Handel: Warteschlange nach der Razzia

Handel: Warteschlange nach der Razzia
Rewe wurde gefilzt wie bei einer "Drogenrazzia". Jetzt streiten die Anwälte über die Einsicht in Tausende Datensätze.

Eines ist den Beamten der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) zweifelsohne gelungen: Sie haben mit ihrer Hausdurchsuchung bei Rewe (Billa, Merkur, Adeg) mächtig Staub aufgewirbelt. Bei der Rewe im Speziellen und in der Branche im Allgemeinen. Den Vorwurf, dass Preise abgesprochen und damit Konsumenten geprellt wurden, kann in der Branche niemand brauchen.

Entsprechend unwirtlich wurden sie empfangen, klagen die Mitarbeiter der BWB. Sie seien bei den Ermittlungen behindert worden, beschlagnahmte Notebooks seien ihnen aus der Hand gerissen worden. Aus Sicht der Rewe war alles anders. "Sie sind bei uns eingefallen wie bei einer Drogenrazzia", ärgert sich ein Mitarbeiter. Die Beamten seien völlig unkoordiniert vorgegangen. Einige Einkäufer wurden gleich drei, vier Mal gefilzt, andere gar nicht. Und da die Beamten gar nicht gewusst hätten, was sie suchen, hätten sie sich sogar Unterlagen über die Zerlegung von Schweinen unter den Nagel gerissen. Die Nerven lagen auf beiden Seiten blank.

Dokumente versiegelt

Erst nach acht Arbeitstagen sind die Beamten wieder abgezogen. Mit vier Wäschekörben an Unterlagen, Computer-Festplatten und ein paar Gigabyte an Daten – so viel wurde überhaupt noch nie bei einer Hausdurchsuchung in Österreich sichergestellt.

Wer glaubt, die Beamten sichten nun das Material, irrt aber. Der Lebensmittelhändler hat die Versiegelung aller Dokumente beantragt. Die BWB hat Mitte der Woche einen Bericht über die Razzia an das Kartellgericht übermittelt. Bei diesem liegt nun die Entscheidung, ob und wie viel der Unterlagen freigegeben werden. "Eine solche Datenmenge ist für alle Beteiligten eine Premiere", sagt Kartellanwalt Alfred Mair. Es sei "abso lut nicht vorhersehbar", wie viel freigegeben wird. Der Teufel steckt wie so oft im Detail. Schließlich kann man lange darüber streiten, ob eine Zahl nun ein Geschäftsgeheimnis ist oder nicht. Ob es vor Ostern eine Entscheidung gibt, steht in den Sternen.

Bei der Konkurrenz von Rewe atmet man auf, dass die Ermittler – noch – nicht im eigenen Haus waren. Ob sie noch kommen, ist aber offen. Parallele Ermittlungen bei allen Händlern wären schon aus Kapazitätsgründen nicht möglich. Die BWB hat 20 Fallbearbeiter. 15 davon (plus einige Polizisten) sind bei Rewe aufmarschiert, die anderen haben den Betrieb in der Behörde aufrechterhalten.

Sensibilisierung

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Derzeit wollen sich weder Rewe noch die BWB zu den Ermittlungen äußern. In der Branche wird gemunkelt, dass Behördenchef Theodor Thanner sich die Vorführung der Rewe bis zum Schluss seiner Amtszeit als Joker aufgehoben hat. Bisher galt er im Vergleich zu seinem Vorgänger Walter Barfuß als eher blasse Erscheinung. Bereits Barfuß hat den Handel durchleuchtet – und das war nicht ganz einfach. Rewe, Spar und Hofer teilen sich mehr als 80 Prozent des Marktes. Die Abhängigkeit der Lieferanten von den Händlern ist hoch, Preiserhöhungen schwer durchzusetzen. "Kein Händler will als Erster die Preise hinaufsetzen, weil er dadurch einen Wettbewerbsnachteil hat", sagt Handelsexperte Peter Györffy. Einige Hersteller haben sich seinerzeit bis zum Obersten Gerichtshof gegen eine Aussage bei BWB gewehrt. Geholfen hat es ihnen nicht. Barfuß sprach von einem "grauslichen Sittenbild" und "brutalsten Bandagen" – verurteilt wurde niemand. In der Branche sagt man, dass die Untersuchung zumindest zu einer Sensibilisierung geführt hat und für die Judikatur fruchtbar war.

Für den VP-nahen Theodor Thanner tickt die Zeit. Sein 5-Jahres-Vertrag läuft aus, sein Job ist ausgeschrieben – am Sonntag endet die Bewerbungsfrist. Thanner, der unter Wirtschaftstreibenden weniger angesehen ist als sein Vorgänger Barfuß, will den Job wieder. Für die Stellenbesetzung ist VP-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner zuständig. Und der soll über die mediale Inszenierung der Razzia "not amused" gewesen sein.

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Wettbewerbsbehörde darf künftig selbst Strafen verhängen

Die in Österreich gerne als zahnlos bezeichnete Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) erhält schon bald mehr Biss. Durch die Novellierung des Wettbewerbs- und Kartellrechts wird die BWB – ähnlich wie jetzt schon in Deutschland – zur Vollbehörde mit zahlreichen Ermittlungs-Befugnissen. Die Gesetzesänderungen sollen noch vor dem Sommer im Parlament beschlossen werden.

Sollten Unternehmen bei Untersuchungen Auskünfte verweigern beziehungsweise unrichtig oder unvollständig weitergeben, kann die Behörde in Folge künftig Strafen von bis zu 50.000 Euro verhängen.

Als "abschreckende Wirkung" werden die entsprechenden Strafbescheide auch veröffentlicht. Bisher war die BWB bei auskunftsunwilligen Unternehmen auf die Hilfe des Kartellgerichts angewiesen, was die Ermittlungen oft unnötig lange verzögerte. Auch bei Hausdurchsuchungen, wie beispielsweise zuletzt bei Rewe, erhält die Behörde mehr Durchgriffsrechte. So soll sie fortan die Möglichkeit haben, selbst Räumlichkeiten zu versiegeln und geschäftliche Unterlagen zu beschlagnahmen.

Die Arbeiterkammer (AK) wertet die Ausweitung der Befugnisse der BWB grundsätzlich positiv, sieht aber auch Nachteile: "Durch die Einführung von neuen Rechtsmittelbehörden ( Berufung, Anm. ) wird das Kartellverfahren noch komplizierter, und die Strafen werden geringer", heißt es in einer Stellungnahme.

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