Staat hat kein Geld mehr, mit öffentlichen Investitionen die Wirtschaft zu unterstützen. Die Bürger haben weniger Geld für Konsum und die Unternehmen investieren weniger.
All diese Zutaten lassen das Land in eine tiefe wirtschaftliche Rezession schlittern. Das heißt: Das "Kaputtsparen" lässt die Wirtschaft schrumpfen, die Arbeitslosigkeit steigen. Die soziale Stabilität ist gefährdet. Gewerkschaften mobilisieren zu Protesten und Streiks.

Der Hoffnungsschimmer im Fall Griechenlands ist die Hilfe von der Staatengemeinschaft der EU. Mit dem Geld der Mitgliedsländer soll die Wirtschaft des Landes wettbewerbsfähig werden und langsam wieder auf die Beine kommen. Wenn allerdings nicht ein oder zwei Länder den Weg des "Kaputtsparens" nehmen, sondern viele, legen ganze Regionen den wirtschaftlichen Rückwärtsgang ein. Dann wird es schwierig, Geldgeber für einen neuerlichen Aufschwung zu finden. Staatsunternehmen und öffentliche Einrichtungen - von Sozialversicherungen über Spitäler bis zu Schulen - müssten verkauft werden. China ist eines der Länder, die sich dank seiner hohen Überschüsse solche Käufe leisten könnten.

Veranlagungsstrategie: Gold bleibt der sichere Hafen für Anleger

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Wer an eine Rezession und anschließende Erholung glaubt, kann vorübergehend in Gold flüchten. Der Preis ist seit Ausbruch der Finanzkrise im Herbst 2008 allerdings schon enorm gestiegen. Dennoch rechnet eine Reihe von Experten in den Banken, dass der Aufwärtstrend des Edelmetalls weitergehen könnte. Beim Goldkauf ist zu beachten: Es bringt keine Zinsen wie etwa Sparbücher. Und die Lagerung des Goldes in Bankdepots kostet Geld. Gewinnen können Investoren mit Gold nur, wenn der Preis steigt. Damit sollte in Zeiten einer Rezession durchaus zu rechnen sein.

Szenario 3: Der Big Bang

Die Politik nimmt die wachsenden Schuldenberge nicht wirklich ernst und verschiebt das Problem in die Zukunft. Die Folge: Die Schuldenberge wachsen, bis es schließlich zum "Big Bang" kommt - eine totale Zahlungsunfähigkeit des Staates.

Gehälter für Beamte, Lehrer, Ärzte in öffentlichen Spitälern könnten nicht mehr gezahlt werden. Der private Konsum würde rapide einbrechen, Banken kämen in Bedrängnis. Der Staat aber könnte nicht mehr helfend eingreifen. Nicht einmal Sparguthaben wären in diesem Fall sicher. Unruhen, wie sie in den vergangenen Tagen Großbritanniens Großstädte erschütterten, könnten in vielen europäischen Städten zum Alltag werden.

Aber schon bevor dieser Big Bang eintritt, könnte sich die Stimmung in der Bevölkerung rapide verschlechtern und das Vertrauen in die Politiker erschüttern. Ein weiteres Auftürmen der Schulden ohne politische Gegenmaßnahmen würde nämlich von den Finanzmärkten abgestraft - das heißt: Anleihezinsen der Staaten würden nach oben getrieben und jede neue Verschuldung wäre damit teurer. Aktienkurse würden abstürzen, Banken würden an Finanzstärke verlieren. Die Menschen würden den Instituten nicht mehr trauen und Geld abziehen, ins Ausland und in sichere Häfen wie die Schweiz bringen. Begonnen hat dieser Prozess bereits.

Wie schlimm sich wachsende Spannungen in der Weltwirtschaft auf den Lebensstandard auswirken können, haben die Forscher des Londoner Centers for Business and Economic Research untersucht. Demnach könnte der Wohlstand während einer Generation um ein Viertel fallen. Das würde die Stabilität der westlichen Gesellschaft bedrohen.

Veranlagungsstrategie: Langfristig Vermögen mit Immobilien absichern

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Wer einen Zusammenbruch des Wirtschaftssystems befürchtet, kann sein Geld für den Kauf einer Immobilie verwenden. Zwar sind die Preise für Eigentumswohnungen wegen der Unsicherheiten über die Konjunktur schon stark gestiegen. Die jährliche Verzinsung des eingesetzten Kapitals erreicht durch die Vermietung der Immobilie nur zwei bis vier Prozent. Aber auch beim Investieren in Eigentum - etwa der Kauf einer Vorsorgewohnung - muss der Anleger einen finanziellen Polster haben, um Durststrecken zu überstehen: etwa Zeiten ohne Mieter. Die Betriebskosten sind immer zu zahlen.

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